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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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1. Chronologie.
ist, so hat man den sicheren beweis, dass sich in der terminologie
die zeiten unterscheiden, weil sie schon sehr früh, fast gleichzeitig, fest
geworden war. Aristoteles wendet nur einmal ein distinctiv an, den
demosnamen für den Kallias Aggelethen von 406 (34, 1). gerade hier
steht nun fest, dass der gebrauch schon im amtsjahre des Kallias vor-
kam: CIA II 22 trägt die datirung K]allias Aggelethen erkhen. 11) Köhler
musste es dem archon Kalleas von 377 geben, weil damals noch die
ionische schrift voreuklidische entstehung zu beweisen schien; ein
jetzt beseitigter irrtum. es ist eine nötige und lohnende aufgabe, die
mit der herstellung der attischen beamtenliste zusammenhängt, deren
wir bedürfen, dass man auch diese diakritischen zusätze sammelt und
ordnet. für Aristoteles bedürfen wir nichts mehr, als dass begriffen
wird, dass er eine archontenliste der uns bekannten art vor sich liegen
hat. seine chronologischen angaben dürfen also nicht als vereinzelte
so oder so eingeordnet werden, sondern müssen in ein festes system
sich fügen: das ist kein anderes, als die schlechthin feste attische liste,
die wir von 480--295 durch Diodor und Dionysios (de Dinarcho) be-
sitzen, und in der die inschriften zwar eine recht grosse anzahl von
verschriebenen namen verbessert haben, deren sich noch einer oder der
andere zwischen 474 und 435 verbergen mag, aber keine für die zeit-
rechnung bedeutenden fehler. hätten nicht die spätbyzantinischen zeiten
die bücher 6--10 Diodors verloren gehen lassen, so würde Aristoteles
auch höchstens einen oder den andern namen verbessern können: der
chronologischen untersuchung wären wir dann überhoben, die wir jetzt
führen müssen, beginnend, wie sich gebührt, mit dem jahre des Solon.

Dies epochenjahr ist selbstverständlich niemals unsicher gewesen,
niemals auch die gesetzgebung von ihm getrennt, die ja nur der archon
Solon durchführen konnte. wenn unbedachtsamkeit an dem datum 594/3
zu rütteln versucht hat, so kann freilich Aristoteles das wahre schlagend
zeigen. er begnügt sich zur datirung Solons mit der angabe, dass er zum
archon gewählt ward (5, 2): das reichte für seine leser aus, für die das
ein epochenjahr war, ein eckstein für das chronologische gebäude, das sie

11) Die distanz zwischen dem anfange des peloponnesischen krieges und der
revolution der 400 wird nicht angegeben, da Aristoteles für significanter hält, nach
Thukydides die genau 100 jahre seit dem sturze des Hippias anzumerken (32, 2).
das würde, wenn nötig, auch jenen letzten posten, 432--411 durch rechnung finden
lassen. dann folgte der archon Kallias von Angele 406/5; doch ist die zahl ver-
schrieben (ebdomo für ekto, z für wd, 34, 1). dann sind die archonten Alexias
Pythodoros Eukleides und noch Xenainetos 401/0 genau bezeichnet.

1. Chronologie.
ist, so hat man den sicheren beweis, daſs sich in der terminologie
die zeiten unterscheiden, weil sie schon sehr früh, fast gleichzeitig, fest
geworden war. Aristoteles wendet nur einmal ein distinctiv an, den
demosnamen für den Καλλίας Ἀγγελῆϑεν von 406 (34, 1). gerade hier
steht nun fest, daſs der gebrauch schon im amtsjahre des Kallias vor-
kam: CIA II 22 trägt die datirung Κ]αλλίας Ἀγγελῆϑεν ἦϱχεν. 11) Köhler
muſste es dem archon Καλλέας von 377 geben, weil damals noch die
ionische schrift voreuklidische entstehung zu beweisen schien; ein
jetzt beseitigter irrtum. es ist eine nötige und lohnende aufgabe, die
mit der herstellung der attischen beamtenliste zusammenhängt, deren
wir bedürfen, daſs man auch diese diakritischen zusätze sammelt und
ordnet. für Aristoteles bedürfen wir nichts mehr, als daſs begriffen
wird, daſs er eine archontenliste der uns bekannten art vor sich liegen
hat. seine chronologischen angaben dürfen also nicht als vereinzelte
so oder so eingeordnet werden, sondern müssen in ein festes system
sich fügen: das ist kein anderes, als die schlechthin feste attische liste,
die wir von 480—295 durch Diodor und Dionysios (de Dinarcho) be-
sitzen, und in der die inschriften zwar eine recht groſse anzahl von
verschriebenen namen verbessert haben, deren sich noch einer oder der
andere zwischen 474 und 435 verbergen mag, aber keine für die zeit-
rechnung bedeutenden fehler. hätten nicht die spätbyzantinischen zeiten
die bücher 6—10 Diodors verloren gehen lassen, so würde Aristoteles
auch höchstens einen oder den andern namen verbessern können: der
chronologischen untersuchung wären wir dann überhoben, die wir jetzt
führen müssen, beginnend, wie sich gebührt, mit dem jahre des Solon.

