Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

Bild:
<< vorherige Seite
von den Generibus der Verse.

Die Stickel-Gebäude, da man aus anderer Poe-
ten
Schrifften halbe und gantze Zeilen, auch wohl gan-
tze Strophen entlehnet, und daraus ein Gedichte zu-
sammen sticket. Man kan aber leichte dencken, was
manchmahl vor eine schöne Connexion unter solchen
zusammen gestoppelten Versen seyn müsse. Und wer
ein freyes Gemüthe hat, dem wird solche langwierige
Arbeit und schändliche Sclaverey nimmermehr an-
stehen.

48. Was hat man nach den Stickel-Gebäu-
den zu beobachten?

Die Imitationes auf die Lateinischen Genera, da
man eben so viel und eben solche Pedes in Teutschen
Versen machet, als in dem Lateinischen Genere enthal-
ten sind. z. e.

In Genere Elegiaco.
Lachet ihr Liebgen sein lustig und schlafet fein lange beysammen,
Küsset und labet euch wohl, dencket an keine Gefahr;
Streitet im Lieben, und mehret durch Hertzen die lieblichen Flam-
men,
Bringet was junges hervor, bleibet ein fröliches Paar.

Wem es beliebet, der kan seine Teutschen Verse auch
nach den übrigen Generibus der Lateinischen Verse ein-
richten: Allein die rechte Warheit zu sagen, so wird
er mit allen solchen Imirationen wenig Vergnügung er-
wecken, weil solche Artin den Teutschen Versen gar
gezwungen heraus kommt.

Der überflüßige Fleiß mancher Leute weiß noch
viel andere Genera von Teutschen Versen herzuzeh-
len: Allein, wenn man dieselben beym Lichte besie-

het,
G 5
von den Generibus der Verſe.

Die Stickel-Gebaͤude, da man aus anderer Poë-
ten
Schrifften halbe und gantze Zeilen, auch wohl gan-
tze Strophen entlehnet, und daraus ein Gedichte zu-
ſammen ſticket. Man kan aber leichte dencken, was
manchmahl vor eine ſchoͤne Connexion unter ſolchen
zuſammen geſtoppelten Verſen ſeyn muͤſſe. Und wer
ein freyes Gemuͤthe hat, dem wird ſolche langwierige
Arbeit und ſchaͤndliche Sclaverey nimmermehr an-
ſtehen.

48. Was hat man nach den Stickel-Gebaͤu-
den zu beobachten?

Die Imitationes auf die Lateiniſchen Genera, da
man eben ſo viel und eben ſolche Pedes in Teutſchen
Verſen machet, als in dem Lateiniſchen Genere enthal-
ten ſind. z. e.

In Genere Elegiaco.
Lachet ihr Liebgen ſein luſtig und ſchlafet fein lange beyſammen,
Kuͤſſet und labet euch wohl, dencket an keine Gefahr;
Streitet im Lieben, und mehret durch Hertzen die lieblichen Flam-
men,
Bringet was junges hervor, bleibet ein froͤliches Paar.

Wem es beliebet, der kan ſeine Teutſchen Verſe auch
nach den uͤbrigen Generibus der Lateiniſchen Verſe ein-
richten: Allein die rechte Warheit zu ſagen, ſo wird
er mit allen ſolchen Imirationen wenig Vergnuͤgung er-
wecken, weil ſolche Artin den Teutſchen Verſen gar
gezwungen heraus kommt.

Der uͤberfluͤßige Fleiß mancher Leute weiß noch
viel andere Genera von Teutſchen Verſen herzuzeh-
len: Allein, wenn man dieſelben beym Lichte beſie-

