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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889.

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Die Bundes-Centralbehörde.
nach Mainz schaffen lassen; und als man einwarf, der Mainzer Name sei
durch die schwarze Commission allzusehr in Verruf gekommen, da bemerkte
Nagler mit wehmüthiger Selbsterkenntniß, der Name Frankfurts hätte einen
noch schlimmeren Klang im Volke. *) Aber der Senat der freien Stadt
weigerte sich, seine Hochverräther herauszugeben, und da er sich auch nicht
entschließen konnte, den Bund um die unentbehrliche militärische Unter-
stützung zu bitten, so beschloß der Bundestag, nach seinem guten Rechte,
selbst das Nothwendige (12. April). Etwa zweitausend Mann Oesterreicher
und Preußen wurden aus Mainz abberufen und unter der Führung des
k. k. Generals Piret vorläufig in Sachsenhausen und den umliegenden
Ortschaften einquartiert. Die innere Stadt und die Gefangenen blieben
unter der bewährten Obhut des Frankfurter Bataillons, das nur "bei aus-
brechenden Unruhen" unter Piret's Oberbefehl treten sollte. So ehrfurchts-
voll ward die Souveränität der Bundesstadt geschont: die Preußen mußten
dem Bundesgeneral unbedingt gehorchen, dem freien Frankfurt wagte man
eine solche Demüthigung nicht zuzumuthen. Trotzdem fühlte sich der Senat
tief verletzt und sendete dem Bundestage eine übellaunige Erklärung, die
fast wie eine Rechtsverwahrung klang, aber stillschweigend zu den Akten
gelegt wurde.

Alsbald witterte der französische Gesandte Baron Alleye, ein heiß-
blütiger, radicaler Creole, daß sich hier wieder einmal ein bequemer
Anlaß bot um Unfrieden zwischen den Deutschen zu säen. Er berichtete
an seinen Minister und erhielt von Broglie in den letzten Apriltagen
eine Depesche, welche nochmals den alten Sirenensang von der Unab-
hängigkeit aller deutschen Staaten und Völkerschaften anstimmte. Als
er aber dies Schriftstück dem präsidirenden Bundesgesandten Manteuffel
vertraulich vorlas, da weigerte sich der Sachse auf eine Verhandlung solcher
Art überhaupt einzugehen und versuchte dem Franzosen einen ungefähren
Begriff von der deutschen Bundesverfassung beizubringen; nur sprach er
leider mit einer Höflichkeit, welche auf den Vertreter der Civilisation des
Westens nicht genügenden Eindruck machte. Noch strenger wies Metternich
eine Anfrage des französischen Gesandten in Wien zurück; und am Pariser
Hofe erhob Werther sogleich ernstlich Beschwerde. **) Der Bundestag billigte
das Verhalten seines Vorsitzenden, alle Anwesenden äußerten sich scharf
über die Anmaßung des Franzosen, und der erschrockene Vertreter Frank-
furts mußte demüthig versichern, sein hoher Senat sei keineswegs gemeint
die Giltigkeit der letzten Bundesbeschlüsse zu bestreiten, noch weniger die
Hilfe des Auslandes anzurufen. ***)

Wie seltsam hatte sich mittlerweile die Stimmung der Frankfurter

*) Nagler's Bericht, 23. April 1833.
**) Ancillon, Weisung an Maltzahn, 15. Mai 1833.
***) Berichte von Blittersdorff, 30. Apr., 10. 23. Mai; von Nagler, 23. Mai 1833.

Die Bundes-Centralbehörde.
nach Mainz ſchaffen laſſen; und als man einwarf, der Mainzer Name ſei
durch die ſchwarze Commiſſion allzuſehr in Verruf gekommen, da bemerkte
Nagler mit wehmüthiger Selbſterkenntniß, der Name Frankfurts hätte einen
noch ſchlimmeren Klang im Volke. *) Aber der Senat der freien Stadt
weigerte ſich, ſeine Hochverräther herauszugeben, und da er ſich auch nicht
entſchließen konnte, den Bund um die unentbehrliche militäriſche Unter-
ſtützung zu bitten, ſo beſchloß der Bundestag, nach ſeinem guten Rechte,
ſelbſt das Nothwendige (12. April). Etwa zweitauſend Mann Oeſterreicher
und Preußen wurden aus Mainz abberufen und unter der Führung des
k. k. Generals Piret vorläufig in Sachſenhauſen und den umliegenden
Ortſchaften einquartiert. Die innere Stadt und die Gefangenen blieben
unter der bewährten Obhut des Frankfurter Bataillons, das nur „bei aus-
brechenden Unruhen“ unter Piret’s Oberbefehl treten ſollte. So ehrfurchts-
voll ward die Souveränität der Bundesſtadt geſchont: die Preußen mußten
dem Bundesgeneral unbedingt gehorchen, dem freien Frankfurt wagte man
eine ſolche Demüthigung nicht zuzumuthen. Trotzdem fühlte ſich der Senat
tief verletzt und ſendete dem Bundestage eine übellaunige Erklärung, die
faſt wie eine Rechtsverwahrung klang, aber ſtillſchweigend zu den Akten
gelegt wurde.

