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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Glückseligkeit des Menschen.
werden/ weil sie nur auff wahrscheinlichen Grund
gebauet sind/ vielfältig triegen können/ in dem
GOtt täglich durch eine Menge Exempel dar-
thut/ daß die irraison nablesten Leute zu Reich-
thumb und Ehre gelangen/ und die jenigen/ die
nach denen Grund-Sätzen gesunder Vernunfft
Reichthumb und Ehre suchen/ zum öfftern Arm
und in einem niedrigen Stande bleiben müssen.

8.

Ferner so ist der reichste und mächtig-
ste
König warhafftig elend/ wenn er kranck
und ungesund oder sonst in seinem Gemüthe
eine unruhige Beängstigung empfindet. Da
hingegentheil der ärmste Mensch der z. e. na-
ckend und bloß aus einer jähling entstandenen
Feuers-Brunst sein Leben retten muß/ wenn er
anders gesund und Tugendhafft ist/ warhafftig
nicht elend ist/ weil er entweder durch Mitlei-
digkeit anderer Menschen (ohne schändliches
und tadelns würdiges Betteln) oder durch Ar-
beit satsam Gelegenheit findet/ seine Blösse zu
bedecken/ und seinen Hunger zu stillen; oder
wenn er seiner affecten nur Meister ist/ auch in
dem wildesten Wald mit Wasser und Wur-
tzeln zur Noth begnüget ist. Und da ein Papi-
nian
auch unter dem Richt-Beile wegen sei-
ner Gemüths-Ruhe von/ vernünfftigen Men-
schen Beneidungs würdig geachtet wird/ schwei-
ge denn/ wenn ihm ein Tyrann nur schlecht weg
seiner Ehren-Aempter beraubete/ und in dem

gering-

Gluͤckſeligkeit des Menſchen.
werden/ weil ſie nur auff wahrſcheinlichen Grund
gebauet ſind/ vielfaͤltig triegen koͤnnen/ in dem
GOtt taͤglich durch eine Menge Exempel dar-
thut/ daß die irraiſon nableſten Leute zu Reich-
thumb und Ehre gelangen/ und die jenigen/ die
nach denen Grund-Saͤtzen geſunder Vernunfft
Reichthumb und Ehre ſuchen/ zum oͤfftern Arm
und in einem niedrigen Stande bleiben muͤſſen.

8.

Ferner ſo iſt der reichſte und maͤchtig-
ſte
Koͤnig warhafftig elend/ wenn er kranck
und ungeſund oder ſonſt in ſeinem Gemuͤthe
eine unruhige Beaͤngſtigung empfindet. Da
hingegentheil der aͤrmſte Menſch der z. e. na-
ckend und bloß aus einer jaͤhling entſtandenen
Feuers-Brunſt ſein Leben retten muß/ wenn er
anders geſund und Tugendhafft iſt/ warhafftig
nicht elend iſt/ weil er entweder durch Mitlei-
digkeit anderer Menſchen (ohne ſchaͤndliches
und tadelns wuͤrdiges Betteln) oder durch Ar-
beit ſatſam Gelegenheit findet/ ſeine Bloͤſſe zu
bedecken/ und ſeinen Hunger zu ſtillen; oder
wenn er ſeiner affecten nur Meiſter iſt/ auch in
dem wildeſten Wald mit Waſſer und Wur-
tzeln zur Noth begnuͤget iſt. Und da ein Papi-
nian
auch unter dem Richt-Beile wegen ſei-
ner Gemuͤths-Ruhe von/ vernuͤnfftigen Men-
ſchen Beneidungs wuͤrdig geachtet wird/ ſchwei-
ge denn/ wenn ihm ein Tyrann nur ſchlecht weg
ſeiner Ehren-Aempter beraubete/ und in dem

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[59/0091] Gluͤckſeligkeit des Menſchen. werden/ weil ſie nur auff wahrſcheinlichen Grund gebauet ſind/ vielfaͤltig triegen koͤnnen/ in dem GOtt taͤglich durch eine Menge Exempel dar- thut/ daß die irraiſon nableſten Leute zu Reich- thumb und Ehre gelangen/ und die jenigen/ die nach denen Grund-Saͤtzen geſunder Vernunfft Reichthumb und Ehre ſuchen/ zum oͤfftern Arm und in einem niedrigen Stande bleiben muͤſſen. 8. Ferner ſo iſt der reichſte und maͤchtig- ſte Koͤnig warhafftig elend/ wenn er kranck und ungeſund oder ſonſt in ſeinem Gemuͤthe eine unruhige Beaͤngſtigung empfindet. Da hingegentheil der aͤrmſte Menſch der z. e. na- ckend und bloß aus einer jaͤhling entſtandenen Feuers-Brunſt ſein Leben retten muß/ wenn er anders geſund und Tugendhafft iſt/ warhafftig nicht elend iſt/ weil er entweder durch Mitlei- digkeit anderer Menſchen (ohne ſchaͤndliches und tadelns wuͤrdiges Betteln) oder durch Ar- beit ſatſam Gelegenheit findet/ ſeine Bloͤſſe zu bedecken/ und ſeinen Hunger zu ſtillen; oder wenn er ſeiner affecten nur Meiſter iſt/ auch in dem wildeſten Wald mit Waſſer und Wur- tzeln zur Noth begnuͤget iſt. Und da ein Papi- nian auch unter dem Richt-Beile wegen ſei- ner Gemuͤths-Ruhe von/ vernuͤnfftigen Men- ſchen Beneidungs wuͤrdig geachtet wird/ ſchwei- ge denn/ wenn ihm ein Tyrann nur ſchlecht weg ſeiner Ehren-Aempter beraubete/ und in dem gering-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/91>, abgerufen am 19.04.2024.