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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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vernünfftigen Liebe überhaupt.
12.

Zudeme so reitzet dieses destomehr zur
unordentlichen Liebe an/ je mehr man alle
zuläßliche
Conversation verhietet; sintemahl
nicht nur die verderbte Natur insgemein allen
verbotenen sonst unbegehrten Dingen am meisten
nachtrachtet; sondern auch bekant ist/ daß son-
sten durch Wegerung und Verbot diejenigen so
einander unvernünfftig lieben/ diese ihre Liebe
anzufeuren suchen.

13.

Zugeschweigen daß diese Gewohnheit un-
vermögend sey/ durch Abschneidung aller
vertraulicher
Conversation die unordent-
liche Liebe zu hindern.
Zwey Personen/ die sich
vorgesetzt einander unvernünfftig zu lieben/ und
ein wenig verschmitzt seyn/ sind geschickt/ die gan-
tze Welt mit aller ihrer Obsicht zu betriegen. Jta-
lien ist allezeit wegen Ebebruchs mehr beschrien
gewesen als Franckreich; und wer die Welt ein
wenig kennet/ wird mir gar leichte Beyfall geben/
daß das Leutescheueste Frauen-Zimmer zur un-
ordentlichen Liebe gemeiniglich viel geneigter sey
als das/ was mit Manns-Personen frey zu con-
versi
ren gewohnet ist; so wenig hindert diese un-
zeitige Vorsorge das befahrte Ubel/ sondern be-
fördert es viel.

14.

Jch sehe wohl/ du rümpffest den Mund/
und bildest dir ein/ wunder was kluges vorge-
bracht hast/ wenn du mir auff folgende Weise
begegnest. Wenn wirst du doch einmahl auffhö-
ren alle gute Gebräuche zu tadeln? Bist du denn

alleine
R 2
vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt.
12.

Zudeme ſo reitzet dieſes deſtomehr zur
unordentlichen Liebe an/ je mehr man alle
zulaͤßliche
Converſation verhietet; ſintemahl
nicht nur die verderbte Natur insgemein allen
verbotenen ſonſt unbegehrten Dingen am meiſten
nachtrachtet; ſondern auch bekant iſt/ daß ſon-
ſten durch Wegerung und Verbot diejenigen ſo
einander unvernuͤnfftig lieben/ dieſe ihre Liebe
anzufeuren ſuchen.

13.

Zugeſchweigen daß dieſe Gewohnheit un-
vermoͤgend ſey/ durch Abſchneidung aller
vertraulicher
Converſation die unordent-
liche Liebe zu hindern.
Zwey Perſonen/ die ſich
vorgeſetzt einander unvernuͤnfftig zu lieben/ und
ein wenig verſchmitzt ſeyn/ ſind geſchickt/ die gan-
tze Welt mit aller ihrer Obſicht zu betriegen. Jta-
lien iſt allezeit wegen Ebebruchs mehr beſchrien
geweſen als Franckreich; und wer die Welt ein
wenig kennet/ wird mir gar leichte Beyfall geben/
daß das Leuteſcheueſte Frauen-Zimmer zur un-
ordentlichen Liebe gemeiniglich viel geneigter ſey
als das/ was mit Manns-Perſonen frey zu con-
verſi
ren gewohnet iſt; ſo wenig hindert dieſe un-
zeitige Vorſorge das befahrte Ubel/ ſondern be-
foͤrdert es viel.

14.

Jch ſehe wohl/ du ruͤmpffeſt den Mund/
und bildeſt dir ein/ wunder was kluges vorge-
bracht haſt/ wenn du mir auff folgende Weiſe
begegneſt. Wenn wirſt du doch einmahl auffhoͤ-
ren alle gute Gebraͤuche zu tadeln? Biſt du denn

alleine
R 2
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[263[259]/0291] vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt. 12. Zudeme ſo reitzet dieſes deſtomehr zur unordentlichen Liebe an/ je mehr man alle zulaͤßliche Converſation verhietet; ſintemahl nicht nur die verderbte Natur insgemein allen verbotenen ſonſt unbegehrten Dingen am meiſten nachtrachtet; ſondern auch bekant iſt/ daß ſon- ſten durch Wegerung und Verbot diejenigen ſo einander unvernuͤnfftig lieben/ dieſe ihre Liebe anzufeuren ſuchen. 13. Zugeſchweigen daß dieſe Gewohnheit un- vermoͤgend ſey/ durch Abſchneidung aller vertraulicher Converſation die unordent- liche Liebe zu hindern. Zwey Perſonen/ die ſich vorgeſetzt einander unvernuͤnfftig zu lieben/ und ein wenig verſchmitzt ſeyn/ ſind geſchickt/ die gan- tze Welt mit aller ihrer Obſicht zu betriegen. Jta- lien iſt allezeit wegen Ebebruchs mehr beſchrien geweſen als Franckreich; und wer die Welt ein wenig kennet/ wird mir gar leichte Beyfall geben/ daß das Leuteſcheueſte Frauen-Zimmer zur un- ordentlichen Liebe gemeiniglich viel geneigter ſey als das/ was mit Manns-Perſonen frey zu con- verſiren gewohnet iſt; ſo wenig hindert dieſe un- zeitige Vorſorge das befahrte Ubel/ ſondern be- foͤrdert es viel. 14. Jch ſehe wohl/ du ruͤmpffeſt den Mund/ und bildeſt dir ein/ wunder was kluges vorge- bracht haſt/ wenn du mir auff folgende Weiſe begegneſt. Wenn wirſt du doch einmahl auffhoͤ- ren alle gute Gebraͤuche zu tadeln? Biſt du denn alleine R 2

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 263[259]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/291>, abgerufen am 29.03.2024.