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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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nen Bilde der Humanität, und wie selten kann
man beim Anblick des Wirkens der in diesen und
durch diese Disziplinen ausgebildeten Männer
freudig ausrufen, hier ist ein Charakter, der rein
und freudig im Geiste seines Volks und im Hö¬
heren der Menschheit ruht, ein individueller Mensch,
der natürlich und aus dem Grunde lebt, der die
Wissenschaft, die Kunst und Alles, was er treibt,
nicht auf angelernte Weise handwerksmäßig treibt,
sondern mit innerem Drang, mit eigenem Den¬
ken und nach selbstgemachten Erfahrungen, ein
Geist, dessen charakterischer Zug es eben ist, die
Bahn, die Art und Weise seiner Thätigkeit sich
weder von außen aufdringen zu lassen, noch sich
selber mit Willkühr zu setzen, sondern mit klarer
Besonnenheit zu wählen. An der Bildung eines
solchen Mannes, meine Herren, mag vielleicht die
letzte Feile fehlen, seiner geistigen Gestaltung, sei¬
ner leiblichen Erscheinung noch Manches abgehen,
was der Grieche des Perikles, der auf jeden Zug,
auf jedes Wort, auf jede Bewegung achtete, Sorg¬
falt verwandte, was der ungern vermißt hätte, es
mag ihm noch nicht der rechte Sinn aufgegangen
sein für die tiefe Bedeutsamkeit der äußeren schö¬
nen Form, für die himmlische Blüthe des Gei¬
stes, für den reinen Abdruck der innern Harmo¬
nie, es mag ihm Sinn und Gemüth noch nicht

nen Bilde der Humanitaͤt, und wie ſelten kann
man beim Anblick des Wirkens der in dieſen und
durch dieſe Disziplinen ausgebildeten Maͤnner
freudig ausrufen, hier iſt ein Charakter, der rein
und freudig im Geiſte ſeines Volks und im Hoͤ¬
heren der Menſchheit ruht, ein individueller Menſch,
der natuͤrlich und aus dem Grunde lebt, der die
Wiſſenſchaft, die Kunſt und Alles, was er treibt,
nicht auf angelernte Weiſe handwerksmaͤßig treibt,
ſondern mit innerem Drang, mit eigenem Den¬
ken und nach ſelbſtgemachten Erfahrungen, ein
Geiſt, deſſen charakteriſcher Zug es eben iſt, die
Bahn, die Art und Weiſe ſeiner Thaͤtigkeit ſich
weder von außen aufdringen zu laſſen, noch ſich
ſelber mit Willkuͤhr zu ſetzen, ſondern mit klarer
Beſonnenheit zu waͤhlen. An der Bildung eines
ſolchen Mannes, meine Herren, mag vielleicht die
letzte Feile fehlen, ſeiner geiſtigen Geſtaltung, ſei¬
ner leiblichen Erſcheinung noch Manches abgehen,
was der Grieche des Perikles, der auf jeden Zug,
auf jedes Wort, auf jede Bewegung achtete, Sorg¬
falt verwandte, was der ungern vermißt haͤtte, es
mag ihm noch nicht der rechte Sinn aufgegangen
ſein fuͤr die tiefe Bedeutſamkeit der aͤußeren ſchoͤ¬
nen Form, fuͤr die himmliſche Bluͤthe des Gei¬
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[16/0030] nen Bilde der Humanitaͤt, und wie ſelten kann man beim Anblick des Wirkens der in dieſen und durch dieſe Disziplinen ausgebildeten Maͤnner freudig ausrufen, hier iſt ein Charakter, der rein und freudig im Geiſte ſeines Volks und im Hoͤ¬ heren der Menſchheit ruht, ein individueller Menſch, der natuͤrlich und aus dem Grunde lebt, der die Wiſſenſchaft, die Kunſt und Alles, was er treibt, nicht auf angelernte Weiſe handwerksmaͤßig treibt, ſondern mit innerem Drang, mit eigenem Den¬ ken und nach ſelbſtgemachten Erfahrungen, ein Geiſt, deſſen charakteriſcher Zug es eben iſt, die Bahn, die Art und Weiſe ſeiner Thaͤtigkeit ſich weder von außen aufdringen zu laſſen, noch ſich ſelber mit Willkuͤhr zu ſetzen, ſondern mit klarer Beſonnenheit zu waͤhlen. An der Bildung eines ſolchen Mannes, meine Herren, mag vielleicht die letzte Feile fehlen, ſeiner geiſtigen Geſtaltung, ſei¬ ner leiblichen Erſcheinung noch Manches abgehen, was der Grieche des Perikles, der auf jeden Zug, auf jedes Wort, auf jede Bewegung achtete, Sorg¬ falt verwandte, was der ungern vermißt haͤtte, es mag ihm noch nicht der rechte Sinn aufgegangen ſein fuͤr die tiefe Bedeutſamkeit der aͤußeren ſchoͤ¬ nen Form, fuͤr die himmliſche Bluͤthe des Gei¬ ſtes, fuͤr den reinen Abdruck der innern Harmo¬ nie, es mag ihm Sinn und Gemuͤth noch nicht

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/30>, abgerufen am 19.04.2024.