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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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Schönpflästerchen nannte, und die Damen ihre
Hüften mit ungeheuern Reifbändern umgaben, wo
das Volk sich in die Pfütze warf, wenn abge¬
schmackte goldene Karossen mit betreßten und be¬
zopften Hanswürsten hinterm Kutschenschlag vor¬
überrasselten, wo im ausbrechenden Kriege die Ge¬
nerale und Kondottieris mit einander Schach spiel¬
ten, moderne Helden, die durch Maitressen eben
so oft ihre Stelle erhielten, als verloren und noch
öfter die Feldzugspläne aus dem Schlafgemach des
Königs ins Lager mitnahmen. Wie war zu die¬
ser Zeit eine schöne Natur möglich in Frankreich,
oder gar in Deutschland, wo man sich der plum¬
pesten Nachahmung des französischen Unsinnes hin¬
gab. Wie war zu dieser Zeit ein Künstler, ein
Dichter möglich und nun gar ein Aesthetiker, der
doch der Schönheit, der Kunst, der Poesie, nicht
gesetzgeberisch vorauf, sondern gesetzempfangend
hintennach geht. Sie werden vom Abbe Bat¬
teux
gehört haben. Sein unique principe des
belles lettres
war einmal ein europäisch berühm¬
tes Werk der Aesthetik und Rammler hat es in
vier deutsche Bände gebracht. Dieser Abbe nannte
die Nachahmung der Natur und zwar der schönen
Natur, das einzige große ästhetische Prinzip, das
den Arbeiten des Geschmackes zu Grunde gelegt
werden müsse. Lesen Sie das Werk eines sonst

Wienbarg, ästhet. Feldz. 6

Schoͤnpflaͤſterchen nannte, und die Damen ihre
Huͤften mit ungeheuern Reifbaͤndern umgaben, wo
das Volk ſich in die Pfuͤtze warf, wenn abge¬
ſchmackte goldene Karoſſen mit betreßten und be¬
zopften Hanswuͤrſten hinterm Kutſchenſchlag vor¬
uͤberraſſelten, wo im ausbrechenden Kriege die Ge¬
nerale und Kondottieris mit einander Schach ſpiel¬
ten, moderne Helden, die durch Maitreſſen eben
ſo oft ihre Stelle erhielten, als verloren und noch
oͤfter die Feldzugsplaͤne aus dem Schlafgemach des
Koͤnigs ins Lager mitnahmen. Wie war zu die¬
ſer Zeit eine ſchoͤne Natur moͤglich in Frankreich,
oder gar in Deutſchland, wo man ſich der plum¬
peſten Nachahmung des franzoͤſiſchen Unſinnes hin¬
gab. Wie war zu dieſer Zeit ein Kuͤnſtler, ein
Dichter moͤglich und nun gar ein Aeſthetiker, der
doch der Schoͤnheit, der Kunſt, der Poeſie, nicht
geſetzgeberiſch vorauf, ſondern geſetzempfangend
hintennach geht. Sie werden vom Abbé Bat¬
teux
gehoͤrt haben. Sein unique principe des
belles lettres
war einmal ein europaͤiſch beruͤhm¬
tes Werk der Aeſthetik und Rammler hat es in
vier deutſche Baͤnde gebracht. Dieſer Abbé nannte
die Nachahmung der Natur und zwar der ſchoͤnen
Natur, das einzige große aͤſthetiſche Prinzip, das
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[81/0095] Schoͤnpflaͤſterchen nannte, und die Damen ihre Huͤften mit ungeheuern Reifbaͤndern umgaben, wo das Volk ſich in die Pfuͤtze warf, wenn abge¬ ſchmackte goldene Karoſſen mit betreßten und be¬ zopften Hanswuͤrſten hinterm Kutſchenſchlag vor¬ uͤberraſſelten, wo im ausbrechenden Kriege die Ge¬ nerale und Kondottieris mit einander Schach ſpiel¬ ten, moderne Helden, die durch Maitreſſen eben ſo oft ihre Stelle erhielten, als verloren und noch oͤfter die Feldzugsplaͤne aus dem Schlafgemach des Koͤnigs ins Lager mitnahmen. Wie war zu die¬ ſer Zeit eine ſchoͤne Natur moͤglich in Frankreich, oder gar in Deutſchland, wo man ſich der plum¬ peſten Nachahmung des franzoͤſiſchen Unſinnes hin¬ gab. Wie war zu dieſer Zeit ein Kuͤnſtler, ein Dichter moͤglich und nun gar ein Aeſthetiker, der doch der Schoͤnheit, der Kunſt, der Poeſie, nicht geſetzgeberiſch vorauf, ſondern geſetzempfangend hintennach geht. Sie werden vom Abbé Bat¬ teux gehoͤrt haben. Sein unique principe des belles lettres war einmal ein europaͤiſch beruͤhm¬ tes Werk der Aeſthetik und Rammler hat es in vier deutſche Baͤnde gebracht. Dieſer Abbé nannte die Nachahmung der Natur und zwar der ſchoͤnen Natur, das einzige große aͤſthetiſche Prinzip, das den Arbeiten des Geſchmackes zu Grunde gelegt werden muͤſſe. Leſen Sie das Werk eines ſonſt Wienbarg, aͤſthet. Feldz. 6

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/95>, abgerufen am 25.04.2024.