Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 2. Hauptst. von der grösten
diesem Zustande sich mit andern Menschen
die eine dergleichen Gemüths-Ruhe besitzen/
zuvereinigen trachtet.

66.

Sie ist eine Belustigung/ denn sonst
wäre sie kein Gut/ weil wir oben erwehnet/ daß
alles gegenwärtige Gute eine Belustigung ma-
chen müsse. Dannenhero muß sie von allen
Schmertzen entfernet seyn. Denn wo Schmer-
tzen ist/ da kan keine Lust oder Vergnügung seyn.

67.

Sie ist eine ruhige Belustigung/ denn
sonst wäre sie kein Gut/ weil wir oben gedacht/
daß alle sehr emfindliche und folglich mit einer
Unruhe vergesellschafftete Dinge böse seyn.
Dannenhero bestehet dieses Vergnügen ohne
Freude. Denn wo Freude ist/ da ist eine un-
ruhige Belustigung; jedoch ist diese Belusti-
gung der Freude näher als den Schmertzen/
und deswegen wird die Freude gemeiniglich für
was Gutes/ und für diese ruhige Belustigung
selbst gehalten/ oder diese letzte unter dem Nah-
men der Freude vorgestellet.

68.

So ist auch in Ansehen der Gemüths-
Ruhe noch dieser Unterschied zwischen dem
Schmertzen und der Freude/ daß nicht alle-
mahlin des Menschen Vermögen stehe/ von allen
Schmertzen entfernet zu seyn/ sondern das Ge-
müthe offte genöthiget werden könne/ Schmer-
tzen zu empfinden/ und zu weinen/ da Hingegen-
theil der Mensch ordentlich die Freude und das
Lachen in seinem Vermögen hat/ es wäre denn/

wenn

Das 2. Hauptſt. von der groͤſten
dieſem Zuſtande ſich mit andern Menſchen
die eine dergleichen Gemuͤths-Ruhe beſitzen/
zuvereinigen trachtet.

66.

Sie iſt eine Beluſtigung/ denn ſonſt
waͤre ſie kein Gut/ weil wir oben erwehnet/ daß
alles gegenwaͤrtige Gute eine Beluſtigung ma-
chen muͤſſe. Dannenhero muß ſie von allen
Schmertzen entfernet ſeyn. Denn wo Schmer-
tzen iſt/ da kan keine Luſt oder Vergnuͤgung ſeyn.

67.

Sie iſt eine ruhige Beluſtigung/ denn
ſonſt waͤre ſie kein Gut/ weil wir oben gedacht/
daß alle ſehr emfindliche und folglich mit einer
Unruhe vergeſellſchafftete Dinge boͤſe ſeyn.
Dannenhero beſtehet dieſes Vergnuͤgen ohne
Freude. Denn wo Freude iſt/ da iſt eine un-
ruhige Beluſtigung; jedoch iſt dieſe Beluſti-
gung der Freude naͤher als den Schmertzen/
und deswegen wird die Freude gemeiniglich fuͤr
was Gutes/ und fuͤr dieſe ruhige Beluſtigung
ſelbſt gehalten/ oder dieſe letzte unter dem Nah-
men der Freude vorgeſtellet.

68.

So iſt auch in Anſehen der Gemuͤths-
Ruhe noch dieſer Unterſchied zwiſchen dem
Schmertzen und der Freude/ daß nicht alle-
mahlin des Menſchen Vermoͤgen ſtehe/ von allen
Schmertzen entfernet zu ſeyn/ ſondern das Ge-
muͤthe offte genoͤthiget werden koͤnne/ Schmer-
tzen zu empfinden/ und zu weinen/ da Hingegen-
theil der Menſch ordentlich die Freude und das
Lachen in ſeinem Vermoͤgen hat/ es waͤre denn/

