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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.

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Vorwort.

Es wurde wohl kaum noch irgend einem Zweige der modernen Technik
ein so allgemeines und reges Interesse auch von Seite der Laien-
welt entgegengebracht, wie der Elektrotechnik. Allerdings grenzt das,
was durch sie ermöglicht wird, zum Theile an das Unbegreifliche,
an's Märchenhafte; oder hätte vielleicht nicht Jeder noch vor wenigen Jahren
den Gedanken: "die menschliche Sprache mit Blitzesschnelle einige hundert
Meilen weit zu übertragen", d. h. das Telephon zu erfinden, für die Idee
eines Wahnsinnigen gehalten? Hätte man nicht die Uebertragung mechanischer
Kraft durch den elektrischen Strom für ein Märchen erklärt? Hielt man nicht
noch vor verhältnißmäßig kurzer Zeit die Glühlichtlampe und das Telephon
für amerikanischen Humbug? -- Mit unwiderstehlicher Gewalt drehen die
herabstürzenden Wassermassen mächtige Räder oder Turbinen; diese setzen
unsere elektrischen Maschinen in Bewegung, durch welche die Kraft des Wasser-
falles in Elektricität umgewandelt wird. Um diese weiter zu leiten, bedarf man
keiner großen Canäle, keiner theuren Röhrenleitungen -- ein einfacher Draht
genügt. Und so fließt unmerkbar und doch blitzschnell die rohe Wasserkraft,
gebändigt durch die Elektricität, dahin über Berg und Thal, bis sie an jenem
Orte angelangt ist, wo man ihrer bedarf. Hier giebt sie ihre Bändigerin
wieder frei und nun treibt sie die Maschinen einer ganzen Fabrik. Und ist sie
dort etwa nur im Stande, ein Rad, eine Welle oder eine Maschine zu drehen,
wie der Wasserfall, dem sie ihr Entstehen verdankt? Keineswegs; wir brauchen
nur das entsprechende Werkzeug hinzulegen und die Kraft des herabstürzenden
Wassers leuchtet sonnenhell auf im Voltabogen oder verrichtet in der Zersetzungs-
zelle die Arbeit des Chemikers oder Hüttenmannes. Der, einem Irrlichte gleich,
geisterhaft sich bewegende Lichtschein in der Kabelstation kündet der alten Welt,


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Vorwort.

Es wurde wohl kaum noch irgend einem Zweige der modernen Technik
ein ſo allgemeines und reges Intereſſe auch von Seite der Laien-
welt entgegengebracht, wie der Elektrotechnik. Allerdings grenzt das,
was durch ſie ermöglicht wird, zum Theile an das Unbegreifliche,
an’s Märchenhafte; oder hätte vielleicht nicht Jeder noch vor wenigen Jahren
den Gedanken: „die menſchliche Sprache mit Blitzesſchnelle einige hundert
Meilen weit zu übertragen“, d. h. das Telephon zu erfinden, für die Idee
eines Wahnſinnigen gehalten? Hätte man nicht die Uebertragung mechaniſcher
Kraft durch den elektriſchen Strom für ein Märchen erklärt? Hielt man nicht
noch vor verhältnißmäßig kurzer Zeit die Glühlichtlampe und das Telephon
für amerikaniſchen Humbug? — Mit unwiderſtehlicher Gewalt drehen die
herabſtürzenden Waſſermaſſen mächtige Räder oder Turbinen; dieſe ſetzen
unſere elektriſchen Maſchinen in Bewegung, durch welche die Kraft des Waſſer-
falles in Elektricität umgewandelt wird. Um dieſe weiter zu leiten, bedarf man
keiner großen Canäle, keiner theuren Röhrenleitungen — ein einfacher Draht
genügt. Und ſo fließt unmerkbar und doch blitzſchnell die rohe Waſſerkraft,
gebändigt durch die Elektricität, dahin über Berg und Thal, bis ſie an jenem
Orte angelangt iſt, wo man ihrer bedarf. Hier giebt ſie ihre Bändigerin
wieder frei und nun treibt ſie die Maſchinen einer ganzen Fabrik. Und iſt ſie
dort etwa nur im Stande, ein Rad, eine Welle oder eine Maſchine zu drehen,
wie der Waſſerfall, dem ſie ihr Entſtehen verdankt? Keineswegs; wir brauchen
nur das entſprechende Werkzeug hinzulegen und die Kraft des herabſtürzenden
Waſſers leuchtet ſonnenhell auf im Voltabogen oder verrichtet in der Zerſetzungs-
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[[V]/0009] [Abbildung] Vorwort. Es wurde wohl kaum noch irgend einem Zweige der modernen Technik ein ſo allgemeines und reges Intereſſe auch von Seite der Laien- welt entgegengebracht, wie der Elektrotechnik. Allerdings grenzt das, was durch ſie ermöglicht wird, zum Theile an das Unbegreifliche, an’s Märchenhafte; oder hätte vielleicht nicht Jeder noch vor wenigen Jahren den Gedanken: „die menſchliche Sprache mit Blitzesſchnelle einige hundert Meilen weit zu übertragen“, d. h. das Telephon zu erfinden, für die Idee eines Wahnſinnigen gehalten? Hätte man nicht die Uebertragung mechaniſcher Kraft durch den elektriſchen Strom für ein Märchen erklärt? Hielt man nicht noch vor verhältnißmäßig kurzer Zeit die Glühlichtlampe und das Telephon für amerikaniſchen Humbug? — Mit unwiderſtehlicher Gewalt drehen die herabſtürzenden Waſſermaſſen mächtige Räder oder Turbinen; dieſe ſetzen unſere elektriſchen Maſchinen in Bewegung, durch welche die Kraft des Waſſer- falles in Elektricität umgewandelt wird. Um dieſe weiter zu leiten, bedarf man keiner großen Canäle, keiner theuren Röhrenleitungen — ein einfacher Draht genügt. Und ſo fließt unmerkbar und doch blitzſchnell die rohe Waſſerkraft, gebändigt durch die Elektricität, dahin über Berg und Thal, bis ſie an jenem Orte angelangt iſt, wo man ihrer bedarf. Hier giebt ſie ihre Bändigerin wieder frei und nun treibt ſie die Maſchinen einer ganzen Fabrik. Und iſt ſie dort etwa nur im Stande, ein Rad, eine Welle oder eine Maſchine zu drehen, wie der Waſſerfall, dem ſie ihr Entſtehen verdankt? Keineswegs; wir brauchen nur das entſprechende Werkzeug hinzulegen und die Kraft des herabſtürzenden Waſſers leuchtet ſonnenhell auf im Voltabogen oder verrichtet in der Zerſetzungs- zelle die Arbeit des Chemikers oder Hüttenmannes. Der, einem Irrlichte gleich, geiſterhaft ſich bewegende Lichtſchein in der Kabelſtation kündet der alten Welt,

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Zitationshilfe: Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. [V]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/9>, abgerufen am 29.03.2024.