Alsbald witterte der franzöſiſche Geſandte Baron Alleye, ein heiß-
blütiger, radicaler Creole, daß ſich hier wieder einmal ein bequemer
Anlaß bot um Unfrieden zwiſchen den Deutſchen zu ſäen. Er berichtete
an ſeinen Miniſter und erhielt von Broglie in den letzten Apriltagen
eine Depeſche, welche nochmals den alten Sirenenſang von der Unab-
hängigkeit aller deutſchen Staaten und Völkerſchaften anſtimmte. Als
er aber dies Schriftſtück dem präſidirenden Bundesgeſandten Manteuffel
vertraulich vorlas, da weigerte ſich der Sachſe auf eine Verhandlung ſolcher
Art überhaupt einzugehen und verſuchte dem Franzoſen einen ungefähren
Begriff von der deutſchen Bundesverfaſſung beizubringen; nur ſprach er
leider mit einer Höflichkeit, welche auf den Vertreter der Civiliſation des
Weſtens nicht genügenden Eindruck machte. Noch ſtrenger wies Metternich
eine Anfrage des franzöſiſchen Geſandten in Wien zurück; und am Pariſer
Hofe erhob Werther ſogleich ernſtlich Beſchwerde. **) Der Bundestag billigte
das Verhalten ſeines Vorſitzenden, alle Anweſenden äußerten ſich ſcharf
über die Anmaßung des Franzoſen, und der erſchrockene Vertreter Frank-
furts mußte demüthig verſichern, ſein hoher Senat ſei keineswegs gemeint
die Giltigkeit der letzten Bundesbeſchlüſſe zu beſtreiten, noch weniger die
Hilfe des Auslandes anzurufen. ***)

Wie ſeltſam hatte ſich mittlerweile die Stimmung der Frankfurter

*) Nagler’s Bericht, 23. April 1833.
**) Ancillon, Weiſung an Maltzahn, 15. Mai 1833.
***) Berichte von Blittersdorff, 30. Apr., 10. 23. Mai; von Nagler, 23. Mai 1833.
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[303/0317] Die Bundes-Centralbehörde. nach Mainz ſchaffen laſſen; und als man einwarf, der Mainzer Name ſei durch die ſchwarze Commiſſion allzuſehr in Verruf gekommen, da bemerkte Nagler mit wehmüthiger Selbſterkenntniß, der Name Frankfurts hätte einen noch ſchlimmeren Klang im Volke. *) Aber der Senat der freien Stadt weigerte ſich, ſeine Hochverräther herauszugeben, und da er ſich auch nicht entſchließen konnte, den Bund um die unentbehrliche militäriſche Unter- ſtützung zu bitten, ſo beſchloß der Bundestag, nach ſeinem guten Rechte, ſelbſt das Nothwendige (12. April). Etwa zweitauſend Mann Oeſterreicher und Preußen wurden aus Mainz abberufen und unter der Führung des k. k. Generals Piret vorläufig in Sachſenhauſen und den umliegenden Ortſchaften einquartiert. Die innere Stadt und die Gefangenen blieben unter der bewährten Obhut des Frankfurter Bataillons, das nur „bei aus- brechenden Unruhen“ unter Piret’s Oberbefehl treten ſollte. So ehrfurchts- voll ward die Souveränität der Bundesſtadt geſchont: die Preußen mußten dem Bundesgeneral unbedingt gehorchen, dem freien Frankfurt wagte man eine ſolche Demüthigung nicht zuzumuthen. Trotzdem fühlte ſich der Senat tief verletzt und ſendete dem Bundestage eine übellaunige Erklärung, die faſt wie eine Rechtsverwahrung klang, aber ſtillſchweigend zu den Akten gelegt wurde. Alsbald witterte der franzöſiſche Geſandte Baron Alleye, ein heiß- blütiger, radicaler Creole, daß ſich hier wieder einmal ein bequemer Anlaß bot um Unfrieden zwiſchen den Deutſchen zu ſäen. Er berichtete an ſeinen Miniſter und erhielt von Broglie in den letzten Apriltagen eine Depeſche, welche nochmals den alten Sirenenſang von der Unab- hängigkeit aller deutſchen Staaten und Völkerſchaften anſtimmte. Als er aber dies Schriftſtück dem präſidirenden Bundesgeſandten Manteuffel vertraulich vorlas, da weigerte ſich der Sachſe auf eine Verhandlung ſolcher Art überhaupt einzugehen und verſuchte dem Franzoſen einen ungefähren Begriff von der deutſchen Bundesverfaſſung beizubringen; nur ſprach er leider mit einer Höflichkeit, welche auf den Vertreter der Civiliſation des Weſtens nicht genügenden Eindruck machte. Noch ſtrenger wies Metternich eine Anfrage des franzöſiſchen Geſandten in Wien zurück; und am Pariſer Hofe erhob Werther ſogleich ernſtlich Beſchwerde. **) Der Bundestag billigte das Verhalten ſeines Vorſitzenden, alle Anweſenden äußerten ſich ſcharf über die Anmaßung des Franzoſen, und der erſchrockene Vertreter Frank- furts mußte demüthig verſichern, ſein hoher Senat ſei keineswegs gemeint die Giltigkeit der letzten Bundesbeſchlüſſe zu beſtreiten, noch weniger die Hilfe des Auslandes anzurufen. ***) Wie ſeltſam hatte ſich mittlerweile die Stimmung der Frankfurter *) Nagler’s Bericht, 23. April 1833. **) Ancillon, Weiſung an Maltzahn, 15. Mai 1833. ***) Berichte von Blittersdorff, 30. Apr., 10. 23. Mai; von Nagler, 23. Mai 1833.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 4: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. Leipzig, 1889, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte04_1889/317>, abgerufen am 18.04.2024.