Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

Glückseeligkeit des Menschen.
denen freyen Bürgern zukommen/ und die ein
Mensch als ein Mensch gar wohl entbehren kan.
Jn Betrachtung der natürlichen Rechte werden
sie so wohl als andere Menschen auch in denen
Römischen Rechten geachtet.

16.

Ja was wilt du von denen alten Leib-
eigenen/
daß sie dem Viehe und Toden gleich
geachtet werden/ viel sagen? Das Römische
Recht ist öffters gewohnet in seinen fictionibus
und sonsten eine Sache anders und härter zu-
beschreiben als sie ist. Die Römische Leibei-
gene
hatten offt bessere Tage und ein vergnüg-
ter Leben/ als/ ich wil nicht sagen/ unsere Bauren/
sondern viel von unsern wohlhabenden Bür-
gern/
von was Stande sie auch seyn. Und ge-
setzt auch/ daß ihrer viel in einen geringen und dem
äußerlichen Ansehen nach armseligen Zustand
lebeten/ so wolte ich doch lieber der armselige
Epictetus als ein Caesar oder Antonius, oder
auch gar Augustus seyn.

17.

Endlich ist schon ein zu ewiger Gefan-
genschafft
Verdammter in anderer Leute An-
dencken lebendig tod/ so hat er doch mehr Ge-
legenheit in seiner Gefängniß für sich selber zu
leben; ja manchen reisset GOTT durch dieses
Mittel aus dem lebendigen Tode der Wohllust/
des Geld- und Ehrgeitzes heraus/ daß er in dem
Kercker durch die Erkäntniß seiner selbst zu le-
ben anfängt. Zudem ist doch auch ein des Lan-
des Verwiesener in Ansehen des Bürger-Rechts

(das

Gluͤckſeeligkeit des Menſchen.
denen freyen Buͤrgern zukommen/ und die ein
Menſch als ein Menſch gar wohl entbehren kan.
Jn Betrachtung der natuͤrlichen Rechte werden
ſie ſo wohl als andere Menſchen auch in denen
Roͤmiſchen Rechten geachtet.

16.

Ja was wilt du von denen alten Leib-
eigenen/
daß ſie dem Viehe und Toden gleich
geachtet werden/ viel ſagen? Das Roͤmiſche
Recht iſt oͤffters gewohnet in ſeinen fictionibus
und ſonſten eine Sache anders und haͤrter zu-
beſchreiben als ſie iſt. Die Roͤmiſche Leibei-
gene
hatten offt beſſere Tage und ein vergnuͤg-
ter Leben/ als/ ich wil nicht ſagen/ unſere Bauren/
ſondern viel von unſern wohlhabenden Buͤr-
gern/
von was Stande ſie auch ſeyn. Und ge-
ſetzt auch/ daß ihrer viel in einen geringen und dem
aͤußerlichen Anſehen nach armſeligen Zuſtand
lebeten/ ſo wolte ich doch lieber der armſelige
Epictetus als ein Cæſar oder Antonius, oder
auch gar Auguſtus ſeyn.

17.

Endlich iſt ſchon ein zu ewiger Gefan-
genſchafft
Verdammter in anderer Leute An-
dencken lebendig tod/ ſo hat er doch mehr Ge-
legenheit in ſeiner Gefaͤngniß fuͤr ſich ſelber zu
leben; ja manchen reiſſet GOTT durch dieſes
Mittel aus dem lebendigen Tode der Wohlluſt/
des Geld- und Ehrgeitzes heraus/ daß er in dem
Kercker durch die Erkaͤntniß ſeiner ſelbſt zu le-
ben anfaͤngt. Zudem iſt doch auch ein des Lan-
des Verwieſener in Anſehen des Buͤrger-Rechts

