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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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Borsten ein in der Schnabelscheide verborgenes Stilett, womit die
meisten dieser Insekten empfindlich stechen. Am Anfange der Schnabel-
scheide liegt über dem Beginne der Hohlrinne eine schmale, zungenför-
mige Decke -- die Oberlippe -- so daß also der Schnabel aus
den Hauptmundwerkzeugen, Oberlippe, zwei Kieferpaaren und Unter-
lippe, freilich in fast unkenntlicher Weise modificirt und aller Taster
beraubt, zusammengesetzt ist. -- Die Fühler sind meist fadenförmig,
sonst aber sehr wechselnd; die Augen klein, rundlich, vorstehend;
Nebenaugen fehlen oft.

Die Flügel sind sehr verschieden. Meist in der Vierzahl vor-
handen, zeigen sich die Vorderflügel bald

[Abbildung] Fig. 678.

Pentatoma mit ausgestreckten Flügeln,
um besonders das Rückenschildchen
und die halb lederartigen Vorder-
flügel zu zeigen.

ganz, bald theilweise hornig und dann
mit einem häutigen, geaderten Theile ver-
sehen; bei andern wieder lederartig, eben-
falls nur zum Theile; bei noch andern
gänzlich den Unterflügeln im Baue gleich.
Diese letzteren sind meist kleiner als die
in der Ruhe sich kreuzenden Oberflügel,
glashell und mit Netzadern versehen. Die
Brust zeigt meist ein deutliches Halsschild
und oft ist zwischen den Flügeln noch ein mehr
oder weniger großes Rückenschildchen
(Scutellum) ausgebildet. Bei den meisten
finden sich Gangfüße, aber nie mit mehr als drei Tarsalgliedern;
bei einigen sind die Vorderbeine zu Raubfüßen, oder die Hinterbeine
zu Schwimmfüßen umgestaltet.

In anatomischer Hinsicht zeichnen sich die Schnabelkerfe durch fol-
gende Eigenthümlichkeiten aus: Meist finden sich nur zwei Brust-
knoten
, von denen der hintere der größere ist und die oft getrennten
Seitenstränge des Bauchmarkes sendet, das bei einigen Landwanzen
fast in eine einzige Masse verschmolzen ist. Der Schlund ist meistens
eng, der Chylusmagen dagegen sehr weit und vielfach gewunden
und in mehrere Abschnitte getheilt: in einen drüsigen Vormagen, einen
darmartigen Mittelmagen, der sich schlingenartig zurückbiegt und sogar
bei den Zirpen unter der Muskelhaut des Vormagens eine Strecke
lang verläuft, und einen gewundenen Hintermagen, in den zuweilen
Blindschläuche einmünden. Der Darm selbst ist meist kurz, birnför-
mig. Die Speicheldrüsen, welche den Blattläusen fehlen, sind bei
den übrigen Schnabelkerfen sehr groß, in zwei Abtheilungen getrennt

Borſten ein in der Schnabelſcheide verborgenes Stilett, womit die
meiſten dieſer Inſekten empfindlich ſtechen. Am Anfange der Schnabel-
ſcheide liegt über dem Beginne der Hohlrinne eine ſchmale, zungenför-
mige Decke — die Oberlippe — ſo daß alſo der Schnabel aus
den Hauptmundwerkzeugen, Oberlippe, zwei Kieferpaaren und Unter-
lippe, freilich in faſt unkenntlicher Weiſe modificirt und aller Taſter
beraubt, zuſammengeſetzt iſt. — Die Fühler ſind meiſt fadenförmig,
ſonſt aber ſehr wechſelnd; die Augen klein, rundlich, vorſtehend;
Nebenaugen fehlen oft.

Die Flügel ſind ſehr verſchieden. Meiſt in der Vierzahl vor-
handen, zeigen ſich die Vorderflügel bald

[Abbildung] Fig. 678.

Pentatoma mit ausgeſtreckten Flügeln,
um beſonders das Rückenſchildchen
und die halb lederartigen Vorder-
flügel zu zeigen.

ganz, bald theilweiſe hornig und dann
mit einem häutigen, geaderten Theile ver-
ſehen; bei andern wieder lederartig, eben-
falls nur zum Theile; bei noch andern
gänzlich den Unterflügeln im Baue gleich.
Dieſe letzteren ſind meiſt kleiner als die
in der Ruhe ſich kreuzenden Oberflügel,
glashell und mit Netzadern verſehen. Die
Bruſt zeigt meiſt ein deutliches Halsſchild
und oft iſt zwiſchen den Flügeln noch ein mehr
oder weniger großes Rückenſchildchen
(Scutellum) ausgebildet. Bei den meiſten
finden ſich Gangfüße, aber nie mit mehr als drei Tarſalgliedern;
bei einigen ſind die Vorderbeine zu Raubfüßen, oder die Hinterbeine
zu Schwimmfüßen umgeſtaltet.

