Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

Bild:
<< vorherige Seite
Vom Unterschied Das II.

§. 6. Noch viel genauer aber/ ja zum allergenauesten und ei-
gentlichesten/ werden die Menschen im gemeinen Wesen mit den Zahlen
vorgestellet/ wann sie beyderseits nach ihrer künstlichen Art/ nemlich
die Zahlen nach der notionalischen und blossen Verstands-Verfassung/
die Menschen aber nach der Moralischen und Willens-Verfassung/
betrachtet werden/ welche Art der Mensch/ so wenig als die Zahlen/
von Natur hat/ sondern/ gleichwie die Zahlen solche sonderbahre zu-
sammenhengende/ doch gelencksame/ Art alsdann erst angenommen/
als sie Glieder der künstlichen Arithmetischen Welt und Notionalischen
Gemeinschafft sind worden/ da sie vorhero vor und an sich zerstreuete
(discreti) gantz unzusammenhengende Dinge gewesen: also hat der
vorhin zerstreut also lebende Mensch diese Moralische zusammenhen-
gende/ doch gelencksame/ Art bekommen/ als er ein Glied der Morali-
schen Welt unter dem Nahmen einer Person/ oder eines Mit-Bür-
gers worden/ entweder stillschweigend/ durch seine Geburt/ dadurch er
in die Republiq/ darinnen seine Eltern sich befunden/ sich begeben zu-
haben und angenommen zu seyn/ davor gehalten werden muß: oder aus-
drückich/ wann er bey seinem Verstand/ und ausser eines andern Leib-
eigenschafft/ (welche zwar bey den Christen unter einander/ nicht wie vor
diesen bey den Römern/ oder noch heute bey den Barbarn/ gebräuch-
lich) sich in eine Republiq als ein Mitglied begiebet und anneh-
men läst.

§. 7. Bey Bestellung und Anordnung einer solchen Republiq/
und bey Setzung des darinnen benöthigten Moralischen Unterscheids
derer Personen/ gehet es nun eigentlich daher/ wie bey Bestellung und
Anordnung der Rechenkunst/ und bey Setzung des darinnen benöthig-
ten Notionalischen Unterscheides der Zahlen und Ziffern/ aus wel-
chen man in Moralischen Dingen den überaus grossen Nutz der Arith-
metic als aus seinen Ursprung sonnenclar abnehmen und verspüh-
ren kan.

§. 8. Denn gleichwie die Zahlen von Natur nichts anders
sind/ als eins und eins und eins und eins und so fortan; durch den
absonderenden Verstand aber werden etliche zusammen genommen/
und in Gesellschafft auff einmahl außgesprochen/ als zum Exempel
zwey/ das ist eins und eins; hernach drey/ das ist eins und eins und
eins: hierauff vier/ das ist eins und eins und eins und eins/ etc. Also

sind
Vom Unterſchied Das II.

§. 6. Noch viel genauer aber/ ja zum allergenaueſten und ei-
gentlicheſten/ werden die Menſchen im gemeinen Weſen mit den Zahlen
vorgeſtellet/ wann ſie beyderſeits nach ihrer kuͤnſtlichen Art/ nemlich
die Zahlen nach der notionaliſchen und bloſſen Verſtands-Verfaſſung/
die Menſchen aber nach der Moraliſchen und Willens-Verfaſſung/
betrachtet werden/ welche Art der Menſch/ ſo wenig als die Zahlen/
von Natur hat/ ſondern/ gleichwie die Zahlen ſolche ſonderbahre zu-
ſammenhengende/ doch gelenckſame/ Art alsdann erſt angenommen/
als ſie Glieder der kuͤnſtlichen Arithmetiſchen Welt und Notionaliſchen
Gemeinſchafft ſind worden/ da ſie vorhero vor und an ſich zerſtreuete
(diſcreti) gantz unzuſammenhengende Dinge geweſen: alſo hat der
vorhin zerſtreut alſo lebende Menſch dieſe Moraliſche zuſammenhen-
gende/ doch gelenckſame/ Art bekommen/ als er ein Glied der Morali-
ſchen Welt unter dem Nahmen einer Perſon/ oder eines Mit-Buͤr-
gers worden/ entweder ſtillſchweigend/ durch ſeine Geburt/ dadurch er
in die Republiq/ darinnen ſeine Eltern ſich befunden/ ſich begeben zu-
haben und angenommen zu ſeyn/ davor gehalten werden muß: oder aus-
druͤckich/ wann er bey ſeinem Verſtand/ und auſſer eines andern Leib-
eigenſchafft/ (welche zwar bey den Chriſten unter einander/ nicht wie vor
dieſen bey den Roͤmern/ oder noch heute bey den Barbarn/ gebraͤuch-
lich) ſich in eine Republiq als ein Mitglied begiebet und anneh-
men laͤſt.

