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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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vernünfftigen Liebe überhaupt.
ander zu entscheiden/ weil in dieser es allenthalben
an Kostbarkeit und Mühe so gar nicht mangelt/
daß man vielmehr mehr Mühe und Unkosten
hier anzuwenden pfleget/ als in der vernünfftigen
Liebe/ weil die unvernünfftige Liebe hitziger ist als
die vernünfftige/ eben deshalben weil sie unver-
nünfftig ist.

66.

Ja man waget das Leben selbst/ so wohl
in der unvernünfftigen Liebe als in der vernünffti-
gen/ weil man eine augenblickliche Wollust/ o-
der eine eitele Ehre ja so hoch achtet/ als ein tu-
gendhaffter die wahre Gemüths-Ruhe.

67.

Derowegen so bleibet dieses der eintzige
Unterscheid zwischen dem wahrhafftigen und
Schein-Gutthhaten/ daß man in diesen sein
eigen Vergnügen
sucht/ in jenen aber man der
geliebten Person ein wahres Vergnügen zu
geben
bemühet ist. Und dieses ist auch der für-
nehmste Unterscheid zwischen der vernünfftigen
und unvernünfftigen Liebe.

68.

Wer vernünfftig liebet/ und nur in ge-
ringsten gewahr wird/ daß die geliebte Person sei-
ner Hülffe und seines Vermögens vonnöthen
habe/ der läst sich nicht lange umb seinen Bey-
stand bitten/ sondern er bietet seine Gutthaten
dem geliebten freywillig/ ohne Verzug und eyfrig
an/ er bittet ihn daß er sie annehmen wolle/ und
man kan nicht sagen/ ob derjenige/ so die Wohl-
that ewpfähet mehr Vergnügen über die Treue
seines Freundes empfinde/ als der/ der sie giebet/

sich

vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt.
ander zu entſcheiden/ weil in dieſer es allenthalben
an Koſtbarkeit und Muͤhe ſo gar nicht mangelt/
daß man vielmehr mehr Muͤhe und Unkoſten
hier anzuwenden pfleget/ als in der vernuͤnfftigen
Liebe/ weil die unvernuͤnfftige Liebe hitziger iſt als
die vernuͤnfftige/ eben deshalben weil ſie unver-
nuͤnfftig iſt.

66.

Ja man waget das Leben ſelbſt/ ſo wohl
in der unvernuͤnfftigen Liebe als in der vernuͤnffti-
gen/ weil man eine augenblickliche Wolluſt/ o-
der eine eitele Ehre ja ſo hoch achtet/ als ein tu-
gendhaffter die wahre Gemuͤths-Ruhe.

67.

Derowegen ſo bleibet dieſes der eintzige
Unterſcheid zwiſchen dem wahrhafftigen und
Schein-Gutthhaten/ daß man in dieſen ſein
eigen Vergnuͤgen
ſucht/ in jenen aber man der
geliebten Perſon ein wahres Vergnuͤgen zu
geben
bemuͤhet iſt. Und dieſes iſt auch der fuͤr-
nehmſte Unterſcheid zwiſchen der vernuͤnfftigen
und unvernuͤnfftigen Liebe.

68.

Wer vernuͤnfftig liebet/ und nur in ge-
ringſten gewahr wird/ daß die geliebte Perſon ſei-
ner Huͤlffe und ſeines Vermoͤgens vonnoͤthen
habe/ der laͤſt ſich nicht lange umb ſeinen Bey-
ſtand bitten/ ſondern er bietet ſeine Gutthaten
dem geliebten freywillig/ ohne Verzug und eyfrig
an/ er bittet ihn daß er ſie annehmen wolle/ und
man kan nicht ſagen/ ob derjenige/ ſo die Wohl-
that ewpfaͤhet mehr Vergnuͤgen uͤber die Treue
ſeines Freundes empfinde/ als der/ der ſie giebet/

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[291[287]/0319] vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt. ander zu entſcheiden/ weil in dieſer es allenthalben an Koſtbarkeit und Muͤhe ſo gar nicht mangelt/ daß man vielmehr mehr Muͤhe und Unkoſten hier anzuwenden pfleget/ als in der vernuͤnfftigen Liebe/ weil die unvernuͤnfftige Liebe hitziger iſt als die vernuͤnfftige/ eben deshalben weil ſie unver- nuͤnfftig iſt. 66. Ja man waget das Leben ſelbſt/ ſo wohl in der unvernuͤnfftigen Liebe als in der vernuͤnffti- gen/ weil man eine augenblickliche Wolluſt/ o- der eine eitele Ehre ja ſo hoch achtet/ als ein tu- gendhaffter die wahre Gemuͤths-Ruhe. 67. Derowegen ſo bleibet dieſes der eintzige Unterſcheid zwiſchen dem wahrhafftigen und Schein-Gutthhaten/ daß man in dieſen ſein eigen Vergnuͤgen ſucht/ in jenen aber man der geliebten Perſon ein wahres Vergnuͤgen zu geben bemuͤhet iſt. Und dieſes iſt auch der fuͤr- nehmſte Unterſcheid zwiſchen der vernuͤnfftigen und unvernuͤnfftigen Liebe. 68. Wer vernuͤnfftig liebet/ und nur in ge- ringſten gewahr wird/ daß die geliebte Perſon ſei- ner Huͤlffe und ſeines Vermoͤgens vonnoͤthen habe/ der laͤſt ſich nicht lange umb ſeinen Bey- ſtand bitten/ ſondern er bietet ſeine Gutthaten dem geliebten freywillig/ ohne Verzug und eyfrig an/ er bittet ihn daß er ſie annehmen wolle/ und man kan nicht ſagen/ ob derjenige/ ſo die Wohl- that ewpfaͤhet mehr Vergnuͤgen uͤber die Treue ſeines Freundes empfinde/ als der/ der ſie giebet/ ſich

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 291[287]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/319>, abgerufen am 23.04.2024.