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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 1. Hauptst. von der Gelahrheit
wir haben nur jetzo gesagt/ daß alle von GOtt ge-
setzte Gräntzen gut seyn.

41.

Hiernechst hat der Mensch auch Senn-
Adern/
die mit subtilen geistigen Cörpern ange-
füllet seyn/ und sich im Gehirne vereinigen/ von
dar aber in alle innerliche und äußerliche Glied-
maffen des Leibes ausgetheilet sind/ und durch
welche so wohl das Viehe als der Mensch sich
äußerlich beweget/ auch durch deren Berüh-
rung von denen äußerlichen Cörpern/ so wohl bey
Menschen als Viehe/ eine gewisse Bewegung in
dem Gehirne entstehet/ die der gemeine Mann
Sinnligkeiten zu nennen pfleget.

42.

Diese Bewegungs-Krafft und so ge-
nannten Sinnligkeiten sind gleichfals gut/ und
der Mangel oder Beraubung derselben/ als die
Blindheit/ Taubheit/ der Schlag-Fluß u. s. w.
sind böse; wie nicht weniger alles was die Be-
wegungs-Krafft und Sinnligkeiten stärcket und
erhält/ ist gut/ was sie aber verringert/ ist böse.

43.

Und dieses Gute und Böse hat der
Mensch mit denen unvernünfftigen Thieren
gemein.

44.

Endlich aber denckt der Mensche/ das ist/
er begreifft unterschiedene Bewegungen äußerli-
ther Dinge/ er behält selbige in seinen Gedancken/
er setzt sie zusammen/ sondert sie von einander/ er
zehlet sie und misset sie ab. Und dieses heist man
die Vernunfft/ die den Menschen von andern
Thieren unterscheidet.

45. Und

Das 1. Hauptſt. von der Gelahrheit
wir haben nur jetzo geſagt/ daß alle von GOtt ge-
ſetzte Graͤntzen gut ſeyn.

41.

Hiernechſt hat der Menſch auch Senn-
Adern/
die mit ſubtilen geiſtigen Coͤrpern ange-
fuͤllet ſeyn/ und ſich im Gehirne vereinigen/ von
dar aber in alle innerliche und aͤußerliche Glied-
maffen des Leibes ausgetheilet ſind/ und durch
welche ſo wohl das Viehe als der Menſch ſich
aͤußerlich beweget/ auch durch deren Beruͤh-
rung von denen aͤußerlichen Coͤrpern/ ſo wohl bey
Menſchen als Viehe/ eine gewiſſe Bewegung in
dem Gehirne entſtehet/ die der gemeine Mann
Sinnligkeiten zu nennen pfleget.

42.

Dieſe Bewegungs-Krafft und ſo ge-
nannten Sinnligkeiten ſind gleichfals gut/ und
der Mangel oder Beraubung derſelben/ als die
Blindheit/ Taubheit/ der Schlag-Fluß u. ſ. w.
ſind boͤſe; wie nicht weniger alles was die Be-
wegungs-Krafft und Sinnligkeiten ſtaͤrcket und
erhaͤlt/ iſt gut/ was ſie aber verringert/ iſt boͤſe.

43.

Und dieſes Gute und Boͤſe hat der
Menſch mit denen unvernuͤnfftigen Thieren
gemein.

44.

Endlich aber denckt der Menſche/ das iſt/
er begreifft unterſchiedene Bewegungen aͤußerli-
ther Dinge/ er behaͤlt ſelbige in ſeinen Gedancken/
er ſetzt ſie zuſammen/ ſondert ſie von einander/ er
zehlet ſie und miſſet ſie ab. Und dieſes heiſt man
die Vernunfft/ die den Menſchen von andern
Thieren unterſcheidet.

45. Und
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[18/0050] Das 1. Hauptſt. von der Gelahrheit wir haben nur jetzo geſagt/ daß alle von GOtt ge- ſetzte Graͤntzen gut ſeyn. 41. Hiernechſt hat der Menſch auch Senn- Adern/ die mit ſubtilen geiſtigen Coͤrpern ange- fuͤllet ſeyn/ und ſich im Gehirne vereinigen/ von dar aber in alle innerliche und aͤußerliche Glied- maffen des Leibes ausgetheilet ſind/ und durch welche ſo wohl das Viehe als der Menſch ſich aͤußerlich beweget/ auch durch deren Beruͤh- rung von denen aͤußerlichen Coͤrpern/ ſo wohl bey Menſchen als Viehe/ eine gewiſſe Bewegung in dem Gehirne entſtehet/ die der gemeine Mann Sinnligkeiten zu nennen pfleget. 42. Dieſe Bewegungs-Krafft und ſo ge- nannten Sinnligkeiten ſind gleichfals gut/ und der Mangel oder Beraubung derſelben/ als die Blindheit/ Taubheit/ der Schlag-Fluß u. ſ. w. ſind boͤſe; wie nicht weniger alles was die Be- wegungs-Krafft und Sinnligkeiten ſtaͤrcket und erhaͤlt/ iſt gut/ was ſie aber verringert/ iſt boͤſe. 43. Und dieſes Gute und Boͤſe hat der Menſch mit denen unvernuͤnfftigen Thieren gemein. 44. Endlich aber denckt der Menſche/ das iſt/ er begreifft unterſchiedene Bewegungen aͤußerli- ther Dinge/ er behaͤlt ſelbige in ſeinen Gedancken/ er ſetzt ſie zuſammen/ ſondert ſie von einander/ er zehlet ſie und miſſet ſie ab. Und dieſes heiſt man die Vernunfft/ die den Menſchen von andern Thieren unterſcheidet. 45. Und

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/50>, abgerufen am 25.04.2024.