§. 7. Bey Beſtellung und Anordnung einer ſolchen Republiq/
und bey Setzung des darinnen benoͤthigten Moraliſchen Unterſcheids
derer Perſonen/ gehet es nun eigentlich daher/ wie bey Beſtellung und
Anordnung der Rechenkunſt/ und bey Setzung des darinnen benoͤthig-
ten Notionaliſchen Unterſcheides der Zahlen und Ziffern/ aus wel-
chen man in Moraliſchen Dingen den uͤberaus groſſen Nutz der Arith-
metic als aus ſeinen Urſprung ſonnenclar abnehmen und verſpuͤh-
ren kan.

§. 8. Denn gleichwie die Zahlen von Natur nichts anders
ſind/ als eins und eins und eins und eins und ſo fortan; durch den
abſonderenden Verſtand aber werden etliche zuſammen genommen/
und in Geſellſchafft auff einmahl außgeſprochen/ als zum Exempel
zwey/ das iſt eins und eins; hernach drey/ das iſt eins und eins und
eins: hierauff vier/ das iſt eins und eins und eins und eins/ ꝛc. Alſo

ſind
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0022" n="12"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vom Unter&#x017F;chied Das <hi rendition="#aq">II.</hi></hi> </fw><lb/>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 6. Noch viel genauer aber/ ja zum allergenaue&#x017F;ten und ei-<lb/>
gentliche&#x017F;ten/ werden die Men&#x017F;chen im gemeinen We&#x017F;en mit den Zahlen<lb/>
vorge&#x017F;tellet/ wann &#x017F;ie beyder&#x017F;eits nach ihrer ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Art/ nemlich<lb/>
die Zahlen nach der notionali&#x017F;chen und blo&#x017F;&#x017F;en Ver&#x017F;tands-Verfa&#x017F;&#x017F;ung/<lb/>
die Men&#x017F;chen aber nach der Morali&#x017F;chen und Willens-Verfa&#x017F;&#x017F;ung/<lb/>
betrachtet werden/ welche Art der Men&#x017F;ch/ &#x017F;o wenig als die Zahlen/<lb/>
von Natur hat/ &#x017F;ondern/ gleichwie die Zahlen &#x017F;olche &#x017F;onderbahre zu-<lb/>
&#x017F;ammenhengende/ doch gelenck&#x017F;ame/ Art alsdann er&#x017F;t angenommen/<lb/>
als &#x017F;ie Glieder der ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Arithmeti&#x017F;chen Welt und Notionali&#x017F;chen<lb/>
Gemein&#x017F;chafft &#x017F;ind worden/ da &#x017F;ie vorhero vor und an &#x017F;ich zer&#x017F;treuete<lb/><hi rendition="#aq">(di&#x017F;creti)</hi> gantz unzu&#x017F;ammenhengende Dinge gewe&#x017F;en: al&#x017F;o hat der<lb/>
vorhin zer&#x017F;treut al&#x017F;o lebende Men&#x017F;ch die&#x017F;e Morali&#x017F;che zu&#x017F;ammenhen-<lb/>
gende/ doch gelenck&#x017F;ame/ Art bekommen/ als er ein Glied der Morali-<lb/>
&#x017F;chen Welt unter dem Nahmen einer <hi rendition="#fr">Per&#x017F;on/</hi> oder eines Mit-Bu&#x0364;r-<lb/>
gers worden/ entweder &#x017F;till&#x017F;chweigend/ durch &#x017F;eine Geburt/ dadurch er<lb/>
in die Republiq/ darinnen &#x017F;eine Eltern &#x017F;ich befunden/ &#x017F;ich begeben zu-<lb/>
haben und angenommen zu &#x017F;eyn/ davor gehalten werden muß: oder aus-<lb/>
dru&#x0364;ckich/ wann er bey &#x017F;einem Ver&#x017F;tand/ und au&#x017F;&#x017F;er eines andern Leib-<lb/>
eigen&#x017F;chafft/ (welche zwar bey den Chri&#x017F;ten unter einander/ nicht wie vor<lb/>
die&#x017F;en bey den Ro&#x0364;mern/ oder noch heute bey den Barbarn/ gebra&#x0364;uch-<lb/>
lich) &#x017F;ich in eine Republiq als ein Mitglied begiebet und anneh-<lb/>
men la&#x0364;&#x017F;t.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 7. Bey Be&#x017F;tellung und Anordnung einer &#x017F;olchen Republiq/<lb/>
und bey Setzung des darinnen beno&#x0364;thigten Morali&#x017F;chen Unter&#x017F;cheids<lb/>
derer Per&#x017F;onen/ gehet es nun eigentlich daher/ wie bey Be&#x017F;tellung und<lb/>
Anordnung der Rechenkun&#x017F;t/ und bey Setzung des darinnen beno&#x0364;thig-<lb/>
