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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 1. Hauptst. von denen Ursachen
denen gemeinen Freundschafften/ die auff Eigen-
nutz oder ungeziemende Belustigung ihr abse-
hen richten/ an statt der Sorgfältigen Gefäl-
ligkeit
entweder eine viehische plumpe Grob-
heit/
oder eine mißtrauische und von falschheit
angefüllete Höffligkeit den Anfang zu denen-
selben machen.

12. Und wie es gemeiniglich bey dieser Höff-
ligkeit zu bleiben pfleget/ welches wir im ersten
Theil für ein Kennzeichen einer noch sehr unvoll-
kommenen Liebe angegeben/ indeme so lange
dieselbe noch im Schwange gehet/ die Ver-
trauligkeit
nicht empor kommen kan; Also wird
man auch unter tausend Gutthaten kaum eine
einige finden/ die den Nahmen einer warhaff-
tigen Gutthat
verdiene/ und nicht vielmehr
auff den Eigennutz und eigenes Vergnügen
hauptsächlich abziele/ oder als ein Köder ge-
braucht werde/ andere Gemüther unsern Willen
unterwürffig zu machen.

13. Gesetzt aber/ man trifft ja noch dann
und wann Exempel wahrer Gutthaten an/ so
weiset doch der allgemeine Mangel völliger
Gemeinschafft aller Güter
und alles vernünff-
tigen Thun und Lassens/ daß wir kein Exempel
einer vollkommenen Freundschafft/ an der es
doch vor Alters so nicht gemangelt/ auffweisen
können; Ja wir sind disfalls noch elender dran
als die Heyden/ die doch zum wenigsten diese
Gemeinschafft als eine Frucht der vollkommen-

sten

Das 1. Hauptſt. von denen Urſachen
denen gemeinen Freundſchafften/ die auff Eigen-
nutz oder ungeziemende Beluſtigung ihr abſe-
hen richten/ an ſtatt der Sorgfaͤltigen Gefaͤl-
ligkeit
entweder eine viehiſche plumpe Grob-
heit/
oder eine mißtrauiſche und von falſchheit
angefuͤllete Hoͤffligkeit den Anfang zu denen-
ſelben machen.

12. Und wie es gemeiniglich bey dieſer Hoͤff-
ligkeit zu bleiben pfleget/ welches wir im erſten
Theil fuͤr ein Kennzeichen einer noch ſehr unvoll-
kommenen Liebe angegeben/ indeme ſo lange
dieſelbe noch im Schwange gehet/ die Ver-
trauligkeit
nicht empor kommen kan; Alſo wird
man auch unter tauſend Gutthaten kaum eine
einige finden/ die den Nahmen einer warhaff-
tigen Gutthat
verdiene/ und nicht vielmehr
auff den Eigennutz und eigenes Vergnuͤgen
hauptſaͤchlich abziele/ oder als ein Koͤder ge-
braucht werde/ andere Gemuͤther unſern Willen
unterwuͤrffig zu machen.

13. Geſetzt aber/ man trifft ja noch dann
und wann Exempel wahrer Gutthaten an/ ſo
weiſet doch der allgemeine Mangel voͤlliger
Gemeinſchafft aller Guͤter
und alles vernuͤnff-
tigen Thun und Laſſens/ daß wir kein Exempel
einer vollkommenen Freundſchafft/ an der es
doch vor Alters ſo nicht gemangelt/ auffweiſen
koͤnnen; Ja wir ſind disfalls noch elender dran
als die Heyden/ die doch zum wenigſten dieſe
Gemeinſchafft als eine Frucht der vollkommen-

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[8/0020] Das 1. Hauptſt. von denen Urſachen denen gemeinen Freundſchafften/ die auff Eigen- nutz oder ungeziemende Beluſtigung ihr abſe- hen richten/ an ſtatt der Sorgfaͤltigen Gefaͤl- ligkeit entweder eine viehiſche plumpe Grob- heit/ oder eine mißtrauiſche und von falſchheit angefuͤllete Hoͤffligkeit den Anfang zu denen- ſelben machen. 12. Und wie es gemeiniglich bey dieſer Hoͤff- ligkeit zu bleiben pfleget/ welches wir im erſten Theil fuͤr ein Kennzeichen einer noch ſehr unvoll- kommenen Liebe angegeben/ indeme ſo lange dieſelbe noch im Schwange gehet/ die Ver- trauligkeit nicht empor kommen kan; Alſo wird man auch unter tauſend Gutthaten kaum eine einige finden/ die den Nahmen einer warhaff- tigen Gutthat verdiene/ und nicht vielmehr auff den Eigennutz und eigenes Vergnuͤgen hauptſaͤchlich abziele/ oder als ein Koͤder ge- braucht werde/ andere Gemuͤther unſern Willen unterwuͤrffig zu machen. 13. Geſetzt aber/ man trifft ja noch dann und wann Exempel wahrer Gutthaten an/ ſo weiſet doch der allgemeine Mangel voͤlliger Gemeinſchafft aller Guͤter und alles vernuͤnff- tigen Thun und Laſſens/ daß wir kein Exempel einer vollkommenen Freundſchafft/ an der es doch vor Alters ſo nicht gemangelt/ auffweiſen koͤnnen; Ja wir ſind disfalls noch elender dran als die Heyden/ die doch zum wenigſten dieſe Gemeinſchafft als eine Frucht der vollkommen- ſten

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/20>, abgerufen am 29.03.2024.