het,
G 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0107" n="103"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">von den <hi rendition="#aq">Generibus</hi> der Ver&#x017F;e.</hi> </fw><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#fr">Stickel-Geba&#x0364;ude,</hi> da man aus anderer <hi rendition="#aq">Poë-<lb/>
ten</hi> Schrifften halbe und gantze Zeilen, auch wohl gan-<lb/>
tze Strophen entlehnet, und daraus ein Gedichte zu-<lb/>
&#x017F;ammen &#x017F;ticket. Man kan aber leichte dencken, was<lb/>
manchmahl vor eine &#x017F;cho&#x0364;ne <hi rendition="#aq">Connexion</hi> unter &#x017F;olchen<lb/>
zu&#x017F;ammen ge&#x017F;toppelten Ver&#x017F;en &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Und wer<lb/>
ein freyes Gemu&#x0364;the hat, dem wird &#x017F;olche langwierige<lb/>
Arbeit und &#x017F;cha&#x0364;ndliche Sclaverey nimmermehr an-<lb/>
&#x017F;tehen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">48. Was hat man nach den Stickel-Geba&#x0364;u-<lb/>
den zu beobachten?</hi> </head><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#aq">Imitationes</hi> auf die Lateini&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Genera,</hi> da<lb/>
man eben &#x017F;o viel und eben &#x017F;olche <hi rendition="#aq">Pedes</hi> in Teut&#x017F;chen<lb/>
Ver&#x017F;en machet, als in dem Lateini&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Genere</hi> enthal-<lb/>
ten &#x017F;ind. z. e.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#aq">In Genere Elegiaco.</hi> </head><lb/>
            <l>Lachet ihr Liebgen &#x017F;ein lu&#x017F;tig und &#x017F;chlafet fein lange bey&#x017F;ammen,</l><lb/>
            <l>Ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;et und labet euch wohl, dencket an keine Gefahr;</l><lb/>
            <l>Streitet im Lieben, und mehret durch Hertzen die lieblichen Flam-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">men,</hi> </l><lb/>
            <l>Bringet was junges hervor, bleibet ein fro&#x0364;liches Paar.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Wem es beliebet, der kan &#x017F;eine Teut&#x017F;chen Ver&#x017F;e auch<lb/>
nach den u&#x0364;brigen <hi rendition="#aq">Generibus</hi> der Lateini&#x017F;chen Ver&#x017F;e ein-<lb/>
richten: Allein die rechte Warheit zu &#x017F;agen, &#x017F;o wird<lb/>
er mit allen &#x017F;olchen <hi rendition="#aq">Imirationen</hi> wenig Vergnu&#x0364;gung er-<lb/>
wecken, weil &#x017F;olche Artin den Teut&#x017F;chen Ver&#x017F;en gar<lb/>
gezwungen heraus kommt.</p><lb/>
          <p>Der u&#x0364;berflu&#x0364;ßige Fleiß mancher Leute weiß noch<lb/>
viel andere <hi rendition="#aq">Genera</hi> von Teut&#x017F;chen Ver&#x017F;en herzuzeh-<lb/>
len: Allein, wenn man die&#x017F;elben beym Lichte be&#x017F;ie-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 5</fw><fw place="bottom" type="catch">het,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0107] von den Generibus der Verſe. Die Stickel-Gebaͤude, da man aus anderer Poë- ten Schrifften halbe und gantze Zeilen, auch wohl gan- tze Strophen entlehnet, und daraus ein Gedichte zu- ſammen ſticket. Man kan aber leichte dencken, was manchmahl vor eine ſchoͤne Connexion unter ſolchen zuſammen geſtoppelten Verſen ſeyn muͤſſe. Und wer ein freyes Gemuͤthe hat, dem wird ſolche langwierige Arbeit und ſchaͤndliche Sclaverey nimmermehr an- ſtehen. 48. Was hat man nach den Stickel-Gebaͤu- den zu beobachten? Die Imitationes auf die Lateiniſchen Genera, da man eben ſo viel und eben ſolche Pedes in Teutſchen Verſen machet, als in dem Lateiniſchen Genere enthal- ten ſind. z. e. In Genere Elegiaco. Lachet ihr Liebgen ſein luſtig und ſchlafet fein lange beyſammen, Kuͤſſet und labet euch wohl, dencket an keine Gefahr; Streitet im Lieben, und mehret durch Hertzen die lieblichen Flam- men, Bringet was junges hervor, bleibet ein froͤliches Paar. Wem es beliebet, der kan ſeine Teutſchen Verſe auch nach den uͤbrigen Generibus der Lateiniſchen Verſe ein- richten: Allein die rechte Warheit zu ſagen, ſo wird er mit allen ſolchen Imirationen wenig Vergnuͤgung er- wecken, weil ſolche Artin den Teutſchen Verſen gar gezwungen heraus kommt. Der uͤberfluͤßige Fleiß mancher Leute weiß noch viel andere Genera von Teutſchen Verſen herzuzeh- len: Allein, wenn man dieſelben beym Lichte beſie- het, G 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/107
Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/107>, abgerufen am 28.03.2024.