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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 10. H. von dem Ehrgeitz
Hoffärtiger betrübet sich eben nicht sehr/ wenn
tugendhaffte/ wohllüstige und Geldgeitzige Leute
ihn nicht aestimiren/ jedoch kan er auch nicht
vertragen/ daß sie ihn verachten/ oder sich seinen
Willen widersetzen. Absonderlich aber sucht er
sein Vergnügen in der aestim und veneration
anderer Ehrgeitzigen Leute/ die doch zu erlangen
am allerwenigsten in seinen Vermögen ist/ in
dem natürlicher weise ein ehrgeitziges Gemüthe
sich für dem andern fürchtet; Wo Furcht ist
ist keine Liebe/ und wo keine Liebe ist/ ist keine
warhafftige Hochachtung.

19. Ein Tugendhaffter kan die Schmeich-
ler nicht wohl vertragen/ die anders reden als
es ihnen ums Hertze ist/ weil er nicht Worte und
eußerliche Bezeugungen sondern das Hertze su-
chet. Ein Ehrgeitziger aber zweiß wohl daß
die wenigsten die ihm Ehre bezeigen es von Her-
tzen meinen; Aber er ist zu frieden/ wenn sie ihn
nur mit Worten schmeicheln und mit eußerlichen
Thaten
sich anstellen als wenn sie ihn hoch ach-
teten; und deswegen gehet er allemahl lieber
mit seines gleichen falschen Leuten als mit auff-
richtigen umb.

20. Ein Tugendhaffter praetendiret von
einen andern Tugendhafften keinen Gehorsam/
sondern Liebe/ daß ist eine Wechselgefälligkeit
und Vereinigung der Hertzen/ da keines dem an-
dern zu befehlen/ und doch beyde einander zu ge-
horchen trachten. Aber ein Ehrgeitziger suchet

sein

Das 10. H. von dem Ehrgeitz
Hoffaͤrtiger betruͤbet ſich eben nicht ſehr/ wenn
tugendhaffte/ wohlluͤſtige und Geldgeitzige Leute
ihn nicht æſtimiren/ jedoch kan er auch nicht
vertragen/ daß ſie ihn verachten/ oder ſich ſeinen
Willen widerſetzen. Abſonderlich aber ſucht er
ſein Vergnuͤgen in der æſtim und veneration
anderer Ehrgeitzigen Leute/ die doch zu erlangen
am allerwenigſten in ſeinen Vermoͤgen iſt/ in
dem natuͤrlicher weiſe ein ehrgeitziges Gemuͤthe
ſich fuͤr dem andern fuͤrchtet; Wo Furcht iſt
iſt keine Liebe/ und wo keine Liebe iſt/ iſt keine
warhafftige Hochachtung.

19. Ein Tugendhaffter kan die Schmeich-
ler nicht wohl vertragen/ die anders reden als
es ihnen ums Hertze iſt/ weil er nicht Worte und
eußerliche Bezeugungen ſondern das Hertze ſu-
chet. Ein Ehrgeitziger aber zweiß wohl daß
die wenigſten die ihm Ehre bezeigen es von Her-
tzen meinen; Aber er iſt zu frieden/ wenn ſie ihn
nur mit Worten ſchmeicheln und mit eußerlichen
Thaten
ſich anſtellen als wenn ſie ihn hoch ach-
teten; und deswegen gehet er allemahl lieber
mit ſeines gleichen falſchen Leuten als mit auff-
richtigen umb.

20. Ein Tugendhaffter prætendiret von
einen andern Tugendhafften keinen Gehorſam/
ſondern Liebe/ daß iſt eine Wechſelgefaͤlligkeit
und Vereinigung der Hertzen/ da keines dem an-
dern zu befehlen/ und doch beyde einander zu ge-
horchen trachten. Aber ein Ehrgeitziger ſuchet

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[232/0244] Das 10. H. von dem Ehrgeitz Hoffaͤrtiger betruͤbet ſich eben nicht ſehr/ wenn tugendhaffte/ wohlluͤſtige und Geldgeitzige Leute ihn nicht æſtimiren/ jedoch kan er auch nicht vertragen/ daß ſie ihn verachten/ oder ſich ſeinen Willen widerſetzen. Abſonderlich aber ſucht er ſein Vergnuͤgen in der æſtim und veneration anderer Ehrgeitzigen Leute/ die doch zu erlangen am allerwenigſten in ſeinen Vermoͤgen iſt/ in dem natuͤrlicher weiſe ein ehrgeitziges Gemuͤthe ſich fuͤr dem andern fuͤrchtet; Wo Furcht iſt iſt keine Liebe/ und wo keine Liebe iſt/ iſt keine warhafftige Hochachtung. 19. Ein Tugendhaffter kan die Schmeich- ler nicht wohl vertragen/ die anders reden als es ihnen ums Hertze iſt/ weil er nicht Worte und eußerliche Bezeugungen ſondern das Hertze ſu- chet. Ein Ehrgeitziger aber zweiß wohl daß die wenigſten die ihm Ehre bezeigen es von Her- tzen meinen; Aber er iſt zu frieden/ wenn ſie ihn nur mit Worten ſchmeicheln und mit eußerlichen Thaten ſich anſtellen als wenn ſie ihn hoch ach- teten; und deswegen gehet er allemahl lieber mit ſeines gleichen falſchen Leuten als mit auff- richtigen umb. 20. Ein Tugendhaffter prætendiret von einen andern Tugendhafften keinen Gehorſam/ ſondern Liebe/ daß iſt eine Wechſelgefaͤlligkeit und Vereinigung der Hertzen/ da keines dem an- dern zu befehlen/ und doch beyde einander zu ge- horchen trachten. Aber ein Ehrgeitziger ſuchet ſein

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/244>, abgerufen am 29.03.2024.