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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Die Schaafzucht.

Man hat sie mit andern gewöhnlichen Landschaafen durchkreuzt, und dann
einen Mittelschlag herausgebracht, den man halbedel nennt, der aber gar
nichts taugt, eine bessere Fütterung und Weide erfordert, wenn er nicht ganz
verkröppeln soll, und wenig mehr einträgt, als diese reine Haidschnucke.

§. 102.

Das Marsch- oder Niederungsschaaf, auch Friesisches SchaafDas Marsch-
schaaf.

genannt, hat mehrere Abarten, die jedoch von demselben Hauptstamme herzu-
kommen scheinen, und nur durch die Haltung und durch die Auswahl der In-
dividuen abgeändert zuseyn scheinen. Die in den fettesten Gegenden sind sehr
groß und breit, und können bis zu einem Schlächtergewichte von 120 Pfd.,
einzlne noch ungleich höher, getrieben werden. Sie tragen eine starke Wolle, die
mehr oder minder fein und weich, aber nie kraus, sondern schlicht und sogenannte
Kämmwolle ist. Sie können im Durchschnitt auf recht fetten Weiden 10 Pfd.
Wolle geben, die kleineren geben jedoch nur 6 bis 7 Pfd. Diese Wolle ist zu
gewissen Zeugen sehr schätzbar, und vorzüglich zu gestrickten und gewebten Strüm-
pfen, weil sie sich durch die Feuchtigkeit nicht zusammenzieht oder einkrümmpt;
aber zu Tüchern ist sie nicht brauchbar.

Sie bringen in der Regel zwei oft auch drei Lämmer, man hat sogar
Beispiele von mehreren. Die kleinere, feinknochige Abart dieser Schaafe wird
schnell fett, und auf guten Weiden schon im zweiten Jahre schlachtbar. Sie
geben viele Milch, und man melkt sie häufig. Ich habe solche Schaafe, nicht
von der größten Art, gesehen, die täglich ein Quart Milch gaben, und welche
für die Liebhaber der Schaafmilch von vorzüglicher Güte war.

Diese Schaafe scheinen daher vortheilhaft zu seyn, aber sie sind es richtig
erwogen nicht; denn sie erfordern nach Verhältniß ihres Ertrages eine sehr
reiche Weide und Fütterung. Sie werden deshalb auch fast nur bei einzelnen
Stücken in solchen Gegenden gehalten, wo man ihnen eine Weide geben kann,
die auf andere Weise nicht wohl zu benutzen ist. In den eingedeichten Niede-
rungen gehen sie an und hinter dem Deiche. Wenn man sie fett machen will,
so läßt man sie entweder zwischen andrem Vieh auf den Fettweiden gehen, oder
giebt ihnen Graskoppeln ein, die anderes Vieh nicht tragen würden, die man
sonst als Wiese benutzt, aber nun ein Jahr schonen und durch den Pferch be-

D d d 2
Die Schaafzucht.

Man hat ſie mit andern gewoͤhnlichen Landſchaafen durchkreuzt, und dann
einen Mittelſchlag herausgebracht, den man halbedel nennt, der aber gar
nichts taugt, eine beſſere Fuͤtterung und Weide erfordert, wenn er nicht ganz
verkroͤppeln ſoll, und wenig mehr eintraͤgt, als dieſe reine Haidſchnucke.

§. 102.

Das Marſch- oder Niederungsſchaaf, auch Frieſiſches SchaafDas Marſch-
ſchaaf.

genannt, hat mehrere Abarten, die jedoch von demſelben Hauptſtamme herzu-
kommen ſcheinen, und nur durch die Haltung und durch die Auswahl der In-
dividuen abgeaͤndert zuſeyn ſcheinen. Die in den fetteſten Gegenden ſind ſehr
groß und breit, und koͤnnen bis zu einem Schlaͤchtergewichte von 120 Pfd.,
einzlne noch ungleich hoͤher, getrieben werden. Sie tragen eine ſtarke Wolle, die
mehr oder minder fein und weich, aber nie kraus, ſondern ſchlicht und ſogenannte
Kaͤmmwolle iſt. Sie koͤnnen im Durchſchnitt auf recht fetten Weiden 10 Pfd.
Wolle geben, die kleineren geben jedoch nur 6 bis 7 Pfd. Dieſe Wolle iſt zu
gewiſſen Zeugen ſehr ſchaͤtzbar, und vorzuͤglich zu geſtrickten und gewebten Struͤm-
pfen, weil ſie ſich durch die Feuchtigkeit nicht zuſammenzieht oder einkruͤmmpt;
aber zu Tuͤchern iſt ſie nicht brauchbar.

