Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Futtergewächse.
Die Runkelrübe.
§. 287.

Mangoldwurzel, Burgunderrübe, Dickrübe, Raunschen, Ran-
gers
, von den Franzosen durch eine mißverstandene Uebersetzung des Worts
Mangold, racine de disette, und von den Engländern daher wieder scarcity-
root
genannt, stammt mit allen ihren Varietäten entweder von der Beta vul-
Abarten.garis allein ab, oder ist aus einer Vermischung derselben mit der Beta cicla
entstanden. Denn ich halte den Unterschied, den die Botaniker zwischen beiden
Gattungen angeben, für zu unbedeutend, und meinen Bemerkungen nach für zu
unbestimmt, um eine spezifische Trennung beider zu begründen. Aus der dun-
kelrothen Gartenrübe und dem weißen Mangold sind durch Vermischung des
Saamenstaubes, meiner Ueberzeugung nach, alle die Varietäten entstanden, die
sich bald jener bald diesem mehr nähern und noch immerfort Ausartungen un-
terworfen sind, wo bei einzelnen Individuen der eine oder der andre ursprüng-
liche Stamm mehr hervorsticht. Es lassen sich daher die verschiedenen Arten,
welche man davon anbauet, wie das bei so vielen der kultivirten Pflanzen der
Fall ist, nicht bestimmt charakterisiriren, sondern sie gehen allmählig und schwan-
kend ineinander über.

Die an beiden Extremen stehenden Spielarten sind die dunkelrothe in den
Küchengärten schon viel früher angebaute rothe Beetwurzel und die ganz weiße
Runkelrübe. Dazwischen stehen nun die große hochrothe, die fleischfarbne oder
mit fleischfarbnen Ringen gemischte, die äußerlich rothe und inwendig ganz weiße,
die gelbe, auch gelb und roth gemengte. Mit der Farbe der Wurzel stimmt
die Farbe des Krauts mehrentheils überein oder vielmehr der Blattnerven, die
mehr oder minder roth oder ganz grün sind. Aus dem Saamen, von einer
Pflanze aufgenommen, erfolgen immer Verschiedenheiten. Doch ist die ganz
rothe oder die ganz weiße und gelbe am beständigsten.

Die bleichrothe Art wird unter gleichen Umständen am größten und giebt
das stärkste Produkt; deshalb wird sie zur Viehfütterung am häufigsten gebauet.
Man unterscheidet davon wieder zwei Abarten: eine, die mit ihrer Rübe ganz in
der Erde bleibt, und eine andre, die aus dem Boden herauszuwachsen die Nei-

Futtergewaͤchſe.
Die Runkelruͤbe.
§. 287.

Mangoldwurzel, Burgunderruͤbe, Dickruͤbe, Raunſchen, Ran-
gerſ
, von den Franzoſen durch eine mißverſtandene Ueberſetzung des Worts
Mangold, racine de disette, und von den Englaͤndern daher wieder scarcity-
root
genannt, ſtammt mit allen ihren Varietaͤten entweder von der Beta vul-
Abarten.garis allein ab, oder iſt aus einer Vermiſchung derſelben mit der Beta cicla
entſtanden. Denn ich halte den Unterſchied, den die Botaniker zwiſchen beiden
Gattungen angeben, fuͤr zu unbedeutend, und meinen Bemerkungen nach fuͤr zu
unbeſtimmt, um eine ſpezifiſche Trennung beider zu begruͤnden. Aus der dun-
kelrothen Gartenruͤbe und dem weißen Mangold ſind durch Vermiſchung des
Saamenſtaubes, meiner Ueberzeugung nach, alle die Varietaͤten entſtanden, die
ſich bald jener bald dieſem mehr naͤhern und noch immerfort Ausartungen un-
terworfen ſind, wo bei einzelnen Individuen der eine oder der andre urſpruͤng-
liche Stamm mehr hervorſticht. Es laſſen ſich daher die verſchiedenen Arten,
welche man davon anbauet, wie das bei ſo vielen der kultivirten Pflanzen der
Fall iſt, nicht beſtimmt charakteriſiriren, ſondern ſie gehen allmaͤhlig und ſchwan-
kend ineinander uͤber.

