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Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

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Das IV. Capitul
den letzten 6. aber die Hypothesis enthalten seyn. Was
die Reime betrifft, so werden unter den ersten 8. Zeilen
gemeiniglich die 1. 4. 5. und 8te mit einerley, und hernach,
die 2. 3. 6. und 7de gleichfalls mit einerley Reimen, es
mögen solche männlich oder weiblich seyn, versehen.
Bisweilen aber pflegt man auch die 1. 3. 5. und 7de
und hernach die 2. 4. 6. und 8te mit einander zu reimen.
Jn den letzten 6. Zeilen hat man seine völlige Freyheit,
und mag man die Zeilen mit einander reimen, wie man
will. Was endlich die Genera anlanget, so kan man
entweder das Jambische, oder Trochaische, oder Dacty-
li
sche, oder auch ein gemischtes Genus zu den Sonnet-
ten erwehlen. Jngleichen kan man lange oder kurtze
Zeilen machen. Siehe das Musen-Cabinet p. 390.
580. 796. Unser Exempel zielet auf eine Hochzeit, und
ist an die Verliebten gerichtet:

Jst Lieb' und Freund schafft nur nach Worten auszumessen,
So wäre dieser Raum vor meinen Wunsch zu klein,
So würd' ein grosses Buch auch noch zu wenig seyn.
Was überbliebe mir? Doch bleib' ich unterdessen
Der Pflicht, die mich an euch verbunden, unvergessen.
Denn eure Liebe steht in Wercken nur allein,
Nicht in der Wörter-Pracht, nur da ein blosser Schein,
So ist mir Pflicht und Wunsch im Munde nicht gesessen.
Was hilfft der Wörter-Tand, stimmt nicht das Hertze bey?
Jch wünsche, daß bey euch kein Wunsch von nöthen sey.
Das wünschet Hertz und Mund: O daß der Wunsch bekleibe,
Nicht tieffer wurtzelt er, nicht höher hebt er sich.
Nehmt diß, ihr Lieben, hin, und denckt darbey, daß ich,
Wie ihr mehr thut, als sagt, viel mehr gedenck' als schreibe.
26. Was ist nach den Sonnetten zu betrachten?

Die Epigrammata, welche auch Uberschrifften,

Bey-

Das IV. Capitul
den letzten 6. aber die Hypotheſis enthalten ſeyn. Was
die Reime betrifft, ſo werden unter den erſten 8. Zeilen
gemeiniglich die 1. 4. 5. und 8te mit einerley, und hernach,
die 2. 3. 6. und 7de gleichfalls mit einerley Reimen, es
moͤgen ſolche maͤnnlich oder weiblich ſeyn, verſehen.
Bisweilen aber pflegt man auch die 1. 3. 5. und 7de
und hernach die 2. 4. 6. und 8te mit einander zu reimen.
Jn den letzten 6. Zeilen hat man ſeine voͤllige Freyheit,
und mag man die Zeilen mit einander reimen, wie man
will. Was endlich die Genera anlanget, ſo kan man
entweder das Jambiſche, oder Trochaiſche, oder Dacty-
li
ſche, oder auch ein gemiſchtes Genus zu den Sonnet-
ten erwehlen. Jngleichen kan man lange oder kurtze
Zeilen machen. Siehe das Muſen-Cabinet p. 390.
580. 796. Unſer Exempel zielet auf eine Hochzeit, und
iſt an die Verliebten gerichtet:

Jſt Lieb’ und Freund ſchafft nur nach Worten auszumeſſen,
So waͤre dieſer Raum vor meinen Wunſch zu klein,
So wuͤrd’ ein groſſes Buch auch noch zu wenig ſeyn.
Was uͤberbliebe mir? Doch bleib’ ich unterdeſſen
Der Pflicht, die mich an euch verbunden, unvergeſſen.
Denn eure Liebe ſteht in Wercken nur allein,
Nicht in der Woͤrter-Pracht, nur da ein bloſſer Schein,
So iſt mir Pflicht und Wunſch im Munde nicht geſeſſen.
Was hilfft der Woͤrter-Tand, ſtimmt nicht das Hertze bey?
Jch wuͤnſche, daß bey euch kein Wunſch von noͤthen ſey.
Das wuͤnſchet Hertz und Mund: O daß der Wunſch bekleibe,
Nicht tieffer wurtzelt er, nicht hoͤher hebt er ſich.
Nehmt diß, ihr Lieben, hin, und denckt darbey, daß ich,
Wie ihr mehr thut, als ſagt, viel mehr gedenck’ als ſchreibe.
26. Was iſt nach den Sonnetten zu betrachten?

Die Epigrammata, welche auch Uberſchrifften,

Bey-
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[82/0086] Das IV. Capitul den letzten 6. aber die Hypotheſis enthalten ſeyn. Was die Reime betrifft, ſo werden unter den erſten 8. Zeilen gemeiniglich die 1. 4. 5. und 8te mit einerley, und hernach, die 2. 3. 6. und 7de gleichfalls mit einerley Reimen, es moͤgen ſolche maͤnnlich oder weiblich ſeyn, verſehen. Bisweilen aber pflegt man auch die 1. 3. 5. und 7de und hernach die 2. 4. 6. und 8te mit einander zu reimen. Jn den letzten 6. Zeilen hat man ſeine voͤllige Freyheit, und mag man die Zeilen mit einander reimen, wie man will. Was endlich die Genera anlanget, ſo kan man entweder das Jambiſche, oder Trochaiſche, oder Dacty- liſche, oder auch ein gemiſchtes Genus zu den Sonnet- ten erwehlen. Jngleichen kan man lange oder kurtze Zeilen machen. Siehe das Muſen-Cabinet p. 390. 580. 796. Unſer Exempel zielet auf eine Hochzeit, und iſt an die Verliebten gerichtet: Jſt Lieb’ und Freund ſchafft nur nach Worten auszumeſſen, So waͤre dieſer Raum vor meinen Wunſch zu klein, So wuͤrd’ ein groſſes Buch auch noch zu wenig ſeyn. Was uͤberbliebe mir? Doch bleib’ ich unterdeſſen Der Pflicht, die mich an euch verbunden, unvergeſſen. Denn eure Liebe ſteht in Wercken nur allein, Nicht in der Woͤrter-Pracht, nur da ein bloſſer Schein, So iſt mir Pflicht und Wunſch im Munde nicht geſeſſen. Was hilfft der Woͤrter-Tand, ſtimmt nicht das Hertze bey? Jch wuͤnſche, daß bey euch kein Wunſch von noͤthen ſey. Das wuͤnſchet Hertz und Mund: O daß der Wunſch bekleibe, Nicht tieffer wurtzelt er, nicht hoͤher hebt er ſich. Nehmt diß, ihr Lieben, hin, und denckt darbey, daß ich, Wie ihr mehr thut, als ſagt, viel mehr gedenck’ als ſchreibe. 26. Was iſt nach den Sonnetten zu betrachten? Die Epigrammata, welche auch Uberſchrifften, Bey-

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Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/86>, abgerufen am 19.04.2024.