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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Die Brennnessel.
an andern Plätzen, die sonst ganz unbrauchbar sind, fortkomme. Dies ist mir
besonders auffallend gewesen, da ich die Nessel nirgends zu einer beträchtlichen
Höhe aufkommen sah, als an Stellen, die sehr reich an Humus waren. Es
erklärte sich mir aber, wie ich nachmals bei einem Lobpreiser der Nessel fand,
daß man einige Zoll hoch fruchtbare schwarze Erde auf die Stelle fahren solle,
wo man die Nessel anbauen will. Dem also, der seine fruchtbare schwarze Erde
und die dazu erforderliche Arbeit nicht besser zu benutzen weiß, mag der Anbau
dieses Gewächses zum Gespinnst und zum Futterkraute zu empfehlen seyn.

Auch sind noch manche andre Gewächse, mehrere Arten der Malven,
die binsenartige Pfrieme (Spartium junceum und scoparium), der
Bergschotenweiderich (Epilobium augustifolium), auch die Hopfen-
stengel
u. s. w. zur Gespinnstbereitung vorgeschlagen worden, worüber ich ver-
weise auf Herzers vollständige Geschichte der Benutzung vieler bisher noch un-
benutzter deutscher Woll- und Seidengewächse, Regensburg 1794. Vorerst
werden wir uns wohl mit dem Lein- und Hanfbau begnügen.

Die Weberkarde, Kardendistel, Dipsacus fullonum,
§. 240.

finde hier ihren Platz, weil sie in den Tuchfabriken höchst nutzbar ist, und von
ihnen so gesucht wird, daß ihr Anbau dem Landwirthe unter manchen Lokalitä-
ten vortheilhaft seyn kann.

Dies Gewächs wächst auch in Deutschland wild, aber das wildwachsende
kann nicht zum Kratzen gebraucht werden, indem die Stacheln seiner Köpfe ge-
meiniglich keine hakenförmige Spitze haben, welche sie durch die Kultur annehmen.

Man säet den Saamen im Frühjahre. Im ersten Jahre schießen die Pflan-
zen nicht in die Höhe. Sie werden gewöhnlich im Julius versetzt, in einem
Abstande von 11/2 bis 2 Fuß. Im folgenden Jahre treiben sie 4 bis 6 Fuß hohe
Stengel. Am Ende der Stengel und Zweige entspringen die eirunden Blu-
menköpfe, welche mit langen Stacheln besetzt sind, zwischen denen röthliche Blu-
men hervorkommen. Wenn alle Blüten aufgebrochen sind, schneidet man die
Köpfe so ab, daß noch 1 Fuß langer Stengel daran sitzen bleibe. Sie werden

Vierter Theil. A a

Die Brennneſſel.
an andern Plaͤtzen, die ſonſt ganz unbrauchbar ſind, fortkomme. Dies iſt mir
beſonders auffallend geweſen, da ich die Neſſel nirgends zu einer betraͤchtlichen
Hoͤhe aufkommen ſah, als an Stellen, die ſehr reich an Humus waren. Es
erklaͤrte ſich mir aber, wie ich nachmals bei einem Lobpreiſer der Neſſel fand,
daß man einige Zoll hoch fruchtbare ſchwarze Erde auf die Stelle fahren ſolle,
wo man die Neſſel anbauen will. Dem alſo, der ſeine fruchtbare ſchwarze Erde
und die dazu erforderliche Arbeit nicht beſſer zu benutzen weiß, mag der Anbau
dieſes Gewaͤchſes zum Geſpinnſt und zum Futterkraute zu empfehlen ſeyn.

Auch ſind noch manche andre Gewaͤchſe, mehrere Arten der Malven,
die binſenartige Pfrieme (Spartium junceum und scoparium), der
Bergſchotenweiderich (Epilobium augustifolium), auch die Hopfen-
ſtengel
u. ſ. w. zur Geſpinnſtbereitung vorgeſchlagen worden, woruͤber ich ver-
weiſe auf Herzers vollſtaͤndige Geſchichte der Benutzung vieler bisher noch un-
benutzter deutſcher Woll- und Seidengewaͤchſe, Regensburg 1794. Vorerſt
werden wir uns wohl mit dem Lein- und Hanfbau begnuͤgen.