Dies epochenjahr ist selbstverständlich niemals unsicher gewesen,
niemals auch die gesetzgebung von ihm getrennt, die ja nur der archon
Solon durchführen konnte. wenn unbedachtsamkeit an dem datum 594/3
zu rütteln versucht hat, so kann freilich Aristoteles das wahre schlagend
zeigen. er begnügt sich zur datirung Solons mit der angabe, dass er zum
archon gewählt ward (5, 2): das reichte für seine leser aus, für die das
ein epochenjahr war, ein eckstein für das chronologische gebäude, das sie

11) Die distanz zwischen dem anfange des peloponnesischen krieges und der
revolution der 400 wird nicht angegeben, da Aristoteles für significanter hält, nach
Thukydides die genau 100 jahre seit dem sturze des Hippias anzumerken (32, 2).
das würde, wenn nötig, auch jenen letzten posten, 432—411 durch rechnung finden
lassen. dann folgte der archon Kallias von Angele 406/5; doch ist die zahl ver-
schrieben (ἑβδόμῳ für ἕκτῳ, ζ΄ für ϝδ, 34, 1). dann sind die archonten Alexias
Pythodoros Eukleides und noch Xenainetos 401/0 genau bezeichnet.
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[8/0022] 1. Chronologie. ist, so hat man den sicheren beweis, daſs sich in der terminologie die zeiten unterscheiden, weil sie schon sehr früh, fast gleichzeitig, fest geworden war. Aristoteles wendet nur einmal ein distinctiv an, den demosnamen für den Καλλίας Ἀγγελῆϑεν von 406 (34, 1). gerade hier steht nun fest, daſs der gebrauch schon im amtsjahre des Kallias vor- kam: CIA II 22 trägt die datirung Κ]αλλίας Ἀγγελῆϑεν ἦϱχεν. 11) Köhler muſste es dem archon Καλλέας von 377 geben, weil damals noch die ionische schrift voreuklidische entstehung zu beweisen schien; ein jetzt beseitigter irrtum. es ist eine nötige und lohnende aufgabe, die mit der herstellung der attischen beamtenliste zusammenhängt, deren wir bedürfen, daſs man auch diese diakritischen zusätze sammelt und ordnet. für Aristoteles bedürfen wir nichts mehr, als daſs begriffen wird, daſs er eine archontenliste der uns bekannten art vor sich liegen hat. seine chronologischen angaben dürfen also nicht als vereinzelte so oder so eingeordnet werden, sondern müssen in ein festes system sich fügen: das ist kein anderes, als die schlechthin feste attische liste, die wir von 480—295 durch Diodor und Dionysios (de Dinarcho) be- sitzen, und in der die inschriften zwar eine recht groſse anzahl von verschriebenen namen verbessert haben, deren sich noch einer oder der andere zwischen 474 und 435 verbergen mag, aber keine für die zeit- rechnung bedeutenden fehler. hätten nicht die spätbyzantinischen zeiten die bücher 6—10 Diodors verloren gehen lassen, so würde Aristoteles auch höchstens einen oder den andern namen verbessern können: der chronologischen untersuchung wären wir dann überhoben, die wir jetzt führen müssen, beginnend, wie sich gebührt, mit dem jahre des Solon. Dies epochenjahr ist selbstverständlich niemals unsicher gewesen, niemals auch die gesetzgebung von ihm getrennt, die ja nur der archon Solon durchführen konnte. wenn unbedachtsamkeit an dem datum 594/3 zu rütteln versucht hat, so kann freilich Aristoteles das wahre schlagend zeigen. er begnügt sich zur datirung Solons mit der angabe, dass er zum archon gewählt ward (5, 2): das reichte für seine leser aus, für die das ein epochenjahr war, ein eckstein für das chronologische gebäude, das sie 11) Die distanz zwischen dem anfange des peloponnesischen krieges und der revolution der 400 wird nicht angegeben, da Aristoteles für significanter hält, nach Thukydides die genau 100 jahre seit dem sturze des Hippias anzumerken (32, 2). das würde, wenn nötig, auch jenen letzten posten, 432—411 durch rechnung finden lassen. dann folgte der archon Kallias von Angele 406/5; doch ist die zahl ver- schrieben (ἑβδόμῳ für ἕκτῳ, ζ΄ für ϝδ, 34, 1). dann sind die archonten Alexias Pythodoros Eukleides und noch Xenainetos 401/0 genau bezeichnet.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/22>, abgerufen am 23.04.2024.