Die an beiden Extremen ſtehenden Spielarten ſind die dunkelrothe in den
Kuͤchengaͤrten ſchon viel fruͤher angebaute rothe Beetwurzel und die ganz weiße
Runkelruͤbe. Dazwiſchen ſtehen nun die große hochrothe, die fleiſchfarbne oder
mit fleiſchfarbnen Ringen gemiſchte, die aͤußerlich rothe und inwendig ganz weiße,
die gelbe, auch gelb und roth gemengte. Mit der Farbe der Wurzel ſtimmt
die Farbe des Krauts mehrentheils uͤberein oder vielmehr der Blattnerven, die
mehr oder minder roth oder ganz gruͤn ſind. Aus dem Saamen, von einer
Pflanze aufgenommen, erfolgen immer Verſchiedenheiten. Doch iſt die ganz
rothe oder die ganz weiße und gelbe am beſtaͤndigſten.

Die bleichrothe Art wird unter gleichen Umſtaͤnden am groͤßten und giebt
das ſtaͤrkſte Produkt; deshalb wird ſie zur Viehfuͤtterung am haͤufigſten gebauet.
Man unterſcheidet davon wieder zwei Abarten: eine, die mit ihrer Ruͤbe ganz in
der Erde bleibt, und eine andre, die aus dem Boden herauszuwachſen die Nei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0250" n="226"/>
          <fw place="top" type="header">Futtergewa&#x0364;ch&#x017F;e.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Runkelru&#x0364;be</hi>.</hi> </head><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 287.</head><lb/>
              <p><hi rendition="#g">Mangoldwurzel, Burgunderru&#x0364;be, Dickru&#x0364;be, Raun&#x017F;chen, Ran-<lb/>
ger&#x017F;</hi>, von den Franzo&#x017F;en durch eine mißver&#x017F;tandene Ueber&#x017F;etzung des Worts<lb/><hi rendition="#g">Mangold</hi>, <hi rendition="#aq">racine de disette,</hi> und von den Engla&#x0364;ndern daher wieder <hi rendition="#aq">scarcity-<lb/>
root</hi> genannt, &#x017F;tammt mit allen ihren Varieta&#x0364;ten entweder von der <hi rendition="#aq">Beta vul-</hi><lb/><note place="left">Abarten.</note><hi rendition="#aq">garis</hi> allein ab, oder i&#x017F;t aus einer Vermi&#x017F;chung der&#x017F;elben mit der <hi rendition="#aq">Beta cicla</hi><lb/>
ent&#x017F;tanden. Denn ich halte den Unter&#x017F;chied, den die Botaniker zwi&#x017F;chen beiden<lb/>
Gattungen angeben, fu&#x0364;r zu unbedeutend, und meinen Bemerkungen nach fu&#x0364;r zu<lb/>
unbe&#x017F;timmt, um eine &#x017F;pezifi&#x017F;che Trennung beider zu begru&#x0364;nden. Aus der dun-<lb/>
kelrothen Gartenru&#x0364;be und dem weißen Mangold &#x017F;ind durch Vermi&#x017F;chung des<lb/>
Saamen&#x017F;taubes, meiner Ueberzeugung nach, alle die Varieta&#x0364;ten ent&#x017F;tanden, die<lb/>
&#x017F;ich bald jener bald die&#x017F;em mehr na&#x0364;hern und noch immerfort Ausartungen un-<lb/>
terworfen &#x017F;ind, wo bei einzelnen Individuen der eine oder der andre ur&#x017F;pru&#x0364;ng-<lb/>
liche Stamm mehr hervor&#x017F;ticht. Es la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich daher die ver&#x017F;chiedenen Arten,<lb/>
welche man davon anbauet, wie das bei &#x017F;o vielen der kultivirten Pflanzen der<lb/>
Fall i&#x017F;t, nicht be&#x017F;timmt charakteri&#x017F;iriren, &#x017F;ondern &#x017F;ie gehen allma&#x0364;hlig und &#x017F;chwan-<lb/>
kend ineinander u&#x0364;ber.</p><lb/>
              <p>Die an beiden Extremen &#x017F;tehenden Spielarten &#x017F;ind die dunkelrothe in den<lb/>
Ku&#x0364;chenga&#x0364;rten &#x017F;chon viel fru&#x0364;her angebaute rothe Beetwurzel und die ganz weiße<lb/>
Runkelru&#x0364;be. Dazwi&#x017F;chen &#x017F;tehen nun die große hochrothe, die flei&#x017F;chfarbne oder<lb/>
