Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 2. Hauptst. von der grösten
bald gewahr werden/ daß auch diese Meinung
den Stich nicht halten könne.

48.

Zwar wil ich darwieder nicht anführen/
daß dergleichen Leute gemeiniglich etwas
irregulaires und ungewöhnliches von denen
gewöhnlichen Sitten an sich haben/
und
manchmahlen ein grosser Uberfluß von der Er-
mangelung des decori bey ihnen auzutreffen sey.
Denn zugeschweigen was ich allbereit oben von
dem Mangel des decori überhaupt angemercket
habe/ so würden sich bey solchen Leuten Ursa-
chen genung finden lassen/ entweder diesen klei-
nen Fehler zu entschuldigen/ oder demselbigen
die Artigkeit und den Nutzen der von ihnen er-
fundenen Warheiten entgegen zusetzen.

49.

So wil ich auch nicht erwehnen/ das die-
se Gelehrte gar selten Meister von ihren af-
fecten
sind/ sondern ob sie schon gemeiniglich
von der Wohllust und Geld-Geitz befreyet le-
ben/ dennoch sich selten in der Ungedult/ Zorn/
Eyffer/ Mißtrauen/ Beneidung und Ehr-Gier-
de bendigen können. Denn dieses alles
scheinet seine Abfälle hin und wieder zu haben/
und derowegen nicht so wohl denen Wissen-
schafften selbst/ als deren Mißbrauch zuzuschrei-
ben zu seyn.

50

Sondern ich wil nur dieses erinnern/
daß sich diese wackere Leute sehr betriegen/ wenn
sie meinen/ sie hätten eine ruhige Belusti-
gung
durch diese Wissenschafften erhalten/ und

sich

Das 2. Hauptſt. von der groͤſten
bald gewahr werden/ daß auch dieſe Meinung
den Stich nicht halten koͤnne.

48.

Zwar wil ich darwieder nicht anfuͤhren/
daß dergleichen Leute gemeiniglich etwas
irregulaires und ungewoͤhnliches von denen
gewoͤhnlichen Sitten an ſich haben/
und
manchmahlen ein groſſer Uberfluß von der Er-
mangelung des decori bey ihnen auzutreffen ſey.
Denn zugeſchweigen was ich allbereit oben von
dem Mangel des decori uͤberhaupt angemercket
habe/ ſo wuͤrden ſich bey ſolchen Leuten Urſa-
chen genung finden laſſen/ entweder dieſen klei-
nen Fehler zu entſchuldigen/ oder demſelbigen
die Artigkeit und den Nutzen der von ihnen er-
fundenen Warheiten entgegen zuſetzen.

49.

So wil ich auch nicht erwehnen/ das die-
ſe Gelehrte gar ſelten Meiſter von ihren af-
fecten
ſind/ ſondern ob ſie ſchon gemeiniglich
von der Wohlluſt und Geld-Geitz befreyet le-
ben/ dennoch ſich ſelten in der Ungedult/ Zorn/
Eyffer/ Mißtrauen/ Beneidung und Ehr-Gier-
de bendigen koͤnnen. Denn dieſes alles
ſcheinet ſeine Abfaͤlle hin und wieder zu haben/
und derowegen nicht ſo wohl denen Wiſſen-
ſchafften ſelbſt/ als deren Mißbrauch zuzuſchrei-
ben zu ſeyn.

50

Sondern ich wil nur dieſes erinnern/
daß ſich dieſe wackere Leute ſehr betriegen/ wenn
ſie meinen/ ſie haͤtten eine ruhige Beluſti-
gung
durch dieſe Wiſſenſchafften erhalten/ und