(das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0095" n="63"/><fw place="top" type="header">Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit des Men&#x017F;chen.</fw><lb/>
denen freyen Bu&#x0364;rgern zukommen/ und die ein<lb/>
Men&#x017F;ch als ein Men&#x017F;ch gar wohl entbehren kan.<lb/>
Jn Betrachtung der natu&#x0364;rlichen Rechte werden<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;o wohl als andere Men&#x017F;chen auch in denen<lb/>
Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Rechten geachtet.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>16.</head>
          <p>Ja was wilt du von denen <hi rendition="#fr">alten Leib-<lb/>
eigenen/</hi> daß &#x017F;ie dem <hi rendition="#fr">Viehe und Toden</hi> gleich<lb/>
geachtet werden/ viel &#x017F;agen? Das Ro&#x0364;mi&#x017F;che<lb/>
Recht i&#x017F;t o&#x0364;ffters gewohnet in &#x017F;einen <hi rendition="#aq">fictionibus</hi><lb/>
und &#x017F;on&#x017F;ten eine Sache anders und ha&#x0364;rter zu-<lb/>
be&#x017F;chreiben als &#x017F;ie i&#x017F;t. Die <hi rendition="#fr">Ro&#x0364;mi&#x017F;che Leibei-<lb/>
gene</hi> hatten offt be&#x017F;&#x017F;ere Tage und ein vergnu&#x0364;g-<lb/>
ter Leben/ als/ ich wil nicht &#x017F;agen/ un&#x017F;ere Bauren/<lb/>
&#x017F;ondern <hi rendition="#fr">viel von un&#x017F;ern wohlhabenden Bu&#x0364;r-<lb/>
gern/</hi> von was Stande &#x017F;ie auch &#x017F;eyn. Und ge-<lb/>
&#x017F;etzt auch/ daß ihrer viel in einen geringen und dem<lb/>
a&#x0364;ußerlichen An&#x017F;ehen nach arm&#x017F;eligen Zu&#x017F;tand<lb/>
lebeten/ &#x017F;o wolte ich doch lieber <hi rendition="#fr">der arm&#x017F;elige</hi><lb/><hi rendition="#aq">Epictetus</hi> als ein <hi rendition="#aq">&#x017F;ar</hi> oder <hi rendition="#aq">Antonius,</hi> oder<lb/>
auch gar <hi rendition="#aq">Augu&#x017F;tus</hi> &#x017F;eyn.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>17.</head>
          <p>Endlich i&#x017F;t &#x017F;chon ein <hi rendition="#fr">zu ewiger Gefan-<lb/>
gen&#x017F;chafft</hi> Verdammter in anderer Leute An-<lb/>
dencken <hi rendition="#fr">lebendig tod/</hi> &#x017F;o hat er doch mehr Ge-<lb/>
legenheit in &#x017F;einer Gefa&#x0364;ngniß fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;elber zu<lb/>
leben; ja manchen rei&#x017F;&#x017F;et GOTT durch die&#x017F;es<lb/>
Mittel aus dem lebendigen Tode der Wohllu&#x017F;t/<lb/>
des Geld- und Ehrgeitzes heraus/ daß er in dem<lb/>
Kercker durch die Erka&#x0364;ntniß &#x017F;einer &#x017F;elb&#x017F;t zu le-<lb/>
ben anfa&#x0364;ngt. Zudem i&#x017F;t doch auch ein des Lan-<lb/>
des Verwie&#x017F;ener in An&#x017F;ehen des Bu&#x0364;rger-Rechts<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">(das</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0095] Gluͤckſeeligkeit des Menſchen. denen freyen Buͤrgern zukommen/ und die ein Menſch als ein Menſch gar wohl entbehren kan. Jn Betrachtung der natuͤrlichen Rechte werden ſie ſo wohl als andere Menſchen auch in denen Roͤmiſchen Rechten geachtet. 16. Ja was wilt du von denen alten Leib- eigenen/ daß ſie dem Viehe und Toden gleich geachtet werden/ viel ſagen? Das Roͤmiſche Recht iſt oͤffters gewohnet in ſeinen fictionibus und ſonſten eine Sache anders und haͤrter zu- beſchreiben als ſie iſt. Die Roͤmiſche Leibei- gene hatten offt beſſere Tage und ein vergnuͤg- ter Leben/ als/ ich wil nicht ſagen/ unſere Bauren/ ſondern viel von unſern wohlhabenden Buͤr- gern/ von was Stande ſie auch ſeyn. Und ge- ſetzt auch/ daß ihrer viel in einen geringen und dem aͤußerlichen Anſehen nach armſeligen Zuſtand lebeten/ ſo wolte ich doch lieber der armſelige Epictetus als ein Cæſar oder Antonius, oder auch gar Auguſtus ſeyn. 17. Endlich iſt ſchon ein zu ewiger Gefan- genſchafft Verdammter in anderer Leute An- dencken lebendig tod/ ſo hat er doch mehr Ge- legenheit in ſeiner Gefaͤngniß fuͤr ſich ſelber zu leben; ja manchen reiſſet GOTT durch dieſes Mittel aus dem lebendigen Tode der Wohlluſt/ des Geld- und Ehrgeitzes heraus/ daß er in dem Kercker durch die Erkaͤntniß ſeiner ſelbſt zu le- ben anfaͤngt. Zudem iſt doch auch ein des Lan- des Verwieſener in Anſehen des Buͤrger-Rechts (das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/95
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/95>, abgerufen am 20.04.2024.