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Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691.

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Classen warer u. warscheinl. Dinge
weder ein Wesen/ das ausser ihm seine Selb-
ständigkeit hat/ oder er ist es selbst.

4. Bey euserlichen substantzen muß er zu-
förderst beobachten/ daß dieselben entweder
gegenwärtig oder vergangen/ oder zu-
künfftig
sind.

5. Aller Anfang unserer Erkäntnüß ge-
schiehet durch gegenwärtige Dinge/ ja sie
wird auch durch dieselbigen täglich erhalten/
aber sie werden auff zweyerley Art genommen/
(1.) in weitläufftigen Gebrauch/ so ferne die-
selbigen itzo etwas sind/ ob der Mensch gleich
von denenselben en fernet ist/ und also begreif-
fen sie auch abwesende Dinge unter sich (2.)
in engern Verstande/ so ferne sie itzo etwas
und dem Menschen nahe sind/ und werden
solchergestalt den abwesenden entgegen gesetzt

6. Von abwesenden Dingen können wir
niemahlen unstreitige Warheiten vermittels
einer klaren und deutlichen Erkäntnüß be-
greiffen/ sondern alles/ was wir davon bejahen/
ist entweder nur wahrscheinlich oder doch
sehr dunckel und confus.

7. Denn wir können vermittelst der Sin-
ne
dieselbigen nicht begreiffen/ weil alle Sinn-
ligkeiten eine Gegenwart erfordern/ und also

können
Q 2

Claſſen warer u. warſcheinl. Dinge
weder ein Weſen/ das auſſer ihm ſeine Selb-
ſtaͤndigkeit hat/ oder er iſt es ſelbſt.

4. Bey euſerlichen ſubſtantzen muß er zu-
foͤrderſt beobachten/ daß dieſelben entweder
gegenwaͤrtig oder vergangen/ oder zu-
kuͤnfftig
ſind.

5. Aller Anfang unſerer Erkaͤntnuͤß ge-
ſchiehet durch gegenwaͤrtige Dinge/ ja ſie
wird auch durch dieſelbigen taͤglich erhalten/
aber ſie werden auff zweyerley Art genom̃en/
(1.) in weitlaͤufftigen Gebrauch/ ſo ferne die-
ſelbigen itzo etwas ſind/ ob der Menſch gleich
von denenſelben en fernet iſt/ und alſo begreif-
fen ſie auch abweſende Dinge unter ſich (2.)
in engern Verſtande/ ſo ferne ſie itzo etwas
und dem Menſchen nahe ſind/ und werden
ſolchergeſtalt den abweſenden entgegen geſetzt

6. Von abweſenden Dingen koͤnnen wir
niemahlen unſtreitige Warheiten vermittels
einer klaren und deutlichen Erkaͤntnuͤß be-
greiffen/ ſondern alles/ was wir davon bejahen/
iſt entweder nur wahrſcheinlich oder doch
ſehr dunckel und confus.

7. Denn wir koͤnnen vermittelſt der Sin-
ne
dieſelbigen nicht begreiffen/ weil alle Sinn-
ligkeiten eine Gegenwart erfordern/ und alſo

koͤnnen
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[243/0261] Claſſen warer u. warſcheinl. Dinge weder ein Weſen/ das auſſer ihm ſeine Selb- ſtaͤndigkeit hat/ oder er iſt es ſelbſt. 4. Bey euſerlichen ſubſtantzen muß er zu- foͤrderſt beobachten/ daß dieſelben entweder gegenwaͤrtig oder vergangen/ oder zu- kuͤnfftig ſind. 5. Aller Anfang unſerer Erkaͤntnuͤß ge- ſchiehet durch gegenwaͤrtige Dinge/ ja ſie wird auch durch dieſelbigen taͤglich erhalten/ aber ſie werden auff zweyerley Art genom̃en/ (1.) in weitlaͤufftigen Gebrauch/ ſo ferne die- ſelbigen itzo etwas ſind/ ob der Menſch gleich von denenſelben en fernet iſt/ und alſo begreif- fen ſie auch abweſende Dinge unter ſich (2.) in engern Verſtande/ ſo ferne ſie itzo etwas und dem Menſchen nahe ſind/ und werden ſolchergeſtalt den abweſenden entgegen geſetzt 6. Von abweſenden Dingen koͤnnen wir niemahlen unſtreitige Warheiten vermittels einer klaren und deutlichen Erkaͤntnuͤß be- greiffen/ ſondern alles/ was wir davon bejahen/ iſt entweder nur wahrſcheinlich oder doch ſehr dunckel und confus. 7. Denn wir koͤnnen vermittelſt der Sin- ne dieſelbigen nicht begreiffen/ weil alle Sinn- ligkeiten eine Gegenwart erfordern/ und alſo koͤnnen Q 2

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Einleitung zu der Vernunfft-Lehre. Halle (Saale), 1691, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungvernufftlehre_1691/261>, abgerufen am 29.03.2024.