mit flei&#x017F;chfarbnen Ringen gemi&#x017F;chte, die a&#x0364;ußerlich rothe und inwendig ganz weiße,<lb/>
die gelbe, auch gelb und roth gemengte. Mit der Farbe der Wurzel &#x017F;timmt<lb/>
die Farbe des Krauts mehrentheils u&#x0364;berein oder vielmehr der Blattnerven, die<lb/>
mehr oder minder roth oder ganz gru&#x0364;n &#x017F;ind. Aus dem Saamen, von <hi rendition="#g">einer</hi><lb/>
Pflanze aufgenommen, erfolgen immer Ver&#x017F;chiedenheiten. Doch i&#x017F;t die <hi rendition="#g">ganz</hi><lb/>
rothe oder die <hi rendition="#g">ganz</hi> weiße und gelbe am be&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;ten.</p><lb/>
              <p>Die bleichrothe Art wird unter gleichen Um&#x017F;ta&#x0364;nden am gro&#x0364;ßten und giebt<lb/>
das &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;te Produkt; deshalb wird &#x017F;ie zur Viehfu&#x0364;tterung am ha&#x0364;ufig&#x017F;ten gebauet.<lb/>
Man unter&#x017F;cheidet davon wieder zwei Abarten: eine, die mit ihrer Ru&#x0364;be ganz in<lb/>
der Erde bleibt, und eine andre, die aus dem Boden herauszuwach&#x017F;en die Nei-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[226/0250] Futtergewaͤchſe. Die Runkelruͤbe. §. 287. Mangoldwurzel, Burgunderruͤbe, Dickruͤbe, Raunſchen, Ran- gerſ, von den Franzoſen durch eine mißverſtandene Ueberſetzung des Worts Mangold, racine de disette, und von den Englaͤndern daher wieder scarcity- root genannt, ſtammt mit allen ihren Varietaͤten entweder von der Beta vul- garis allein ab, oder iſt aus einer Vermiſchung derſelben mit der Beta cicla entſtanden. Denn ich halte den Unterſchied, den die Botaniker zwiſchen beiden Gattungen angeben, fuͤr zu unbedeutend, und meinen Bemerkungen nach fuͤr zu unbeſtimmt, um eine ſpezifiſche Trennung beider zu begruͤnden. Aus der dun- kelrothen Gartenruͤbe und dem weißen Mangold ſind durch Vermiſchung des Saamenſtaubes, meiner Ueberzeugung nach, alle die Varietaͤten entſtanden, die ſich bald jener bald dieſem mehr naͤhern und noch immerfort Ausartungen un- terworfen ſind, wo bei einzelnen Individuen der eine oder der andre urſpruͤng- liche Stamm mehr hervorſticht. Es laſſen ſich daher die verſchiedenen Arten, welche man davon anbauet, wie das bei ſo vielen der kultivirten Pflanzen der Fall iſt, nicht beſtimmt charakteriſiriren, ſondern ſie gehen allmaͤhlig und ſchwan- kend ineinander uͤber. Abarten. Die an beiden Extremen ſtehenden Spielarten ſind die dunkelrothe in den Kuͤchengaͤrten ſchon viel fruͤher angebaute rothe Beetwurzel und die ganz weiße Runkelruͤbe. Dazwiſchen ſtehen nun die große hochrothe, die fleiſchfarbne oder mit fleiſchfarbnen Ringen gemiſchte, die aͤußerlich rothe und inwendig ganz weiße, die gelbe, auch gelb und roth gemengte. Mit der Farbe der Wurzel ſtimmt die Farbe des Krauts mehrentheils uͤberein oder vielmehr der Blattnerven, die mehr oder minder roth oder ganz gruͤn ſind. Aus dem Saamen, von einer Pflanze aufgenommen, erfolgen immer Verſchiedenheiten. Doch iſt die ganz rothe oder die ganz weiße und gelbe am beſtaͤndigſten. Die bleichrothe Art wird unter gleichen Umſtaͤnden am groͤßten und giebt das ſtaͤrkſte Produkt; deshalb wird ſie zur Viehfuͤtterung am haͤufigſten gebauet. Man unterſcheidet davon wieder zwei Abarten: eine, die mit ihrer Ruͤbe ganz in der Erde bleibt, und eine andre, die aus dem Boden herauszuwachſen die Nei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/250
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/250>, abgerufen am 20.04.2024.