wenn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0118" n="86"/>
            <fw place="top" type="header">Das 2. Haupt&#x017F;t. von der gro&#x0364;&#x017F;ten</fw><lb/> <hi rendition="#fr">die&#x017F;em Zu&#x017F;tande &#x017F;ich mit andern Men&#x017F;chen<lb/>
die eine dergleichen Gemu&#x0364;ths-Ruhe be&#x017F;itzen/<lb/>
zuvereinigen trachtet.</hi> </p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>66.</head>
          <p>Sie i&#x017F;t eine <hi rendition="#fr">Belu&#x017F;tigung/</hi> denn &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
wa&#x0364;re &#x017F;ie kein Gut/ weil wir oben erwehnet/ daß<lb/>
alles gegenwa&#x0364;rtige Gute eine Belu&#x017F;tigung ma-<lb/>
chen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Dannenhero muß &#x017F;ie von allen<lb/><hi rendition="#fr">Schmertzen</hi> entfernet &#x017F;eyn. Denn wo Schmer-<lb/>
tzen i&#x017F;t/ da kan keine Lu&#x017F;t oder Vergnu&#x0364;gung &#x017F;eyn.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>67.</head>
          <p>Sie i&#x017F;t eine ruhige <hi rendition="#fr">Belu&#x017F;tigung/</hi> denn<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t wa&#x0364;re &#x017F;ie kein Gut/ weil wir oben gedacht/<lb/>
daß alle &#x017F;ehr emfindliche und folglich mit einer<lb/>
Unruhe verge&#x017F;ell&#x017F;chafftete Dinge bo&#x0364;&#x017F;e &#x017F;eyn.<lb/>
Dannenhero be&#x017F;tehet die&#x017F;es Vergnu&#x0364;gen ohne<lb/><hi rendition="#fr">Freude.</hi> Denn wo Freude i&#x017F;t/ da i&#x017F;t eine un-<lb/>
ruhige Belu&#x017F;tigung; jedoch i&#x017F;t die&#x017F;e Belu&#x017F;ti-<lb/>
gung <hi rendition="#fr">der Freude na&#x0364;her als den Schmertzen/</hi><lb/>
und deswegen wird die Freude gemeiniglich fu&#x0364;r<lb/>
was Gutes/ und fu&#x0364;r die&#x017F;e ruhige Belu&#x017F;tigung<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t gehalten/ oder die&#x017F;e letzte unter dem Nah-<lb/>
men der Freude vorge&#x017F;tellet.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>68.</head>
          <p>So i&#x017F;t auch in An&#x017F;ehen der Gemu&#x0364;ths-<lb/>
Ruhe noch die&#x017F;er Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen dem<lb/><hi rendition="#fr">Schmertzen</hi> und der <hi rendition="#fr">Freude/</hi> daß nicht alle-<lb/>
mahlin des Men&#x017F;chen Vermo&#x0364;gen &#x017F;tehe/ von allen<lb/>
Schmertzen entfernet zu &#x017F;eyn/ &#x017F;ondern das Ge-<lb/>
mu&#x0364;the offte geno&#x0364;thiget werden ko&#x0364;nne/ Schmer-<lb/>
tzen zu empfinden/ und zu weinen/ da Hingegen-<lb/>
theil der Men&#x017F;ch ordentlich die Freude und das<lb/>
Lachen in &#x017F;einem Vermo&#x0364;gen hat/ es wa&#x0364;re denn/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wenn</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0118] Das 2. Hauptſt. von der groͤſten dieſem Zuſtande ſich mit andern Menſchen die eine dergleichen Gemuͤths-Ruhe beſitzen/ zuvereinigen trachtet. 66. Sie iſt eine Beluſtigung/ denn ſonſt waͤre ſie kein Gut/ weil wir oben erwehnet/ daß alles gegenwaͤrtige Gute eine Beluſtigung ma- chen muͤſſe. Dannenhero muß ſie von allen Schmertzen entfernet ſeyn. Denn wo Schmer- tzen iſt/ da kan keine Luſt oder Vergnuͤgung ſeyn. 67. Sie iſt eine ruhige Beluſtigung/ denn ſonſt waͤre ſie kein Gut/ weil wir oben gedacht/ daß alle ſehr emfindliche und folglich mit einer Unruhe vergeſellſchafftete Dinge boͤſe ſeyn. Dannenhero beſtehet dieſes Vergnuͤgen ohne Freude. Denn wo Freude iſt/ da iſt eine un- ruhige Beluſtigung; jedoch iſt dieſe Beluſti- gung der Freude naͤher als den Schmertzen/ und deswegen wird die Freude gemeiniglich fuͤr was Gutes/ und fuͤr dieſe ruhige Beluſtigung ſelbſt gehalten/ oder dieſe letzte unter dem Nah- men der Freude vorgeſtellet. 68. So iſt auch in Anſehen der Gemuͤths- Ruhe noch dieſer Unterſchied zwiſchen dem Schmertzen und der Freude/ daß nicht alle- mahlin des Menſchen Vermoͤgen ſtehe/ von allen Schmertzen entfernet zu ſeyn/ ſondern das Ge- muͤthe offte genoͤthiget werden koͤnne/ Schmer- tzen zu empfinden/ und zu weinen/ da Hingegen- theil der Menſch ordentlich die Freude und das Lachen in ſeinem Vermoͤgen hat/ es waͤre denn/ wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/118
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/118>, abgerufen am 25.04.2024.