In anatomiſcher Hinſicht zeichnen ſich die Schnabelkerfe durch fol-
gende Eigenthümlichkeiten aus: Meiſt finden ſich nur zwei Bruſt-
knoten
, von denen der hintere der größere iſt und die oft getrennten
Seitenſtränge des Bauchmarkes ſendet, das bei einigen Landwanzen
faſt in eine einzige Maſſe verſchmolzen iſt. Der Schlund iſt meiſtens
eng, der Chylusmagen dagegen ſehr weit und vielfach gewunden
und in mehrere Abſchnitte getheilt: in einen drüſigen Vormagen, einen
darmartigen Mittelmagen, der ſich ſchlingenartig zurückbiegt und ſogar
bei den Zirpen unter der Muskelhaut des Vormagens eine Strecke
lang verläuft, und einen gewundenen Hintermagen, in den zuweilen
Blindſchläuche einmünden. Der Darm ſelbſt iſt meiſt kurz, birnför-
mig. Die Speicheldrüſen, welche den Blattläuſen fehlen, ſind bei
den übrigen Schnabelkerfen ſehr groß, in zwei Abtheilungen getrennt

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[565/0571] Borſten ein in der Schnabelſcheide verborgenes Stilett, womit die meiſten dieſer Inſekten empfindlich ſtechen. Am Anfange der Schnabel- ſcheide liegt über dem Beginne der Hohlrinne eine ſchmale, zungenför- mige Decke — die Oberlippe — ſo daß alſo der Schnabel aus den Hauptmundwerkzeugen, Oberlippe, zwei Kieferpaaren und Unter- lippe, freilich in faſt unkenntlicher Weiſe modificirt und aller Taſter beraubt, zuſammengeſetzt iſt. — Die Fühler ſind meiſt fadenförmig, ſonſt aber ſehr wechſelnd; die Augen klein, rundlich, vorſtehend; Nebenaugen fehlen oft. Die Flügel ſind ſehr verſchieden. Meiſt in der Vierzahl vor- handen, zeigen ſich die Vorderflügel bald [Abbildung Fig. 678. Pentatoma mit ausgeſtreckten Flügeln, um beſonders das Rückenſchildchen und die halb lederartigen Vorder- flügel zu zeigen.] ganz, bald theilweiſe hornig und dann mit einem häutigen, geaderten Theile ver- ſehen; bei andern wieder lederartig, eben- falls nur zum Theile; bei noch andern gänzlich den Unterflügeln im Baue gleich. Dieſe letzteren ſind meiſt kleiner als die in der Ruhe ſich kreuzenden Oberflügel, glashell und mit Netzadern verſehen. Die Bruſt zeigt meiſt ein deutliches Halsſchild und oft iſt zwiſchen den Flügeln noch ein mehr oder weniger großes Rückenſchildchen (Scutellum) ausgebildet. Bei den meiſten finden ſich Gangfüße, aber nie mit mehr als drei Tarſalgliedern; bei einigen ſind die Vorderbeine zu Raubfüßen, oder die Hinterbeine zu Schwimmfüßen umgeſtaltet. In anatomiſcher Hinſicht zeichnen ſich die Schnabelkerfe durch fol- gende Eigenthümlichkeiten aus: Meiſt finden ſich nur zwei Bruſt- knoten, von denen der hintere der größere iſt und die oft getrennten Seitenſtränge des Bauchmarkes ſendet, das bei einigen Landwanzen faſt in eine einzige Maſſe verſchmolzen iſt. Der Schlund iſt meiſtens eng, der Chylusmagen dagegen ſehr weit und vielfach gewunden und in mehrere Abſchnitte getheilt: in einen drüſigen Vormagen, einen darmartigen Mittelmagen, der ſich ſchlingenartig zurückbiegt und ſogar bei den Zirpen unter der Muskelhaut des Vormagens eine Strecke lang verläuft, und einen gewundenen Hintermagen, in den zuweilen Blindſchläuche einmünden. Der Darm ſelbſt iſt meiſt kurz, birnför- mig. Die Speicheldrüſen, welche den Blattläuſen fehlen, ſind bei den übrigen Schnabelkerfen ſehr groß, in zwei Abtheilungen getrennt

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/571>, abgerufen am 19.04.2024.