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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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Der Coburgische Hoheitstitel.
lächerlicher Titelstreit brachte ihm dies zum Bewußtsein. Schon längst
strebten die ernestinischen Herzoge nach schöneren Titeln, weil sie bei der
großen Rangerhöhung der rheinbündischen Zeiten leer ausgegangen waren.
Seit das Haus Coburg so kühn emporgestiegen, meinte sich vornehmlich
der alte Herzog von Coburg als Vater und Bruder gekrönter Häupter
wohlberechtigt den Namen eines Großherzogs oder einer königlichen Hoheit
zu führen. Die englischen Verwandten unterstützten ihn dabei lebhaft;*)
denn die Coburger bewährten sich auch darin als treue Jünger der alten
Aufklärung, daß sie zwar mit Worten gern über leere Standesunterschiede
spotteten, in der That aber ihren Rang sehr eifersüchtig wahrten. Nach
strengem Rechte konnte der Coburgische Herzenswunsch nur durch einen
Bundesbeschluß erfüllt werden, weil der Bund über der Rangordnung
seiner Mitglieder zu wachen, auch die Mediatisirten schon gewissenhaft in
Durchlauchten und Erlauchten eingetheilt hatte. In Frankfurt aber lagen
die Dinge höchst ungünstig. Der Präsidialhof war über das selbstbewußte
Auftreten des Herzogs von Coburg-Kohary, der doch unzweifelhaft zu den
Unterthanen der Stephanskrone gehörte, längst sehr aufgebracht, seine
Diplomaten redeten mit der äußersten Gehässigkeit über den Coburger
Hof.**) Auch der König von Preußen wollte den althistorischen Titel
Durchlaucht nicht gern ändern. Nun gar die kleineren Fürsten meinten
sich allesammt, und manche mit Recht schwer beeinträchtigt; sie beruhigten
sich auch nicht, als Coburg seine Ansprüche herabsetzte und nur noch den
Titel Hoheit verlangte. Da wünschten Nassau und Braunschweig, von
wegen ihrer größeren Macht, Großherzoge zu werden; in Baden, das ja
einst den Kurhut getragen hatte, sprach man schon von der Annahme
des Königstitels; der Kurfürst von Hessen dachte seiner verunglückten Katten-
krone, der Großherzog von Darmstadt dem stolzen alten Mainzer Kurhute
den Majestätstitel beizulegen; Homburg wollte landgräfliche, Schwarzburg
fürstliche Hoheit heißen; der Fürst von Hechingen ließ die Hoheit für
Nassau nicht gelten, weil sein Haus früher als Nassau in den Fürsten-
rath des alten Reichstags gelangt war.***) So zeigte sich an einem ab-
geschmackten und doch sehr heftigen, die Bundesgenossen tief verstimmenden
Zwiste, daß jene ruhelose sociale Eitelkeit, welche beständig nach oben
drängend, den Herrennamen zum Gemeingut Aller, die Mädchen zu Fräu-
lein, die schlichten Marschälle und Seneschälle zu Großwürdenträgern ge-
macht hat, auch in demokratischen Jahrhunderten bei Hoch und Niedrig
ihren Spuk treibt.

Mittlerweile hatte der unternehmende junge Herzog Ernst II. die
Regierung in Coburg angetreten. Er merkte bald, daß auf diesem Markte

*) Bunsen's Berichte, 8. Juli, 25. Aug. 1842.
**) Bunsen's Berichte, 5. 8. Nov. 1842.
***) Berichte von Dönhoff, 27. April ff.; von Radowitz, 19. Mai; Fürst v. Hohen-
zollern-Hechingen an Dönhoff, 7. Mai 1844.

Der Coburgiſche Hoheitstitel.
lächerlicher Titelſtreit brachte ihm dies zum Bewußtſein. Schon längſt
ſtrebten die erneſtiniſchen Herzoge nach ſchöneren Titeln, weil ſie bei der
großen Rangerhöhung der rheinbündiſchen Zeiten leer ausgegangen waren.
Seit das Haus Coburg ſo kühn emporgeſtiegen, meinte ſich vornehmlich
der alte Herzog von Coburg als Vater und Bruder gekrönter Häupter
wohlberechtigt den Namen eines Großherzogs oder einer königlichen Hoheit
zu führen. Die engliſchen Verwandten unterſtützten ihn dabei lebhaft;*)
denn die Coburger bewährten ſich auch darin als treue Jünger der alten
Aufklärung, daß ſie zwar mit Worten gern über leere Standesunterſchiede
ſpotteten, in der That aber ihren Rang ſehr eiferſüchtig wahrten. Nach
ſtrengem Rechte konnte der Coburgiſche Herzenswunſch nur durch einen
Bundesbeſchluß erfüllt werden, weil der Bund über der Rangordnung
ſeiner Mitglieder zu wachen, auch die Mediatiſirten ſchon gewiſſenhaft in
Durchlauchten und Erlauchten eingetheilt hatte. In Frankfurt aber lagen
die Dinge höchſt ungünſtig. Der Präſidialhof war über das ſelbſtbewußte
Auftreten des Herzogs von Coburg-Kohary, der doch unzweifelhaft zu den
Unterthanen der Stephanskrone gehörte, längſt ſehr aufgebracht, ſeine
Diplomaten redeten mit der äußerſten Gehäſſigkeit über den Coburger
Hof.**) Auch der König von Preußen wollte den althiſtoriſchen Titel
Durchlaucht nicht gern ändern. Nun gar die kleineren Fürſten meinten
ſich alleſammt, und manche mit Recht ſchwer beeinträchtigt; ſie beruhigten
ſich auch nicht, als Coburg ſeine Anſprüche herabſetzte und nur noch den
Titel Hoheit verlangte. Da wünſchten Naſſau und Braunſchweig, von
wegen ihrer größeren Macht, Großherzoge zu werden; in Baden, das ja
einſt den Kurhut getragen hatte, ſprach man ſchon von der Annahme
des Königstitels; der Kurfürſt von Heſſen dachte ſeiner verunglückten Katten-
krone, der Großherzog von Darmſtadt dem ſtolzen alten Mainzer Kurhute
den Majeſtätstitel beizulegen; Homburg wollte landgräfliche, Schwarzburg
fürſtliche Hoheit heißen; der Fürſt von Hechingen ließ die Hoheit für
Naſſau nicht gelten, weil ſein Haus früher als Naſſau in den Fürſten-
rath des alten Reichstags gelangt war.***) So zeigte ſich an einem ab-
geſchmackten und doch ſehr heftigen, die Bundesgenoſſen tief verſtimmenden
Zwiſte, daß jene ruheloſe ſociale Eitelkeit, welche beſtändig nach oben
drängend, den Herrennamen zum Gemeingut Aller, die Mädchen zu Fräu-
lein, die ſchlichten Marſchälle und Seneſchälle zu Großwürdenträgern ge-
macht hat, auch in demokratiſchen Jahrhunderten bei Hoch und Niedrig
ihren Spuk treibt.

