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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Erste Abtheilung.
er einsam zwischen den Blumen des Gartens, und
dachte an seine geliebte Magelone, oft nahm er
auch in der Abendstunde eine Zither und sang:

Muß es eine Trennung geben,
Die das treue Herz zerbricht?
Nein, dies nenne ich nicht leben,
Sterben ist so bitter nicht.
Hör ich eines Schäfers Flöte,
Härme ich mich inniglich,
Seh ich in die Abendröthe,
Denk ich brünstiglich an dich.
Giebt es denn kein wahres Lieben?
Muß denn Schmerz und Trauer seyn?
Wär ich ungeliebt geblieben,
Hätt ich doch noch Hofnungsschein.
Aber so muß ich nun klagen:
Wo ist Hofnung, als das Grab?
Fern muß ich mein Elend tragen,
Heimlich stirbt das Herz mir ab.


14.
Die Heidin Sulima liebt den Ritter.

Peter mochte hier vergnügt leben, wenn die Liebe
nicht seine Jugend verzehrt hätte. Er war nun
schon seit lange am Hofe des Sultans und von
ihm und den übrigen geschätzt; er hatte viele Frei-
heit und ward von manchem Hofdiener beneidet,

Erſte Abtheilung.
er einſam zwiſchen den Blumen des Gartens, und
dachte an ſeine geliebte Magelone, oft nahm er
auch in der Abendſtunde eine Zither und ſang:

Muß es eine Trennung geben,
Die das treue Herz zerbricht?
Nein, dies nenne ich nicht leben,
Sterben iſt ſo bitter nicht.
Hoͤr ich eines Schaͤfers Floͤte,
Haͤrme ich mich inniglich,
Seh ich in die Abendroͤthe,
Denk ich bruͤnſtiglich an dich.
Giebt es denn kein wahres Lieben?
Muß denn Schmerz und Trauer ſeyn?
Waͤr ich ungeliebt geblieben,
Haͤtt ich doch noch Hofnungsſchein.
Aber ſo muß ich nun klagen:
Wo iſt Hofnung, als das Grab?
Fern muß ich mein Elend tragen,
Heimlich ſtirbt das Herz mir ab.


14.
Die Heidin Sulima liebt den Ritter.

Peter mochte hier vergnuͤgt leben, wenn die Liebe
nicht ſeine Jugend verzehrt haͤtte. Er war nun
ſchon ſeit lange am Hofe des Sultans und von
ihm und den uͤbrigen geſchaͤtzt; er hatte viele Frei-
heit und ward von manchem Hofdiener beneidet,

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[376/0387] Erſte Abtheilung. er einſam zwiſchen den Blumen des Gartens, und dachte an ſeine geliebte Magelone, oft nahm er auch in der Abendſtunde eine Zither und ſang: Muß es eine Trennung geben, Die das treue Herz zerbricht? Nein, dies nenne ich nicht leben, Sterben iſt ſo bitter nicht. Hoͤr ich eines Schaͤfers Floͤte, Haͤrme ich mich inniglich, Seh ich in die Abendroͤthe, Denk ich bruͤnſtiglich an dich. Giebt es denn kein wahres Lieben? Muß denn Schmerz und Trauer ſeyn? Waͤr ich ungeliebt geblieben, Haͤtt ich doch noch Hofnungsſchein. Aber ſo muß ich nun klagen: Wo iſt Hofnung, als das Grab? Fern muß ich mein Elend tragen, Heimlich ſtirbt das Herz mir ab. 14. Die Heidin Sulima liebt den Ritter. Peter mochte hier vergnuͤgt leben, wenn die Liebe nicht ſeine Jugend verzehrt haͤtte. Er war nun ſchon ſeit lange am Hofe des Sultans und von ihm und den uͤbrigen geſchaͤtzt; er hatte viele Frei- heit und ward von manchem Hofdiener beneidet,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/387>, abgerufen am 18.04.2024.