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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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vernünfftigen Liebe überhaupt.
wartet/ oder gar zurücke gehet und ihm forthilfft;
oder jener eylet/ daß er diesen einholet. Diese
Anmerckung müssen wir uns wohl imprimiren/
weil wir daraus zu seiner Zeit die unterschiedenen
Arten der absonderlichen vernünfftigen Liebe wer-
den machen müssen.

27.

Jetzo wollen wir in der Beschreibung der-
selben fort fahren. Wir haben darinnen dreyer
Tugenden
erwehnet (1) der auffmercksamen
Gefälligkeit
oder Sorgfältigkeit/ durch wel-
che diese Liebe auff beyden Theilen gesucht wer-
de. (2) Der Gutthätigkeit/ durch welche
man dieselbe nach und nach/ nach ihren unterschie-
denen Graden erhalte/ und endlich (3) der Ge-
meinmächung alles Vermögens und Thuns/

als welche bezeiget/ daß nunmehro die Vereini-
gung völlig geschehen/ und die Liebe in höchsten
Grad erhalten sey.
Ehe wir aber diese drey
Tugenden genauer beschauen/ müssen wir von
der Estim und Hochachtung/ als welche bey ei-
ner vernünfftigen Liebe allezeit in dem Verstande
vorher gehen muß/ etwas weniges erinnern.

28.

Alle Menschen sind nicht tugendhafft/ und
die Tugend ist eine Sache/ die zu ihrer Erkänt-
niß eine genaue Auffmerckung fordert. Nach
was für Grund Regeln dieselbe gesehehen müsse/
wollen wir schon zu seiner Zeit weisen. Vor jetzo
ist es genung/ daß wir uns leicht einbilden können/
daß gleich wie sich gleich und gleich gerne gesellet;
also auch selbiges sich leichte suche und finde. Ein

tugend-

vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt.
wartet/ oder gar zuruͤcke gehet und ihm forthilfft;
oder jener eylet/ daß er dieſen einholet. Dieſe
Anmerckung muͤſſen wir uns wohl imprimiren/
weil wir daraus zu ſeiner Zeit die unterſchiedenen
Arten der abſonderlichen vernuͤnfftigen Liebe wer-
den machen muͤſſen.

27.

Jetzo wollen wir in der Beſchreibung der-
ſelben fort fahren. Wir haben darinnen dreyer
Tugenden
erwehnet (1) der auffmerckſamen
Gefaͤlligkeit
oder Sorgfaͤltigkeit/ durch wel-
che dieſe Liebe auff beyden Theilen geſucht wer-
de. (2) Der Gutthaͤtigkeit/ durch welche
man dieſelbe nach und nach/ nach ihren unterſchie-
denen Graden erhalte/ und endlich (3) der Ge-
meinmaͤchung alles Vermoͤgens und Thuns/

als welche bezeiget/ daß nunmehro die Vereini-
gung voͤllig geſchehen/ und die Liebe in hoͤchſten
Grad erhalten ſey.
Ehe wir aber dieſe drey
Tugenden genauer beſchauen/ muͤſſen wir von
der Eſtim und Hochachtung/ als welche bey ei-
ner vernuͤnfftigen Liebe allezeit in dem Verſtande
vorher gehen muß/ etwas weniges erinnern.

28.

Alle Menſchen ſind nicht tugendhafft/ und
die Tugend iſt eine Sache/ die zu ihrer Erkaͤnt-
niß eine genaue Auffmerckung fordert. Nach
was fuͤr Grund Regeln dieſelbe geſehehen muͤſſe/
wollen wir ſchon zu ſeiner Zeit weiſen. Vor jetzo
iſt es genung/ daß wir uns leicht einbilden koͤnnen/
daß gleich wie ſich gleich und gleich gerne geſellet;
alſo auch ſelbiges ſich leichte ſuche und finde. Ein

tugend-
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[271[267]/0299] vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt. wartet/ oder gar zuruͤcke gehet und ihm forthilfft; oder jener eylet/ daß er dieſen einholet. Dieſe Anmerckung muͤſſen wir uns wohl imprimiren/ weil wir daraus zu ſeiner Zeit die unterſchiedenen Arten der abſonderlichen vernuͤnfftigen Liebe wer- den machen muͤſſen. 27. Jetzo wollen wir in der Beſchreibung der- ſelben fort fahren. Wir haben darinnen dreyer Tugenden erwehnet (1) der auffmerckſamen Gefaͤlligkeit oder Sorgfaͤltigkeit/ durch wel- che dieſe Liebe auff beyden Theilen geſucht wer- de. (2) Der Gutthaͤtigkeit/ durch welche man dieſelbe nach und nach/ nach ihren unterſchie- denen Graden erhalte/ und endlich (3) der Ge- meinmaͤchung alles Vermoͤgens und Thuns/ als welche bezeiget/ daß nunmehro die Vereini- gung voͤllig geſchehen/ und die Liebe in hoͤchſten Grad erhalten ſey. Ehe wir aber dieſe drey Tugenden genauer beſchauen/ muͤſſen wir von der Eſtim und Hochachtung/ als welche bey ei- ner vernuͤnfftigen Liebe allezeit in dem Verſtande vorher gehen muß/ etwas weniges erinnern. 28. Alle Menſchen ſind nicht tugendhafft/ und die Tugend iſt eine Sache/ die zu ihrer Erkaͤnt- niß eine genaue Auffmerckung fordert. Nach was fuͤr Grund Regeln dieſelbe geſehehen muͤſſe/ wollen wir ſchon zu ſeiner Zeit weiſen. Vor jetzo iſt es genung/ daß wir uns leicht einbilden koͤnnen/ daß gleich wie ſich gleich und gleich gerne geſellet; alſo auch ſelbiges ſich leichte ſuche und finde. Ein tugend-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 271[267]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/299>, abgerufen am 29.03.2024.