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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Liebe anderer Menschen überhaupt.
und Schmertzen. Und die darauff folgende
Versöhnung gibt eine empfindliche Freude.

63

Aber hierauff mustu wissen/ daß wir in
unsere Sitten-Lehre keiner andern Richtschnur
als der gesunden Vernunfft folgen/ und uns die
Autorität aller Liebes-Bücher nicht abschre-
cken lassen/ zumahlen da diese Autores fast durch-
gehends in Beschreibung vernünfftiger Liebe
noch mehr Jrrthümer begehen. Unvernünffti-
ge Leute/ oder doch zum wenigsten die erst an-
fangen nach der Gemüths-Ruhe zu trachten und
derer Liebe sich nur erst ein wenig aus der Be-
stialischen heraus zu reisen trachtet/ lieben auff
diese unruhige Weise. Wo Eyffersucht ist/
da ist Mißtrauen/ und wo Mißtrauen ist/ da ist
keine Vereinigung der Seelen/ auch folglich kei-
ne wahre Liebe. Ein vernünfftiger Mensch ist
nicht mißtrauisch gegen sich und seine Tugend/
denn sonst wäre er nicht vernünfftig/ auch nicht
gegen die Tugend der geliebten Person/ denn
sonst solte er sie nicht aestimiren/ und lieben. Wir
werden unten zu seiner Zeit mit mehrern davon
reden/ wenn wir die Natur der Eyffersucht etwas
genauer untersuchen werden.

63.

Und wenn gleich andere Gelehrte die
wahre Glückseeligkeit durch ein ander Mittel
gesucht haben/ so haben sie sich doch nur ande-
rer Worte bedienet/ oder aber ihre Meinung ist
offenbahr falsch. Wir haben schon oben er-
wehnet/ daß wir uns nicht einbilden können/ daß

jemah-

Liebe anderer Menſchen uͤberhaupt.
und Schmertzen. Und die darauff folgende
Verſoͤhnung gibt eine empfindliche Freude.

63

Aber hierauff muſtu wiſſen/ daß wir in
unſere Sitten-Lehre keiner andern Richtſchnur
als der geſunden Vernunfft folgen/ und uns die
Autoritaͤt aller Liebes-Buͤcher nicht abſchre-
cken laſſen/ zumahlen da dieſe Autores faſt durch-
gehends in Beſchreibung vernuͤnfftiger Liebe
noch mehr Jrrthuͤmer begehen. Unvernuͤnffti-
ge Leute/ oder doch zum wenigſten die erſt an-
fangen nach der Gemuͤths-Ruhe zu trachten und
derer Liebe ſich nur erſt ein wenig aus der Be-
ſtialiſchen heraus zu reiſen trachtet/ lieben auff
dieſe unruhige Weiſe. Wo Eyfferſucht iſt/
da iſt Mißtrauen/ und wo Mißtrauen iſt/ da iſt
keine Vereinigung der Seelen/ auch folglich kei-
ne wahre Liebe. Ein vernuͤnfftiger Menſch iſt
nicht mißtrauiſch gegen ſich und ſeine Tugend/
denn ſonſt waͤre er nicht vernuͤnfftig/ auch nicht
gegen die Tugend der geliebten Perſon/ denn
ſonſt ſolte er ſie nicht æſtimiren/ und lieben. Wir
werden unten zu ſeiner Zeit mit mehrern davon
reden/ wenn wir die Natur der Eyfferſucht etwas
genauer unterſuchen werden.

63.

Und wenn gleich andere Gelehrte die
wahre Gluͤckſeeligkeit durch ein ander Mittel
geſucht haben/ ſo haben ſie ſich doch nur ande-
rer Worte bedienet/ oder aber ihre Meinung iſt
offenbahr falſch. Wir haben ſchon oben er-
wehnet/ daß wir uns nicht einbilden koͤnnen/ daß

jemah-
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[189/0221] Liebe anderer Menſchen uͤberhaupt. und Schmertzen. Und die darauff folgende Verſoͤhnung gibt eine empfindliche Freude. 63 Aber hierauff muſtu wiſſen/ daß wir in unſere Sitten-Lehre keiner andern Richtſchnur als der geſunden Vernunfft folgen/ und uns die Autoritaͤt aller Liebes-Buͤcher nicht abſchre- cken laſſen/ zumahlen da dieſe Autores faſt durch- gehends in Beſchreibung vernuͤnfftiger Liebe noch mehr Jrrthuͤmer begehen. Unvernuͤnffti- ge Leute/ oder doch zum wenigſten die erſt an- fangen nach der Gemuͤths-Ruhe zu trachten und derer Liebe ſich nur erſt ein wenig aus der Be- ſtialiſchen heraus zu reiſen trachtet/ lieben auff dieſe unruhige Weiſe. Wo Eyfferſucht iſt/ da iſt Mißtrauen/ und wo Mißtrauen iſt/ da iſt keine Vereinigung der Seelen/ auch folglich kei- ne wahre Liebe. Ein vernuͤnfftiger Menſch iſt nicht mißtrauiſch gegen ſich und ſeine Tugend/ denn ſonſt waͤre er nicht vernuͤnfftig/ auch nicht gegen die Tugend der geliebten Perſon/ denn ſonſt ſolte er ſie nicht æſtimiren/ und lieben. Wir werden unten zu ſeiner Zeit mit mehrern davon reden/ wenn wir die Natur der Eyfferſucht etwas genauer unterſuchen werden. 63. Und wenn gleich andere Gelehrte die wahre Gluͤckſeeligkeit durch ein ander Mittel geſucht haben/ ſo haben ſie ſich doch nur ande- rer Worte bedienet/ oder aber ihre Meinung iſt offenbahr falſch. Wir haben ſchon oben er- wehnet/ daß wir uns nicht einbilden koͤnnen/ daß jemah-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/221>, abgerufen am 28.03.2024.