Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

Liebe aller Menschen.
ein Mirtel deinen Beleidiger zur Raison zu
bringen?
Hier hastu wohl nicht das geringste
übrig/ als das du die Achseln zuckst/ und zu deiner
Entschuldigung dich etlicher alten Sprichwörter
bedienest: Gut gemeynet/ übel gerathen Pa-
tience par force.

81.

Wohl dann/ so siehestu/ daß in diesem
Fall dir nicht des andern sein Sieg/ sondern deine
erzwungene Gedult den Frieden gebe. Was
braucht es dannenhero eines so grossen Umb-
schweiffs? Kan dich die erzwungene Gedult einer
viel grössern Beleidigung zum Friede disponi-
ren/ worum solte es nicht viel raisonabler seyn/ daß
eine freywillige Gedult eines kleinen Unrechts
dir einen viel sicherern Friede machen solte. Ha-
stu so grosse Lust zu Frantzösischen Sprichwör-
tern/ ich wil dir ein anders sagen. Tout par amo-
ur, rien par force.

83.

Ja ich sage noch zu wenig/ wenn ich spre-
che die Gedult mache Friede. Denn ich habe
schon oben erwehnet/ daß die Gedult den Frieden
erhalte. Und also kanstu auch daraus die Vor-
trefflichkeit der Gedult für dem Krieg erkennen.
Wo Krieg ist/ ist kein Friede; Und der Krieg/ wie
wir bißhero augenscheinlich erwiesen/ kan kein
Mittel seyn Friede zu machen Wo aber Ge-
dult ist/ braucht es nicht einmahl/ daß man Friede
mache/ weil noch nie Krieg gewesen/ sondern die
Gedult erhält den Frieden/ daß kein Krieg entste-
het.

84. Es

Liebe aller Menſchen.
ein Mirtel deinen Beleidiger zur Raiſon zu
bringen?
Hier haſtu wohl nicht das geringſte
uͤbrig/ als das du die Achſeln zuckſt/ und zu deiner
Entſchuldigung dich etlicher alten Sprichwoͤrter
bedieneſt: Gut gemeynet/ uͤbel gerathen Pa-
tience par force.

81.

Wohl dann/ ſo ſieheſtu/ daß in dieſem
Fall dir nicht des andern ſein Sieg/ ſondern deine
erzwungene Gedult den Frieden gebe. Was
braucht es dannenhero eines ſo groſſen Umb-
ſchweiffs? Kan dich die erzwungene Gedult einer
viel groͤſſern Beleidigung zum Friede diſponi-
ren/ worum ſolte es nicht viel raiſonabler ſeyn/ daß
eine freywillige Gedult eines kleinen Unrechts
dir einen viel ſicherern Friede machen ſolte. Ha-
ſtu ſo groſſe Luſt zu Frantzoͤſiſchen Sprichwoͤr-
tern/ ich wil dir ein anders ſagen. Tout par amo-
ur, rien par force.

83.

Ja ich ſage noch zu wenig/ wenn ich ſpre-
che die Gedult mache Friede. Denn ich habe
ſchon oben erwehnet/ daß die Gedult den Frieden
erhalte. Und alſo kanſtu auch daraus die Vor-
trefflichkeit der Gedult fuͤr dem Krieg erkennen.
Wo Krieg iſt/ iſt kein Friede; Und der Krieg/ wie
wir bißhero augenſcheinlich erwieſen/ kan kein
Mittel ſeyn Friede zu machen Wo aber Ge-
dult iſt/ braucht es nicht einmahl/ daß man Friede
mache/ weil noch nie Krieg geweſen/ ſondern die
Gedult erhaͤlt den Frieden/ daß kein Krieg entſte-
het.

84. Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0269" n="241[237]"/><fw place="top" type="header">Liebe aller Men&#x017F;chen.</fw><lb/><hi rendition="#fr">ein Mirtel deinen Beleidiger zur</hi><hi rendition="#aq">Rai&#x017F;on</hi><hi rendition="#fr">zu<lb/>
bringen?</hi> Hier ha&#x017F;tu wohl nicht das gering&#x017F;te<lb/>
u&#x0364;brig/ als das du die Ach&#x017F;eln zuck&#x017F;t/ und zu deiner<lb/>
Ent&#x017F;chuldigung dich etlicher alten Sprichwo&#x0364;rter<lb/>
bediene&#x017F;t: <hi rendition="#fr">Gut gemeynet/ u&#x0364;bel gerathen</hi> <hi rendition="#aq">Pa-<lb/>
tience par force.</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>81.</head>
            <p>Wohl dann/ &#x017F;o &#x017F;iehe&#x017F;tu/ daß in die&#x017F;em<lb/>
Fall dir nicht des andern &#x017F;ein <hi rendition="#fr">Sieg/</hi> &#x017F;ondern deine<lb/><hi rendition="#fr">erzwungene Gedult</hi> den Frieden gebe. Was<lb/>
braucht es dannenhero eines &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;en Umb-<lb/>
&#x017F;chweiffs? Kan dich die erzwungene Gedult einer<lb/>
viel gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Beleidigung zum Friede <hi rendition="#aq">di&#x017F;poni-</hi><lb/>
ren/ worum &#x017F;olte es nicht viel <hi rendition="#aq">rai&#x017F;onabl</hi>er &#x017F;eyn/ daß<lb/>
eine <hi rendition="#fr">freywillige Gedult</hi> eines kleinen Unrechts<lb/>
dir einen viel &#x017F;icherern Friede machen &#x017F;olte. Ha-<lb/>
&#x017F;tu &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e Lu&#x017F;t zu Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Sprichwo&#x0364;r-<lb/>
tern/ ich wil dir ein anders &#x017F;agen. <hi rendition="#aq">Tout par amo-<lb/>
ur, rien par force.</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>83.</head>
            <p>Ja ich &#x017F;age noch zu wenig/ wenn ich &#x017F;pre-<lb/>
che die Gedult <hi rendition="#fr">mache</hi> Friede. Denn ich habe<lb/>
&#x017F;chon oben erwehnet/ daß die Gedult den Frieden<lb/><hi rendition="#fr">erhalte.</hi> Und al&#x017F;o kan&#x017F;tu auch daraus die Vor-<lb/>
trefflichkeit der Gedult fu&#x0364;r dem Krieg erkennen.<lb/>
Wo Krieg i&#x017F;t/ i&#x017F;t kein Friede; Und der Krieg/ wie<lb/>
wir bißhero augen&#x017F;cheinlich erwie&#x017F;en/ kan kein<lb/>
Mittel &#x017F;eyn Friede zu machen Wo aber Ge-<lb/>
dult i&#x017F;t/ braucht es nicht einmahl/ daß man Friede<lb/>
mache/ weil noch nie Krieg gewe&#x017F;en/ &#x017F;ondern die<lb/>
Gedult erha&#x0364;lt den Frieden/ daß kein Krieg ent&#x017F;te-<lb/>
het.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">84. Es</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[241[237]/0269] Liebe aller Menſchen. ein Mirtel deinen Beleidiger zur Raiſon zu bringen? Hier haſtu wohl nicht das geringſte uͤbrig/ als das du die Achſeln zuckſt/ und zu deiner Entſchuldigung dich etlicher alten Sprichwoͤrter bedieneſt: Gut gemeynet/ uͤbel gerathen Pa- tience par force. 81. Wohl dann/ ſo ſieheſtu/ daß in dieſem Fall dir nicht des andern ſein Sieg/ ſondern deine erzwungene Gedult den Frieden gebe. Was braucht es dannenhero eines ſo groſſen Umb- ſchweiffs? Kan dich die erzwungene Gedult einer viel groͤſſern Beleidigung zum Friede diſponi- ren/ worum ſolte es nicht viel raiſonabler ſeyn/ daß eine freywillige Gedult eines kleinen Unrechts dir einen viel ſicherern Friede machen ſolte. Ha- ſtu ſo groſſe Luſt zu Frantzoͤſiſchen Sprichwoͤr- tern/ ich wil dir ein anders ſagen. Tout par amo- ur, rien par force. 83. Ja ich ſage noch zu wenig/ wenn ich ſpre- che die Gedult mache Friede. Denn ich habe ſchon oben erwehnet/ daß die Gedult den Frieden erhalte. Und alſo kanſtu auch daraus die Vor- trefflichkeit der Gedult fuͤr dem Krieg erkennen. Wo Krieg iſt/ iſt kein Friede; Und der Krieg/ wie wir bißhero augenſcheinlich erwieſen/ kan kein Mittel ſeyn Friede zu machen Wo aber Ge- dult iſt/ braucht es nicht einmahl/ daß man Friede mache/ weil noch nie Krieg geweſen/ ſondern die Gedult erhaͤlt den Frieden/ daß kein Krieg entſte- het. 84. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/269
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 241[237]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/269>, abgerufen am 29.03.2024.