Sie bringen in der Regel zwei oft auch drei Laͤmmer, man hat ſogar
Beiſpiele von mehreren. Die kleinere, feinknochige Abart dieſer Schaafe wird
ſchnell fett, und auf guten Weiden ſchon im zweiten Jahre ſchlachtbar. Sie
geben viele Milch, und man melkt ſie haͤufig. Ich habe ſolche Schaafe, nicht
von der groͤßten Art, geſehen, die taͤglich ein Quart Milch gaben, und welche
fuͤr die Liebhaber der Schaafmilch von vorzuͤglicher Guͤte war.

Dieſe Schaafe ſcheinen daher vortheilhaft zu ſeyn, aber ſie ſind es richtig
erwogen nicht; denn ſie erfordern nach Verhaͤltniß ihres Ertrages eine ſehr
reiche Weide und Fuͤtterung. Sie werden deshalb auch faſt nur bei einzelnen
Stuͤcken in ſolchen Gegenden gehalten, wo man ihnen eine Weide geben kann,
die auf andere Weiſe nicht wohl zu benutzen iſt. In den eingedeichten Niede-
rungen gehen ſie an und hinter dem Deiche. Wenn man ſie fett machen will,
ſo laͤßt man ſie entweder zwiſchen andrem Vieh auf den Fettweiden gehen, oder
giebt ihnen Graskoppeln ein, die anderes Vieh nicht tragen wuͤrden, die man
ſonſt als Wieſe benutzt, aber nun ein Jahr ſchonen und durch den Pferch be-

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[395/0419] Die Schaafzucht. Man hat ſie mit andern gewoͤhnlichen Landſchaafen durchkreuzt, und dann einen Mittelſchlag herausgebracht, den man halbedel nennt, der aber gar nichts taugt, eine beſſere Fuͤtterung und Weide erfordert, wenn er nicht ganz verkroͤppeln ſoll, und wenig mehr eintraͤgt, als dieſe reine Haidſchnucke. §. 102. Das Marſch- oder Niederungsſchaaf, auch Frieſiſches Schaaf genannt, hat mehrere Abarten, die jedoch von demſelben Hauptſtamme herzu- kommen ſcheinen, und nur durch die Haltung und durch die Auswahl der In- dividuen abgeaͤndert zuſeyn ſcheinen. Die in den fetteſten Gegenden ſind ſehr groß und breit, und koͤnnen bis zu einem Schlaͤchtergewichte von 120 Pfd., einzlne noch ungleich hoͤher, getrieben werden. Sie tragen eine ſtarke Wolle, die mehr oder minder fein und weich, aber nie kraus, ſondern ſchlicht und ſogenannte Kaͤmmwolle iſt. Sie koͤnnen im Durchſchnitt auf recht fetten Weiden 10 Pfd. Wolle geben, die kleineren geben jedoch nur 6 bis 7 Pfd. Dieſe Wolle iſt zu gewiſſen Zeugen ſehr ſchaͤtzbar, und vorzuͤglich zu geſtrickten und gewebten Struͤm- pfen, weil ſie ſich durch die Feuchtigkeit nicht zuſammenzieht oder einkruͤmmpt; aber zu Tuͤchern iſt ſie nicht brauchbar. Das Marſch- ſchaaf. Sie bringen in der Regel zwei oft auch drei Laͤmmer, man hat ſogar Beiſpiele von mehreren. Die kleinere, feinknochige Abart dieſer Schaafe wird ſchnell fett, und auf guten Weiden ſchon im zweiten Jahre ſchlachtbar. Sie geben viele Milch, und man melkt ſie haͤufig. Ich habe ſolche Schaafe, nicht von der groͤßten Art, geſehen, die taͤglich ein Quart Milch gaben, und welche fuͤr die Liebhaber der Schaafmilch von vorzuͤglicher Guͤte war. Dieſe Schaafe ſcheinen daher vortheilhaft zu ſeyn, aber ſie ſind es richtig erwogen nicht; denn ſie erfordern nach Verhaͤltniß ihres Ertrages eine ſehr reiche Weide und Fuͤtterung. Sie werden deshalb auch faſt nur bei einzelnen Stuͤcken in ſolchen Gegenden gehalten, wo man ihnen eine Weide geben kann, die auf andere Weiſe nicht wohl zu benutzen iſt. In den eingedeichten Niede- rungen gehen ſie an und hinter dem Deiche. Wenn man ſie fett machen will, ſo laͤßt man ſie entweder zwiſchen andrem Vieh auf den Fettweiden gehen, oder giebt ihnen Graskoppeln ein, die anderes Vieh nicht tragen wuͤrden, die man ſonſt als Wieſe benutzt, aber nun ein Jahr ſchonen und durch den Pferch be- D d d 2

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/419>, abgerufen am 19.04.2024.