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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 5. Hauptst. von der allgemeinen
Gewalt erhält denn nun den Sieg/ und
macht Friede? die Deinige oder die Sei-
nige?

76.

Jch sehe wohl/ du wirst etwas bestürtzt.
Doch erholestu dich wieder und sagst/ daß frey-
lich nicht allemahl der beleidigte Theil/ sondern
öffters der Beleidiger überwinde. Aber es mö-
ge nun seyn wie ihm wolle/ und der Sieg möge
ausschlagen auf was für eine Seite es sey/ so
sey es doch genung/ daß der Krieg und der
darauf folgende Sieg Friede mache.

77.

Gewiß du gemahnest mich ja so unver-
nünfftig als die Balger. Bildet sich ein solcher
Mensch ein/ er sey von dem andern beleidiget/ er
kan nicht leben er muß von dem andern Satisfa-
ction
haben. Aber indem er sie suchet/ beleidiget
ihn der andere öffters noch mehr/ als die erste Be-
leidigung war. Und doch wenn er sich hierauff
mit seinen Feind vertragen/ bildet er sich ein/ er ha-
be von dem andern Satisfaction gekriegt. Also ist
es auch eine lächerliche Einbildung/ wenn ich mir
einbilde ich wolte durch den Krieg den andern zu
einen raisonablen Frieden bringen/ und gebe dar-
durch meinem Feinde Gelegenheit/ mich durch den
von ihm vorgeschriebenen Friede in einen viel
irraisonablern Zustand zu setzen/ als er zuvor
war/ ehe ich den Krieg anfinge. Zudem ist es nicht
weniger lächerlich/ wenn du sprichst/ der Sieg
des Beleidigers oder des Beleidigten mache
Friede.

78. Laß

Das 5. Hauptſt. von der allgemeinen
Gewalt erhaͤlt denn nun den Sieg/ und
macht Friede? die Deinige oder die Sei-
nige?

76.

Jch ſehe wohl/ du wirſt etwas beſtuͤrtzt.
Doch erholeſtu dich wieder und ſagſt/ daß frey-
lich nicht allemahl der beleidigte Theil/ ſondern
oͤffters der Beleidiger uͤberwinde. Aber es moͤ-
ge nun ſeyn wie ihm wolle/ und der Sieg moͤge
ausſchlagen auf was fuͤr eine Seite es ſey/ ſo
ſey es doch genung/ daß der Krieg und der
darauf folgende Sieg Friede mache.

77.

Gewiß du gemahneſt mich ja ſo unver-
nuͤnfftig als die Balger. Bildet ſich ein ſolcher
Menſch ein/ er ſey von dem andern beleidiget/ er
kan nicht leben er muß von dem andern Satisfa-
ction
haben. Aber indem er ſie ſuchet/ beleidiget
ihn der andere oͤffters noch mehr/ als die erſte Be-
leidigung war. Und doch wenn er ſich hierauff
mit ſeinen Feind vertragen/ bildet er ſich ein/ er ha-
be von dem andern Satisfaction gekriegt. Alſo iſt
es auch eine laͤcherliche Einbildung/ wenn ich mir
einbilde ich wolte durch den Krieg den andern zu
einen raiſonablen Frieden bringen/ und gebe dar-
durch meinem Feinde Gelegenheit/ mich durch den
von ihm vorgeſchriebenen Friede in einen viel
irraiſonablern Zuſtand zu ſetzen/ als er zuvor
war/ ehe ich den Krieg anfinge. Zudem iſt es nicht
weniger laͤcherlich/ wenn du ſprichſt/ der Sieg
des Beleidigers oder des Beleidigten mache
Friede.

78. Laß
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[238[234]/0266] Das 5. Hauptſt. von der allgemeinen Gewalt erhaͤlt denn nun den Sieg/ und macht Friede? die Deinige oder die Sei- nige? 76. Jch ſehe wohl/ du wirſt etwas beſtuͤrtzt. Doch erholeſtu dich wieder und ſagſt/ daß frey- lich nicht allemahl der beleidigte Theil/ ſondern oͤffters der Beleidiger uͤberwinde. Aber es moͤ- ge nun ſeyn wie ihm wolle/ und der Sieg moͤge ausſchlagen auf was fuͤr eine Seite es ſey/ ſo ſey es doch genung/ daß der Krieg und der darauf folgende Sieg Friede mache. 77. Gewiß du gemahneſt mich ja ſo unver- nuͤnfftig als die Balger. Bildet ſich ein ſolcher Menſch ein/ er ſey von dem andern beleidiget/ er kan nicht leben er muß von dem andern Satisfa- ction haben. Aber indem er ſie ſuchet/ beleidiget ihn der andere oͤffters noch mehr/ als die erſte Be- leidigung war. Und doch wenn er ſich hierauff mit ſeinen Feind vertragen/ bildet er ſich ein/ er ha- be von dem andern Satisfaction gekriegt. Alſo iſt es auch eine laͤcherliche Einbildung/ wenn ich mir einbilde ich wolte durch den Krieg den andern zu einen raiſonablen Frieden bringen/ und gebe dar- durch meinem Feinde Gelegenheit/ mich durch den von ihm vorgeſchriebenen Friede in einen viel irraiſonablern Zuſtand zu ſetzen/ als er zuvor war/ ehe ich den Krieg anfinge. Zudem iſt es nicht weniger laͤcherlich/ wenn du ſprichſt/ der Sieg des Beleidigers oder des Beleidigten mache Friede. 78. Laß

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 238[234]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/266>, abgerufen am 25.04.2024.