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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Der Weizen.
Der Weizen.
§. 49.

Aus dem botanischen Geschlechte des Triticum kommen vier bestimmte unverän-Arten des
Weizens.

derliche Arten als angebauete Cerealien in Betracht, nämlich:

Triticum hybernum und aestivum als eine Art,

-- spelta, Spelz,
-- monococcon, Einkorn,
-- polonicum.

Die unzähligen Varietäten, die man besonders von der ersten Art oder dem
eigentlichen Weizen hat, sind blos Ab- oder Spielarten die sich verändern und durch
Einwirkung äußerer Umstände in einander übergehen. Dies ist gegen die gewöhn-
liche Meinung, selbst der Botaniker -- die überhaupt in der Unterscheidung der
Arten und Abarten (species und varietas) bei den unter der Einwirkung der Kunst
stehenden landwirthschaftlichen Pflanzen noch nicht aufs Reine gekommen sind --
auch bei dem Sommer- und Winterweizen der Fall. Wenn gleich beide,
besonders einige Abarten, ihrer Natur nach sehr verschieden zu seyn scheinen, so
kann man doch willkührlich den einen in den andern umwandeln. Indem man den
entschiedensten Winterweizen spät im Winter im Februar oder Anfangs März säet,
wird er mit einem Theile seiner Sprossen aufschießen und reifen Saamen in dem-
selben Jahre machen; aber freilich nur einen schwachen Ertrag geben. Säet man
den hiervon genommenen Saamen im nächsten Frühjahre, so wird er schon mehr
die Natur des Sommerweizens angenommen haben, mehr in Aehren gehen und
reifen und im folgenden Jahre wird er vollkommner Sommerweizen seyn. Dage-
gen säe man entschiedenen Sommerweizen zu Ende Oktobers: kommt ein harter
Winter ohne genugsame Schneedecke, so wird er freilich sämmtlich erfrieren; bei
günstiger Witterung aber ziemlich durchkommen, dann früher wie der Winterweizen
in Aehren gehen und reifen. Die hiervon gewonnene Saat wird den Winter schon

Vierter Theil. G
Der Weizen.
Der Weizen.
§. 49.

Aus dem botaniſchen Geſchlechte des Triticum kommen vier beſtimmte unveraͤn-Arten des
Weizens.

derliche Arten als angebauete Cerealien in Betracht, naͤmlich:

Triticum hybernum und aestivum als eine Art,

spelta, Spelz,
monococcon, Einkorn,
polonicum.

Die unzaͤhligen Varietaͤten, die man beſonders von der erſten Art oder dem
eigentlichen Weizen hat, ſind blos Ab- oder Spielarten die ſich veraͤndern und durch
Einwirkung aͤußerer Umſtaͤnde in einander uͤbergehen. Dies iſt gegen die gewoͤhn-
liche Meinung, ſelbſt der Botaniker — die uͤberhaupt in der Unterſcheidung der
Arten und Abarten (species und varietas) bei den unter der Einwirkung der Kunſt
ſtehenden landwirthſchaftlichen Pflanzen noch nicht aufs Reine gekommen ſind —
auch bei dem Sommer- und Winterweizen der Fall. Wenn gleich beide,
beſonders einige Abarten, ihrer Natur nach ſehr verſchieden zu ſeyn ſcheinen, ſo
kann man doch willkuͤhrlich den einen in den andern umwandeln. Indem man den
entſchiedenſten Winterweizen ſpaͤt im Winter im Februar oder Anfangs Maͤrz ſaͤet,
wird er mit einem Theile ſeiner Sproſſen aufſchießen und reifen Saamen in dem-
ſelben Jahre machen; aber freilich nur einen ſchwachen Ertrag geben. Saͤet man
den hiervon genommenen Saamen im naͤchſten Fruͤhjahre, ſo wird er ſchon mehr
die Natur des Sommerweizens angenommen haben, mehr in Aehren gehen und
reifen und im folgenden Jahre wird er vollkommner Sommerweizen ſeyn. Dage-
gen ſaͤe man entſchiedenen Sommerweizen zu Ende Oktobers: kommt ein harter
Winter ohne genugſame Schneedecke, ſo wird er freilich ſaͤmmtlich erfrieren; bei
guͤnſtiger Witterung aber ziemlich durchkommen, dann fruͤher wie der Winterweizen
in Aehren gehen und reifen. Die hiervon gewonnene Saat wird den Winter ſchon

Vierter Theil. G
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[49/0073] Der Weizen. Der Weizen. §. 49. Aus dem botaniſchen Geſchlechte des Triticum kommen vier beſtimmte unveraͤn- derliche Arten als angebauete Cerealien in Betracht, naͤmlich: Arten des Weizens. Triticum hybernum und aestivum als eine Art, — spelta, Spelz, — monococcon, Einkorn, — polonicum. Die unzaͤhligen Varietaͤten, die man beſonders von der erſten Art oder dem eigentlichen Weizen hat, ſind blos Ab- oder Spielarten die ſich veraͤndern und durch Einwirkung aͤußerer Umſtaͤnde in einander uͤbergehen. Dies iſt gegen die gewoͤhn- liche Meinung, ſelbſt der Botaniker — die uͤberhaupt in der Unterſcheidung der Arten und Abarten (species und varietas) bei den unter der Einwirkung der Kunſt ſtehenden landwirthſchaftlichen Pflanzen noch nicht aufs Reine gekommen ſind — auch bei dem Sommer- und Winterweizen der Fall. Wenn gleich beide, beſonders einige Abarten, ihrer Natur nach ſehr verſchieden zu ſeyn ſcheinen, ſo kann man doch willkuͤhrlich den einen in den andern umwandeln. Indem man den entſchiedenſten Winterweizen ſpaͤt im Winter im Februar oder Anfangs Maͤrz ſaͤet, wird er mit einem Theile ſeiner Sproſſen aufſchießen und reifen Saamen in dem- ſelben Jahre machen; aber freilich nur einen ſchwachen Ertrag geben. Saͤet man den hiervon genommenen Saamen im naͤchſten Fruͤhjahre, ſo wird er ſchon mehr die Natur des Sommerweizens angenommen haben, mehr in Aehren gehen und reifen und im folgenden Jahre wird er vollkommner Sommerweizen ſeyn. Dage- gen ſaͤe man entſchiedenen Sommerweizen zu Ende Oktobers: kommt ein harter Winter ohne genugſame Schneedecke, ſo wird er freilich ſaͤmmtlich erfrieren; bei guͤnſtiger Witterung aber ziemlich durchkommen, dann fruͤher wie der Winterweizen in Aehren gehen und reifen. Die hiervon gewonnene Saat wird den Winter ſchon Vierter Theil. G

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/73>, abgerufen am 18.04.2024.