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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854.

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auch der Unterschied des Farb-Materials, des Verfahrens bei beiderlei
Fläche und in der Lehre vom Style der hiermit gegebene Unterschied der
Auffassungs- und Darstellungsweise zur Sprache kommt, was dann eine
der Grundlagen für die Eintheilung der Zweige abgibt; es zeigt sich also
schon hier, daß über die äußere Bestimmtheit an sich in der Lehre von
der Malerei sich ungleich weniger sagen läßt, als in der Lehre von der
Sculptur. Der Gegensatz des Monumentalen, wie solches im Wandge-
mälde auftritt, und des Häuslichen, wie es sich an das Staffeleibild
knüpft, ist übrigens kein absoluter. Das Staffeleibild kann in großem
Maaßstabe große Stoffe behandeln und sie im Festsaale öffentlicher Ge-
bäude dem Volke, den wechselnden Geschlechtern im monumentalen Sinne
vor Augen stellen; hat ja doch der christliche Gottesdienst für den öffent-
lichsten aller Zwecke einen Innenbau hergestellt, der in seinem geschützten
Raum, nachdem die großen Mauerflächen, die sich dem Wandgemälde
und der Mosaik darboten, weggefallen waren, der reichsten Entfaltung der
Tafelmalerei, vorzüglich am Altare, die Stätte öffnete. Umgekehrt mag
auch die Freske die Wände der Privatwohnung schmücken, wie in Pom-
peji und Herkulanum. -- Hiemit sind hier nur die wichtigsten Arten des
Materials berührt worden; sogleich an dieser Stelle bewährt sich, was zu
1. von der Mannigfaltigkeit der Darstellungsweisen gesagt ist, in welche
diese freier schaltende Kunst auseinandergeht. Auf Metall (namentlich
Kupfer), Thon (in neuerer Zeit namentlich Porzellain), Elfenbein, Leder,
Pergament, Papier, Sammt u. s. w., kann gemalt, das Gemälde kann
als Stickerei und Weberei in weichen Stoffen dargestellt werden. In
diese Vielheit einzugehen muß nun aber offenbar einer spezielleren, auf
das einzelne Gebiet sich beschränkenden Kunstlehre anheimgegeben werden;
nur allgemein ist aufzustellen, daß, je kleinere Flächen das Material mit
sich bringt, je mehr es seiner Natur nach in einem Stoffe besteht, der üb-
rigens ein Geräthe, den Ausschmückungstheil eines Raums bildet oder zu
einem solchen gehört, je vergänglicher ferner der Stoff ist, desto bestimm-
ter die freie Kunst in das blos anhängende Gebiet der Zierkunst übergeht;
was sich auf die genannten verschiedenen Materiale leicht von selbst an-
wendet. Es kommt dabei allerdings auch der Grad in Betracht, in wel-
chem der Stoff eine rein künstlerische Durchführung zuläßt; Uebertragung
in Weberei z. B. ist entschieden dem Kunstwerke schädlich, was trotz aller
Geschicklichkeit der Wirker von Arras an den Tapeten Raphael's so fühl-
bar sich aufdrängt, daß man die herrlichen Compositionen um diese Be-
stimmung bedauert.

2. Es ist bezeichnend für das innere Wesen der Malerei, daß sie den
Körper, mit welchem sie darstellt, in verschiedenen Weisen auflöst; wie
sie im höheren Sinn die Körperwelt sozusagen verdünnt, daß sie

auch der Unterſchied des Farb-Materials, des Verfahrens bei beiderlei
Fläche und in der Lehre vom Style der hiermit gegebene Unterſchied der
Auffaſſungs- und Darſtellungsweiſe zur Sprache kommt, was dann eine
der Grundlagen für die Eintheilung der Zweige abgibt; es zeigt ſich alſo
ſchon hier, daß über die äußere Beſtimmtheit an ſich in der Lehre von
der Malerei ſich ungleich weniger ſagen läßt, als in der Lehre von der
Sculptur. Der Gegenſatz des Monumentalen, wie ſolches im Wandge-
mälde auftritt, und des Häuslichen, wie es ſich an das Staffeleibild
knüpft, iſt übrigens kein abſoluter. Das Staffeleibild kann in großem
Maaßſtabe große Stoffe behandeln und ſie im Feſtſaale öffentlicher Ge-
bäude dem Volke, den wechſelnden Geſchlechtern im monumentalen Sinne
vor Augen ſtellen; hat ja doch der chriſtliche Gottesdienſt für den öffent-
lichſten aller Zwecke einen Innenbau hergeſtellt, der in ſeinem geſchützten
Raum, nachdem die großen Mauerflächen, die ſich dem Wandgemälde
und der Moſaik darboten, weggefallen waren, der reichſten Entfaltung der
Tafelmalerei, vorzüglich am Altare, die Stätte öffnete. Umgekehrt mag
auch die Freske die Wände der Privatwohnung ſchmücken, wie in Pom-
peji und Herkulanum. — Hiemit ſind hier nur die wichtigſten Arten des
Materials berührt worden; ſogleich an dieſer Stelle bewährt ſich, was zu
1. von der Mannigfaltigkeit der Darſtellungsweiſen geſagt iſt, in welche
dieſe freier ſchaltende Kunſt auseinandergeht. Auf Metall (namentlich
Kupfer), Thon (in neuerer Zeit namentlich Porzellain), Elfenbein, Leder,
Pergament, Papier, Sammt u. ſ. w., kann gemalt, das Gemälde kann
als Stickerei und Weberei in weichen Stoffen dargeſtellt werden. In
dieſe Vielheit einzugehen muß nun aber offenbar einer ſpezielleren, auf
das einzelne Gebiet ſich beſchränkenden Kunſtlehre anheimgegeben werden;
nur allgemein iſt aufzuſtellen, daß, je kleinere Flächen das Material mit
ſich bringt, je mehr es ſeiner Natur nach in einem Stoffe beſteht, der üb-
rigens ein Geräthe, den Ausſchmückungstheil eines Raums bildet oder zu
einem ſolchen gehört, je vergänglicher ferner der Stoff iſt, deſto beſtimm-
ter die freie Kunſt in das blos anhängende Gebiet der Zierkunſt übergeht;
was ſich auf die genannten verſchiedenen Materiale leicht von ſelbſt an-
wendet. Es kommt dabei allerdings auch der Grad in Betracht, in wel-
chem der Stoff eine rein künſtleriſche Durchführung zuläßt; Uebertragung
in Weberei z. B. iſt entſchieden dem Kunſtwerke ſchädlich, was trotz aller
Geſchicklichkeit der Wirker von Arras an den Tapeten Raphael’s ſo fühl-
bar ſich aufdrängt, daß man die herrlichen Compoſitionen um dieſe Be-
ſtimmung bedauert.