ten Notionali&#x017F;chen Unter&#x017F;cheides der Zahlen und Ziffern/ aus wel-<lb/>
chen man in Morali&#x017F;chen Dingen den u&#x0364;beraus gro&#x017F;&#x017F;en Nutz der Arith-<lb/>
metic als aus &#x017F;einen Ur&#x017F;prung &#x017F;onnenclar abnehmen und ver&#x017F;pu&#x0364;h-<lb/>
ren kan.</p><lb/>
          <p>§. 8. Denn gleichwie die Zahlen von Natur nichts anders<lb/>
&#x017F;ind/ als <hi rendition="#fr">eins</hi> und <hi rendition="#fr">eins</hi> und <hi rendition="#fr">eins</hi> und <hi rendition="#fr">eins</hi> und &#x017F;o fortan; durch den<lb/>
ab&#x017F;onderenden Ver&#x017F;tand aber werden etliche zu&#x017F;ammen genommen/<lb/>
und in Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft auff einmahl außge&#x017F;prochen/ als zum Exempel<lb/><hi rendition="#fr">zwey/</hi> das i&#x017F;t eins und eins; hernach <hi rendition="#fr">drey/</hi> das i&#x017F;t eins und eins und<lb/>
eins: hierauff <hi rendition="#fr">vier/</hi> das i&#x017F;t eins und eins und eins und eins/ &#xA75B;c. Al&#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ind</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0022] Vom Unterſchied Das II. §. 6. Noch viel genauer aber/ ja zum allergenaueſten und ei- gentlicheſten/ werden die Menſchen im gemeinen Weſen mit den Zahlen vorgeſtellet/ wann ſie beyderſeits nach ihrer kuͤnſtlichen Art/ nemlich die Zahlen nach der notionaliſchen und bloſſen Verſtands-Verfaſſung/ die Menſchen aber nach der Moraliſchen und Willens-Verfaſſung/ betrachtet werden/ welche Art der Menſch/ ſo wenig als die Zahlen/ von Natur hat/ ſondern/ gleichwie die Zahlen ſolche ſonderbahre zu- ſammenhengende/ doch gelenckſame/ Art alsdann erſt angenommen/ als ſie Glieder der kuͤnſtlichen Arithmetiſchen Welt und Notionaliſchen Gemeinſchafft ſind worden/ da ſie vorhero vor und an ſich zerſtreuete (diſcreti) gantz unzuſammenhengende Dinge geweſen: alſo hat der vorhin zerſtreut alſo lebende Menſch dieſe Moraliſche zuſammenhen- gende/ doch gelenckſame/ Art bekommen/ als er ein Glied der Morali- ſchen Welt unter dem Nahmen einer Perſon/ oder eines Mit-Buͤr- gers worden/ entweder ſtillſchweigend/ durch ſeine Geburt/ dadurch er in die Republiq/ darinnen ſeine Eltern ſich befunden/ ſich begeben zu- haben und angenommen zu ſeyn/ davor gehalten werden muß: oder aus- druͤckich/ wann er bey ſeinem Verſtand/ und auſſer eines andern Leib- eigenſchafft/ (welche zwar bey den Chriſten unter einander/ nicht wie vor dieſen bey den Roͤmern/ oder noch heute bey den Barbarn/ gebraͤuch- lich) ſich in eine Republiq als ein Mitglied begiebet und anneh- men laͤſt. §. 7. Bey Beſtellung und Anordnung einer ſolchen Republiq/ und bey Setzung des darinnen benoͤthigten Moraliſchen Unterſcheids derer Perſonen/ gehet es nun eigentlich daher/ wie bey Beſtellung und Anordnung der Rechenkunſt/ und bey Setzung des darinnen benoͤthig- ten Notionaliſchen Unterſcheides der Zahlen und Ziffern/ aus wel- chen man in Moraliſchen Dingen den uͤberaus groſſen Nutz der Arith- metic als aus ſeinen Urſprung ſonnenclar abnehmen und verſpuͤh- ren kan. §. 8. Denn gleichwie die Zahlen von Natur nichts anders ſind/ als eins und eins und eins und eins und ſo fortan; durch den abſonderenden Verſtand aber werden etliche zuſammen genommen/ und in Geſellſchafft auff einmahl außgeſprochen/ als zum Exempel zwey/ das iſt eins und eins; hernach drey/ das iſt eins und eins und eins: hierauff vier/ das iſt eins und eins und eins und eins/ ꝛc. Alſo ſind

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/22
Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/22>, abgerufen am 16.04.2024.