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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Arten der absonderlichen Liebe.
15.

Es findet sich aber hiernechst bey denen
unterschiedenen Arten der Liebe auch ein merck-
licher Unterscheid derer Gutthaten. Die
unvollkommene gleiche Liebe bezeiget sich meh-
rentheils auch ohne Noth/ durch Geschencke
und kostbare Sachen/ durch zeitliche Ehre/ und
durch vielfältige angewendete Mühe und Ge-
fahr/ die aber zum öfftern noch ein eiteles Gut
zum Endzwecke hat. Die vollkommene aber
ist viel sparsamer/ weil man den geliebten durch
Reichthum und Ehre nicht vergnüget. Dero-
wegen sparet sie ihre Gutthaten biß zum Noth-
fall/
aber sie läst auch als denn dieselbe in dem
höchsten Grad erblicken/ weil sie auch das Le-
ben
dem Freunde zu Dienste freywillig daran
waget/ und in die gröste Gefahr setzet; da hin-
gegentheil bey der unvollkommenen Liebe diese
Liebes-Probe gar was seltsames ist.

16.

Bey der ungleichen Liebe bemühet sich
der geringere zwar dem vortrefflichern durch
Geschencke und mühsame Ehr Bezeugun-
gen
zu verbinden/ weil er denselben annoch nach
seinem Sinn urtheilet; Er kan aber demselben
keine grössere Gutthat erweisen/ als durch einen
freywilligen Gehorsam/ und durch eine etwas
mühsame Ausübung der Lehren und Vermah-
nungen/ die er von ihm täglich empfähet. Der
vortrefflichere aber erweiset in dieser Liebe
seine Gutthätigkeit ordentlich durch seinen treu-
en Rath und sorgfältige Ausbesserung
so

wohl
Arten der abſonderlichen Liebe.
15.

Es findet ſich aber hiernechſt bey denen
unterſchiedenen Arten der Liebe auch ein merck-
licher Unterſcheid derer Gutthaten. Die
unvollkommene gleiche Liebe bezeiget ſich meh-
rentheils auch ohne Noth/ durch Geſchencke
und koſtbare Sachen/ durch zeitliche Ehre/ und
durch vielfaͤltige angewendete Muͤhe und Ge-
fahr/ die aber zum oͤfftern noch ein eiteles Gut
zum Endzwecke hat. Die vollkommene aber
iſt viel ſparſamer/ weil man den geliebten durch
Reichthum und Ehre nicht vergnuͤget. Dero-
wegen ſparet ſie ihre Gutthaten biß zum Noth-
fall/
aber ſie laͤſt auch als denn dieſelbe in dem
hoͤchſten Grad erblicken/ weil ſie auch das Le-
ben
dem Freunde zu Dienſte freywillig daran
waget/ und in die groͤſte Gefahr ſetzet; da hin-
gegentheil bey der unvollkommenen Liebe dieſe
Liebes-Probe gar was ſeltſames iſt.

16.

Bey der ungleichen Liebe bemuͤhet ſich
der geringere zwar dem vortrefflichern durch
Geſchencke und muͤhſame Ehr Bezeugun-
gen
zu verbinden/ weil er denſelben annoch nach
ſeinem Sinn urtheilet; Er kan aber demſelben
keine groͤſſere Gutthat erweiſen/ als durch einen
freywilligen Gehorſam/ und durch eine etwas
muͤhſame Ausuͤbung der Lehren und Vermah-
nungen/ die er von ihm taͤglich empfaͤhet. Der
vortrefflichere aber erweiſet in dieſer Liebe
ſeine Gutthaͤtigkeit ordentlich durch ſeinen treu-
en Rath und ſorgfaͤltige Ausbeſſerung
ſo

wohl
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[323[319]/0351] Arten der abſonderlichen Liebe. 15. Es findet ſich aber hiernechſt bey denen unterſchiedenen Arten der Liebe auch ein merck- licher Unterſcheid derer Gutthaten. Die unvollkommene gleiche Liebe bezeiget ſich meh- rentheils auch ohne Noth/ durch Geſchencke und koſtbare Sachen/ durch zeitliche Ehre/ und durch vielfaͤltige angewendete Muͤhe und Ge- fahr/ die aber zum oͤfftern noch ein eiteles Gut zum Endzwecke hat. Die vollkommene aber iſt viel ſparſamer/ weil man den geliebten durch Reichthum und Ehre nicht vergnuͤget. Dero- wegen ſparet ſie ihre Gutthaten biß zum Noth- fall/ aber ſie laͤſt auch als denn dieſelbe in dem hoͤchſten Grad erblicken/ weil ſie auch das Le- ben dem Freunde zu Dienſte freywillig daran waget/ und in die groͤſte Gefahr ſetzet; da hin- gegentheil bey der unvollkommenen Liebe dieſe Liebes-Probe gar was ſeltſames iſt. 16. Bey der ungleichen Liebe bemuͤhet ſich der geringere zwar dem vortrefflichern durch Geſchencke und muͤhſame Ehr Bezeugun- gen zu verbinden/ weil er denſelben annoch nach ſeinem Sinn urtheilet; Er kan aber demſelben keine groͤſſere Gutthat erweiſen/ als durch einen freywilligen Gehorſam/ und durch eine etwas muͤhſame Ausuͤbung der Lehren und Vermah- nungen/ die er von ihm taͤglich empfaͤhet. Der vortrefflichere aber erweiſet in dieſer Liebe ſeine Gutthaͤtigkeit ordentlich durch ſeinen treu- en Rath und ſorgfaͤltige Ausbeſſerung ſo wohl

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 323[319]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/351>, abgerufen am 28.03.2024.