Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

vernünfftigen Liebe überhaupt.
unvermögend seyn/ die Gutthat/ die der andere
von dir begehret/ ihm zu erweisen/ gleich wie er
öffters unvermögend ist/ ihm zur Danckbarkeit
etwas gewisses zu leisten. Aber das gehet nicht
an/ daß wir sagen wolten ein einiger Mensche/ son-
derlich ein tugendhaffter Mensche sey unvermö-
gend dem andern gutes zu thun. Die Guttha-
ten bestehen nicht allein in Mittheilung des Ver-
mögens/ sondern in Anwendung alles mensch-
lichen Thun und Lassens zu des andern Nutzen.
Hat nicht ein jeder ein Leben/ das er für dem an-
dern auffopffern kan? Und hat nicht ein Weiser
über dis guten Nath den andern aus der Bestiali-
tät heraus zu reissen/ und seinen Verstand und
Willen auszubessern? Diese Gutthaten sind viel
edler als die Darleyhung aller Schätze.

81.

Siehe auff so leichten und doch deutlichen
Gründen bestehet die Lehre von der Gutthätigkeit
und Danckbarkeit. Jn dieses wenige concen-
tri
ret sich alles das was Seneca so weitläuff-
tig und nicht allzuordentlich/ auch zum öff-
tern nach Art der Stoicker mehr
problema-
tisch als klar und offenbahr handgreifflich in
seinen Büchern von denen Gutthaten vor-
getragen.
So viel ist an einer rechten Be-
schreibung eines Dinges/ und an guter Ordnung
gelegen.

82.

Nun folget die unzertrennliche Ge-
meinschafft alles Vermögens/ ingleichen al-
les vernünfftigen Thun und Lassens/
als die

völli-
T 4

vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt.
unvermoͤgend ſeyn/ die Gutthat/ die der andere
von dir begehret/ ihm zu erweiſen/ gleich wie er
oͤffters unvermoͤgend iſt/ ihm zur Danckbarkeit
etwas gewiſſes zu leiſten. Aber das gehet nicht
an/ daß wir ſagen wolten ein einiger Menſche/ ſon-
derlich ein tugendhaffter Menſche ſey unvermoͤ-
gend dem andern gutes zu thun. Die Guttha-
ten beſtehen nicht allein in Mittheilung des Ver-
moͤgens/ ſondern in Anwendung alles menſch-
lichen Thun und Laſſens zu des andern Nutzen.
Hat nicht ein jeder ein Leben/ das er fuͤr dem an-
dern auffopffern kan? Und hat nicht ein Weiſer
uͤber dis guten Nath den andern aus der Beſtiali-
taͤt heraus zu reiſſen/ und ſeinen Verſtand und
Willen auszubeſſern? Dieſe Gutthaten ſind viel
edler als die Darleyhung aller Schaͤtze.

81.

Siehe auff ſo leichten und doch deutlichen
Gruͤnden beſtehet die Lehre von der Gutthaͤtigkeit
und Danckbarkeit. Jn dieſes wenige concen-
tri
ret ſich alles das was Seneca ſo weitlaͤuff-
tig und nicht allzuordentlich/ auch zum oͤff-
tern nach Art der Stoicker mehr
problema-
tiſch als klar und offenbahr handgreifflich in
ſeinen Buͤchern von denen Gutthaten vor-
getragen.
So viel iſt an einer rechten Be-
ſchreibung eines Dinges/ und an guter Ordnung
gelegen.

82.

Nun folget die unzertrennliche Ge-
meinſchafft alles Vermoͤgens/ ingleichen al-
les vernuͤnfftigen Thun und Laſſens/
als die