ſich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0110" n="78"/><fw place="top" type="header">Das 2. Haupt&#x017F;t. von der gro&#x0364;&#x017F;ten</fw><lb/>
bald gewahr werden/ daß auch die&#x017F;e Meinung<lb/>
den Stich nicht halten ko&#x0364;nne.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>48.</head>
          <p>Zwar wil ich darwieder nicht anfu&#x0364;hren/<lb/>
daß <hi rendition="#fr">dergleichen Leute gemeiniglich etwas</hi><lb/><hi rendition="#aq">irregulaires</hi> und <hi rendition="#fr">ungewo&#x0364;hnliches von denen<lb/>
gewo&#x0364;hnlichen Sitten an &#x017F;ich haben/</hi> und<lb/>
manchmahlen ein gro&#x017F;&#x017F;er Uberfluß von der Er-<lb/>
mangelung des <hi rendition="#aq">decori</hi> bey ihnen auzutreffen &#x017F;ey.<lb/>
Denn zuge&#x017F;chweigen was ich allbereit oben von<lb/>
dem Mangel des <hi rendition="#aq">decori</hi> u&#x0364;berhaupt angemercket<lb/>
habe/ &#x017F;o wu&#x0364;rden &#x017F;ich bey &#x017F;olchen Leuten Ur&#x017F;a-<lb/>
chen genung finden la&#x017F;&#x017F;en/ entweder die&#x017F;en klei-<lb/>
nen Fehler zu ent&#x017F;chuldigen/ oder dem&#x017F;elbigen<lb/>
die Artigkeit und den Nutzen der von ihnen er-<lb/>
fundenen Warheiten entgegen zu&#x017F;etzen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>49.</head>
          <p>So wil ich auch nicht erwehnen/ das die-<lb/>
&#x017F;e Gelehrte gar &#x017F;elten <hi rendition="#fr">Mei&#x017F;ter von ihren</hi> <hi rendition="#aq">af-<lb/>
fecten</hi> <hi rendition="#fr">&#x017F;ind/</hi> &#x017F;ondern ob &#x017F;ie &#x017F;chon gemeiniglich<lb/>
von der Wohllu&#x017F;t und Geld-Geitz befreyet le-<lb/>
ben/ dennoch &#x017F;ich &#x017F;elten in der Ungedult/ Zorn/<lb/>
Eyffer/ Mißtrauen/ Beneidung und Ehr-Gier-<lb/>
de bendigen ko&#x0364;nnen. Denn die&#x017F;es alles<lb/>
&#x017F;cheinet &#x017F;eine Abfa&#x0364;lle hin und wieder zu haben/<lb/>
und derowegen nicht &#x017F;o wohl denen Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chafften &#x017F;elb&#x017F;t/ als deren Mißbrauch zuzu&#x017F;chrei-<lb/>
ben zu &#x017F;eyn.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>50</head>
          <p>Sondern ich wil nur die&#x017F;es erinnern/<lb/>
daß &#x017F;ich die&#x017F;e wackere Leute &#x017F;ehr betriegen/ wenn<lb/>
&#x017F;ie meinen/ &#x017F;ie ha&#x0364;tten <hi rendition="#fr">eine ruhige Belu&#x017F;ti-<lb/>
gung</hi> durch die&#x017F;e Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften erhalten/ und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0110] Das 2. Hauptſt. von der groͤſten bald gewahr werden/ daß auch dieſe Meinung den Stich nicht halten koͤnne. 48. Zwar wil ich darwieder nicht anfuͤhren/ daß dergleichen Leute gemeiniglich etwas irregulaires und ungewoͤhnliches von denen gewoͤhnlichen Sitten an ſich haben/ und manchmahlen ein groſſer Uberfluß von der Er- mangelung des decori bey ihnen auzutreffen ſey. Denn zugeſchweigen was ich allbereit oben von dem Mangel des decori uͤberhaupt angemercket habe/ ſo wuͤrden ſich bey ſolchen Leuten Urſa- chen genung finden laſſen/ entweder dieſen klei- nen Fehler zu entſchuldigen/ oder demſelbigen die Artigkeit und den Nutzen der von ihnen er- fundenen Warheiten entgegen zuſetzen. 49. So wil ich auch nicht erwehnen/ das die- ſe Gelehrte gar ſelten Meiſter von ihren af- fecten ſind/ ſondern ob ſie ſchon gemeiniglich von der Wohlluſt und Geld-Geitz befreyet le- ben/ dennoch ſich ſelten in der Ungedult/ Zorn/ Eyffer/ Mißtrauen/ Beneidung und Ehr-Gier- de bendigen koͤnnen. Denn dieſes alles ſcheinet ſeine Abfaͤlle hin und wieder zu haben/ und derowegen nicht ſo wohl denen Wiſſen- ſchafften ſelbſt/ als deren Mißbrauch zuzuſchrei- ben zu ſeyn. 50 Sondern ich wil nur dieſes erinnern/ daß ſich dieſe wackere Leute ſehr betriegen/ wenn ſie meinen/ ſie haͤtten eine ruhige Beluſti- gung durch dieſe Wiſſenſchafften erhalten/ und ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/110
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/110>, abgerufen am 19.04.2024.