Mittlerweile hatte der unternehmende junge Herzog Ernſt II. die
Regierung in Coburg angetreten. Er merkte bald, daß auf dieſem Markte

*) Bunſen’s Berichte, 8. Juli, 25. Aug. 1842.
**) Bunſen’s Berichte, 5. 8. Nov. 1842.
***) Berichte von Dönhoff, 27. April ff.; von Radowitz, 19. Mai; Fürſt v. Hohen-
zollern-Hechingen an Dönhoff, 7. Mai 1844.
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[135/0149] Der Coburgiſche Hoheitstitel. lächerlicher Titelſtreit brachte ihm dies zum Bewußtſein. Schon längſt ſtrebten die erneſtiniſchen Herzoge nach ſchöneren Titeln, weil ſie bei der großen Rangerhöhung der rheinbündiſchen Zeiten leer ausgegangen waren. Seit das Haus Coburg ſo kühn emporgeſtiegen, meinte ſich vornehmlich der alte Herzog von Coburg als Vater und Bruder gekrönter Häupter wohlberechtigt den Namen eines Großherzogs oder einer königlichen Hoheit zu führen. Die engliſchen Verwandten unterſtützten ihn dabei lebhaft; *) denn die Coburger bewährten ſich auch darin als treue Jünger der alten Aufklärung, daß ſie zwar mit Worten gern über leere Standesunterſchiede ſpotteten, in der That aber ihren Rang ſehr eiferſüchtig wahrten. Nach ſtrengem Rechte konnte der Coburgiſche Herzenswunſch nur durch einen Bundesbeſchluß erfüllt werden, weil der Bund über der Rangordnung ſeiner Mitglieder zu wachen, auch die Mediatiſirten ſchon gewiſſenhaft in Durchlauchten und Erlauchten eingetheilt hatte. In Frankfurt aber lagen die Dinge höchſt ungünſtig. Der Präſidialhof war über das ſelbſtbewußte Auftreten des Herzogs von Coburg-Kohary, der doch unzweifelhaft zu den Unterthanen der Stephanskrone gehörte, längſt ſehr aufgebracht, ſeine Diplomaten redeten mit der äußerſten Gehäſſigkeit über den Coburger Hof. **) Auch der König von Preußen wollte den althiſtoriſchen Titel Durchlaucht nicht gern ändern. Nun gar die kleineren Fürſten meinten ſich alleſammt, und manche mit Recht ſchwer beeinträchtigt; ſie beruhigten ſich auch nicht, als Coburg ſeine Anſprüche herabſetzte und nur noch den Titel Hoheit verlangte. Da wünſchten Naſſau und Braunſchweig, von wegen ihrer größeren Macht, Großherzoge zu werden; in Baden, das ja einſt den Kurhut getragen hatte, ſprach man ſchon von der Annahme des Königstitels; der Kurfürſt von Heſſen dachte ſeiner verunglückten Katten- krone, der Großherzog von Darmſtadt dem ſtolzen alten Mainzer Kurhute den Majeſtätstitel beizulegen; Homburg wollte landgräfliche, Schwarzburg fürſtliche Hoheit heißen; der Fürſt von Hechingen ließ die Hoheit für Naſſau nicht gelten, weil ſein Haus früher als Naſſau in den Fürſten- rath des alten Reichstags gelangt war. ***) So zeigte ſich an einem ab- geſchmackten und doch ſehr heftigen, die Bundesgenoſſen tief verſtimmenden Zwiſte, daß jene ruheloſe ſociale Eitelkeit, welche beſtändig nach oben drängend, den Herrennamen zum Gemeingut Aller, die Mädchen zu Fräu- lein, die ſchlichten Marſchälle und Seneſchälle zu Großwürdenträgern ge- macht hat, auch in demokratiſchen Jahrhunderten bei Hoch und Niedrig ihren Spuk treibt. Mittlerweile hatte der unternehmende junge Herzog Ernſt II. die Regierung in Coburg angetreten. Er merkte bald, daß auf dieſem Markte *) Bunſen’s Berichte, 8. Juli, 25. Aug. 1842. **) Bunſen’s Berichte, 5. 8. Nov. 1842. ***) Berichte von Dönhoff, 27. April ff.; von Radowitz, 19. Mai; Fürſt v. Hohen- zollern-Hechingen an Dönhoff, 7. Mai 1844.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/149>, abgerufen am 19.04.2024.