voͤlli-
T 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0327" n="299[295]"/><fw place="top" type="header">vernu&#x0364;nfftigen Liebe u&#x0364;berhaupt.</fw><lb/>
unvermo&#x0364;gend &#x017F;eyn/ die Gutthat/ die der andere<lb/>
von dir begehret/ ihm zu erwei&#x017F;en/ gleich wie er<lb/>
o&#x0364;ffters unvermo&#x0364;gend i&#x017F;t/ ihm zur Danckbarkeit<lb/>
etwas gewi&#x017F;&#x017F;es zu lei&#x017F;ten. Aber das gehet nicht<lb/>
an/ daß wir &#x017F;agen wolten ein einiger Men&#x017F;che/ &#x017F;on-<lb/>
derlich ein tugendhaffter Men&#x017F;che &#x017F;ey unvermo&#x0364;-<lb/>
gend dem andern gutes zu thun. Die Guttha-<lb/>
ten be&#x017F;tehen nicht allein in Mittheilung des Ver-<lb/>
mo&#x0364;gens/ &#x017F;ondern in Anwendung alles men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Thun und La&#x017F;&#x017F;ens zu des andern Nutzen.<lb/>
Hat nicht ein jeder ein Leben/ das er fu&#x0364;r dem an-<lb/>
dern auffopffern kan? Und hat nicht ein Wei&#x017F;er<lb/>
u&#x0364;ber dis guten Nath den andern aus der <hi rendition="#aq">Be&#x017F;tiali-</hi><lb/>
ta&#x0364;t heraus zu rei&#x017F;&#x017F;en/ und &#x017F;einen Ver&#x017F;tand und<lb/>
Willen auszube&#x017F;&#x017F;ern? Die&#x017F;e Gutthaten &#x017F;ind viel<lb/>
edler als die Darleyhung aller Scha&#x0364;tze.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>81.</head>
            <p>Siehe auff &#x017F;o leichten und doch deutlichen<lb/>
Gru&#x0364;nden be&#x017F;tehet die Lehre von der Guttha&#x0364;tigkeit<lb/>
und Danckbarkeit. <hi rendition="#fr">Jn die&#x017F;es wenige</hi> <hi rendition="#aq">concen-<lb/>
tri</hi><hi rendition="#fr">ret &#x017F;ich alles das was</hi> <hi rendition="#aq">Seneca</hi> <hi rendition="#fr">&#x017F;o weitla&#x0364;uff-<lb/>
tig und nicht allzuordentlich/ auch zum o&#x0364;ff-<lb/>
tern nach Art der Stoicker mehr</hi> <hi rendition="#aq">problema-</hi><lb/><hi rendition="#fr">ti&#x017F;ch als klar und offenbahr handgreifflich in<lb/>
&#x017F;einen Bu&#x0364;chern von denen Gutthaten vor-<lb/>
getragen.</hi> So viel i&#x017F;t an einer rechten Be-<lb/>
&#x017F;chreibung eines Dinges/ und an guter Ordnung<lb/>
gelegen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>82.</head>
            <p>Nun folget <hi rendition="#fr">die unzertrennliche Ge-<lb/>
mein&#x017F;chafft alles Vermo&#x0364;gens/ ingleichen al-<lb/>
les vernu&#x0364;nfftigen Thun und La&#x017F;&#x017F;ens/</hi> als die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T 4</fw><fw place="bottom" type="catch">vo&#x0364;lli-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[299[295]/0327] vernuͤnfftigen Liebe uͤberhaupt. unvermoͤgend ſeyn/ die Gutthat/ die der andere von dir begehret/ ihm zu erweiſen/ gleich wie er oͤffters unvermoͤgend iſt/ ihm zur Danckbarkeit etwas gewiſſes zu leiſten. Aber das gehet nicht an/ daß wir ſagen wolten ein einiger Menſche/ ſon- derlich ein tugendhaffter Menſche ſey unvermoͤ- gend dem andern gutes zu thun. Die Guttha- ten beſtehen nicht allein in Mittheilung des Ver- moͤgens/ ſondern in Anwendung alles menſch- lichen Thun und Laſſens zu des andern Nutzen. Hat nicht ein jeder ein Leben/ das er fuͤr dem an- dern auffopffern kan? Und hat nicht ein Weiſer uͤber dis guten Nath den andern aus der Beſtiali- taͤt heraus zu reiſſen/ und ſeinen Verſtand und Willen auszubeſſern? Dieſe Gutthaten ſind viel edler als die Darleyhung aller Schaͤtze. 81. Siehe auff ſo leichten und doch deutlichen Gruͤnden beſtehet die Lehre von der Gutthaͤtigkeit und Danckbarkeit. Jn dieſes wenige concen- triret ſich alles das was Seneca ſo weitlaͤuff- tig und nicht allzuordentlich/ auch zum oͤff- tern nach Art der Stoicker mehr problema- tiſch als klar und offenbahr handgreifflich in ſeinen Buͤchern von denen Gutthaten vor- getragen. So viel iſt an einer rechten Be- ſchreibung eines Dinges/ und an guter Ordnung gelegen. 82. Nun folget die unzertrennliche Ge- meinſchafft alles Vermoͤgens/ ingleichen al- les vernuͤnfftigen Thun und Laſſens/ als die voͤlli- T 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/327
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 299[295]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/327>, abgerufen am 28.03.2024.