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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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vernünfftigen Liebe überhaupt.
38.

Und gesetzt/ daß ihn die Liebe gegen eine
gewisse Person so zu sagen gantz ümkehrte/ und in
einen Augenblick gegen dieselbe höchst sorgfältig
machte; so wird er doch zum theil nicht vermö-
gend seyn/ das es/ wie wir nur erwehnet/ zu weilen
nöthig/ seine Affection zubergen/ sondern ein
jedweder wird aus seiner Conduite/ als aus etwas
ungewöhnlichen alsbald die wahre Ursache
entdecken;
Zum theil wird er auch dadurch we-
nig bey einer tugendhafften Person ausrichten/
weil dieselbe seine Liebe unmöglich als tugend-
hafft wird annehmen können/ so lange er nicht
gegen jederman leutselig/ wahrhafftig/ und
bescheiden
sich erweiset/ weil als offte gedacht
worden/ die allgemeine Liebe der Grund und
Richt-Schnur der absonderlichen ist.

39.

Es bestehet aber diese Gefälligkeit in ge-
ringen Dienstleistungen
und Bezeugungen/
die geringe genennet worden/ theils/ weil sie
dem/ der sie leistet/ wenige Mühe oder Unko-
sten
verursachen/ z. e. etwas auffheben/ oder hoh-
len/ einen Stuhl zu rechte setzen/ etwas von ge-
ringen Werth/ das dem andern gefällt/ ihm zum
Geschencke anbiethen/ einen freundlichen Blick
geben/ u. s. w. theils/ weil der/ der sie erweiset/ sich
in den Augen des andern dadurch gleichsam ge-
ringer macht/
als wenn man sich freywillig zu
solchen kleinen Dingen anbietet/ oder dieselben
unbegehret leistet/ die sonsten ordentlich von Die-
nern pflegen verrichtet zu werden.

40. Die
S
vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt.
38.

Und geſetzt/ daß ihn die Liebe gegen eine
gewiſſe Perſon ſo zu ſagen gantz uͤmkehrte/ und in
einen Augenblick gegen dieſelbe hoͤchſt ſorgfaͤltig
machte; ſo wird er doch zum theil nicht vermoͤ-
gend ſeyn/ das es/ wie wir nur erwehnet/ zu weilen
noͤthig/ ſeine Affection zubergen/ ſondern ein
jedwedeꝛ wiꝛd aus ſeineꝛ Conduite/ als aus etwas
ungewoͤhnlichen alsbald die wahre Urſache
entdecken;
Zum theil wird er auch dadurch we-
nig bey einer tugendhafften Perſon ausrichten/
weil dieſelbe ſeine Liebe unmoͤglich als tugend-
hafft wird annehmen koͤnnen/ ſo lange er nicht
gegen jederman leutſelig/ wahrhafftig/ und
beſcheiden
ſich erweiſet/ weil als offte gedacht
worden/ die allgemeine Liebe der Grund und
Richt-Schnur der abſonderlichen iſt.

39.

Es beſtehet aber dieſe Gefaͤlligkeit in ge-
ringen Dienſtleiſtungen
und Bezeugungen/
die geringe genennet worden/ theils/ weil ſie
dem/ der ſie leiſtet/ wenige Muͤhe oder Unko-
ſten
verurſachen/ z. e. etwas auffheben/ oder hoh-
len/ einen Stuhl zu rechte ſetzen/ etwas von ge-
ringen Werth/ das dem andern gefaͤllt/ ihm zum
Geſchencke anbiethen/ einen freundlichen Blick
geben/ u. ſ. w. theils/ weil der/ der ſie erweiſet/ ſich
in den Augen des andern dadurch gleichſam ge-
ringer macht/
als wenn man ſich freywillig zu
ſolchen kleinen Dingen anbietet/ oder dieſelben
unbegehret leiſtet/ die ſonſten ordentlich von Die-
nern pflegen verrichtet zu werden.

40. Die
S
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[277[273]/0305] vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt. 38. Und geſetzt/ daß ihn die Liebe gegen eine gewiſſe Perſon ſo zu ſagen gantz uͤmkehrte/ und in einen Augenblick gegen dieſelbe hoͤchſt ſorgfaͤltig machte; ſo wird er doch zum theil nicht vermoͤ- gend ſeyn/ das es/ wie wir nur erwehnet/ zu weilen noͤthig/ ſeine Affection zubergen/ ſondern ein jedwedeꝛ wiꝛd aus ſeineꝛ Conduite/ als aus etwas ungewoͤhnlichen alsbald die wahre Urſache entdecken; Zum theil wird er auch dadurch we- nig bey einer tugendhafften Perſon ausrichten/ weil dieſelbe ſeine Liebe unmoͤglich als tugend- hafft wird annehmen koͤnnen/ ſo lange er nicht gegen jederman leutſelig/ wahrhafftig/ und beſcheiden ſich erweiſet/ weil als offte gedacht worden/ die allgemeine Liebe der Grund und Richt-Schnur der abſonderlichen iſt. 39. Es beſtehet aber dieſe Gefaͤlligkeit in ge- ringen Dienſtleiſtungen und Bezeugungen/ die geringe genennet worden/ theils/ weil ſie dem/ der ſie leiſtet/ wenige Muͤhe oder Unko- ſten verurſachen/ z. e. etwas auffheben/ oder hoh- len/ einen Stuhl zu rechte ſetzen/ etwas von ge- ringen Werth/ das dem andern gefaͤllt/ ihm zum Geſchencke anbiethen/ einen freundlichen Blick geben/ u. ſ. w. theils/ weil der/ der ſie erweiſet/ ſich in den Augen des andern dadurch gleichſam ge- ringer macht/ als wenn man ſich freywillig zu ſolchen kleinen Dingen anbietet/ oder dieſelben unbegehret leiſtet/ die ſonſten ordentlich von Die- nern pflegen verrichtet zu werden. 40. Die S

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 277[273]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/305>, abgerufen am 28.03.2024.