Die Weberkarde, Kardendiſtel, Dipsacus fullonum,
§. 240.

finde hier ihren Platz, weil ſie in den Tuchfabriken hoͤchſt nutzbar iſt, und von
ihnen ſo geſucht wird, daß ihr Anbau dem Landwirthe unter manchen Lokalitaͤ-
ten vortheilhaft ſeyn kann.

Dies Gewaͤchs waͤchſt auch in Deutſchland wild, aber das wildwachſende
kann nicht zum Kratzen gebraucht werden, indem die Stacheln ſeiner Koͤpfe ge-
meiniglich keine hakenfoͤrmige Spitze haben, welche ſie durch die Kultur annehmen.

Man ſaͤet den Saamen im Fruͤhjahre. Im erſten Jahre ſchießen die Pflan-
zen nicht in die Hoͤhe. Sie werden gewoͤhnlich im Julius verſetzt, in einem
Abſtande von 1½ bis 2 Fuß. Im folgenden Jahre treiben ſie 4 bis 6 Fuß hohe
Stengel. Am Ende der Stengel und Zweige entſpringen die eirunden Blu-
menkoͤpfe, welche mit langen Stacheln beſetzt ſind, zwiſchen denen roͤthliche Blu-
men hervorkommen. Wenn alle Bluͤten aufgebrochen ſind, ſchneidet man die
Koͤpfe ſo ab, daß noch 1 Fuß langer Stengel daran ſitzen bleibe. Sie werden

Vierter Theil. A a
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[185/0209] Die Brennneſſel. an andern Plaͤtzen, die ſonſt ganz unbrauchbar ſind, fortkomme. Dies iſt mir beſonders auffallend geweſen, da ich die Neſſel nirgends zu einer betraͤchtlichen Hoͤhe aufkommen ſah, als an Stellen, die ſehr reich an Humus waren. Es erklaͤrte ſich mir aber, wie ich nachmals bei einem Lobpreiſer der Neſſel fand, daß man einige Zoll hoch fruchtbare ſchwarze Erde auf die Stelle fahren ſolle, wo man die Neſſel anbauen will. Dem alſo, der ſeine fruchtbare ſchwarze Erde und die dazu erforderliche Arbeit nicht beſſer zu benutzen weiß, mag der Anbau dieſes Gewaͤchſes zum Geſpinnſt und zum Futterkraute zu empfehlen ſeyn. Auch ſind noch manche andre Gewaͤchſe, mehrere Arten der Malven, die binſenartige Pfrieme (Spartium junceum und scoparium), der Bergſchotenweiderich (Epilobium augustifolium), auch die Hopfen- ſtengel u. ſ. w. zur Geſpinnſtbereitung vorgeſchlagen worden, woruͤber ich ver- weiſe auf Herzers vollſtaͤndige Geſchichte der Benutzung vieler bisher noch un- benutzter deutſcher Woll- und Seidengewaͤchſe, Regensburg 1794. Vorerſt werden wir uns wohl mit dem Lein- und Hanfbau begnuͤgen. Die Weberkarde, Kardendiſtel, Dipsacus fullonum, §. 240. finde hier ihren Platz, weil ſie in den Tuchfabriken hoͤchſt nutzbar iſt, und von ihnen ſo geſucht wird, daß ihr Anbau dem Landwirthe unter manchen Lokalitaͤ- ten vortheilhaft ſeyn kann. Dies Gewaͤchs waͤchſt auch in Deutſchland wild, aber das wildwachſende kann nicht zum Kratzen gebraucht werden, indem die Stacheln ſeiner Koͤpfe ge- meiniglich keine hakenfoͤrmige Spitze haben, welche ſie durch die Kultur annehmen. Man ſaͤet den Saamen im Fruͤhjahre. Im erſten Jahre ſchießen die Pflan- zen nicht in die Hoͤhe. Sie werden gewoͤhnlich im Julius verſetzt, in einem Abſtande von 1½ bis 2 Fuß. Im folgenden Jahre treiben ſie 4 bis 6 Fuß hohe Stengel. Am Ende der Stengel und Zweige entſpringen die eirunden Blu- menkoͤpfe, welche mit langen Stacheln beſetzt ſind, zwiſchen denen roͤthliche Blu- men hervorkommen. Wenn alle Bluͤten aufgebrochen ſind, ſchneidet man die Koͤpfe ſo ab, daß noch 1 Fuß langer Stengel daran ſitzen bleibe. Sie werden Vierter Theil. A a

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/209>, abgerufen am 29.03.2024.