2. Es iſt bezeichnend für das innere Weſen der Malerei, daß ſie den
Körper, mit welchem ſie darſtellt, in verſchiedenen Weiſen auflöst; wie
ſie im höheren Sinn die Körperwelt ſozuſagen verdünnt, daß ſie

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[541/0049] auch der Unterſchied des Farb-Materials, des Verfahrens bei beiderlei Fläche und in der Lehre vom Style der hiermit gegebene Unterſchied der Auffaſſungs- und Darſtellungsweiſe zur Sprache kommt, was dann eine der Grundlagen für die Eintheilung der Zweige abgibt; es zeigt ſich alſo ſchon hier, daß über die äußere Beſtimmtheit an ſich in der Lehre von der Malerei ſich ungleich weniger ſagen läßt, als in der Lehre von der Sculptur. Der Gegenſatz des Monumentalen, wie ſolches im Wandge- mälde auftritt, und des Häuslichen, wie es ſich an das Staffeleibild knüpft, iſt übrigens kein abſoluter. Das Staffeleibild kann in großem Maaßſtabe große Stoffe behandeln und ſie im Feſtſaale öffentlicher Ge- bäude dem Volke, den wechſelnden Geſchlechtern im monumentalen Sinne vor Augen ſtellen; hat ja doch der chriſtliche Gottesdienſt für den öffent- lichſten aller Zwecke einen Innenbau hergeſtellt, der in ſeinem geſchützten Raum, nachdem die großen Mauerflächen, die ſich dem Wandgemälde und der Moſaik darboten, weggefallen waren, der reichſten Entfaltung der Tafelmalerei, vorzüglich am Altare, die Stätte öffnete. Umgekehrt mag auch die Freske die Wände der Privatwohnung ſchmücken, wie in Pom- peji und Herkulanum. — Hiemit ſind hier nur die wichtigſten Arten des Materials berührt worden; ſogleich an dieſer Stelle bewährt ſich, was zu 1. von der Mannigfaltigkeit der Darſtellungsweiſen geſagt iſt, in welche dieſe freier ſchaltende Kunſt auseinandergeht. Auf Metall (namentlich Kupfer), Thon (in neuerer Zeit namentlich Porzellain), Elfenbein, Leder, Pergament, Papier, Sammt u. ſ. w., kann gemalt, das Gemälde kann als Stickerei und Weberei in weichen Stoffen dargeſtellt werden. In dieſe Vielheit einzugehen muß nun aber offenbar einer ſpezielleren, auf das einzelne Gebiet ſich beſchränkenden Kunſtlehre anheimgegeben werden; nur allgemein iſt aufzuſtellen, daß, je kleinere Flächen das Material mit ſich bringt, je mehr es ſeiner Natur nach in einem Stoffe beſteht, der üb- rigens ein Geräthe, den Ausſchmückungstheil eines Raums bildet oder zu einem ſolchen gehört, je vergänglicher ferner der Stoff iſt, deſto beſtimm- ter die freie Kunſt in das blos anhängende Gebiet der Zierkunſt übergeht; was ſich auf die genannten verſchiedenen Materiale leicht von ſelbſt an- wendet. Es kommt dabei allerdings auch der Grad in Betracht, in wel- chem der Stoff eine rein künſtleriſche Durchführung zuläßt; Uebertragung in Weberei z. B. iſt entſchieden dem Kunſtwerke ſchädlich, was trotz aller Geſchicklichkeit der Wirker von Arras an den Tapeten Raphael’s ſo fühl- bar ſich aufdrängt, daß man die herrlichen Compoſitionen um dieſe Be- ſtimmung bedauert. 2. Es iſt bezeichnend für das innere Weſen der Malerei, daß ſie den Körper, mit welchem ſie darſtellt, in verſchiedenen Weiſen auflöst; wie ſie im höheren Sinn die Körperwelt ſozuſagen verdünnt, daß ſie

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030203_1854/49>, abgerufen am 28.03.2024.