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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Der erste heilige krieg.
weisen, so verfahren ist, bleibt eine offene frage: dass er die sieben nach
Thales datirt habe, darf man daraus nicht ableiten, dass Diogenes seine
datirung im leben des Thales anführt. denn Diogenes beginnt die ge-
schichte der sieben weisen mit Thales, unter dem also das allgemeine
datum stehen musste. für Thales persönlich war allerdings die von ihm
vorhergesagte sonnenfinsternis von 586 die bequemste epoche, und dass
man sich ihrer bedient hat, folgt aus Eusebius, dessen wie gewöhnlich
verwirrte überlieferung sich auf dies jahr (ol. 48, 3), zum mindesten
für seine quelle, zurückführen lässt. aber um so sicherer zeigt Eusebius,
dass diese epoche nicht mit der stiftung der Pythien, d. h. mit dem
jahre des Damasias zusammenfallen kann, da diese notiz, wie sich ge-
bührt, 3--4 (das richtige ist 4) jahre später eingetragen ist. es gibt
hier in wahrheit keine widersprüche oder schwierigkeiten.

Die berichte der Pindarscholien über die stiftung der Pythien und
über pythische siege hat Boeckh auf die Puthionikai des Aristoteles
zurückgeführt. das muss für sehr wahrscheinlich gelten, denn an sich
lag nach aller analogie dieses buch den antiken erklärern Pindars am
nächsten; sodann wird es in den Pindarscholien citirt (zu Isthm. 2 und Ol.
2, 87. fgm. 617 Rose), endlich muss eine geschichtliche darstellung, welche
nicht mit Olympiaden, sondern mit attischen und delphischen archonten
rechnet, sehr alt sein. die parische chronik zeigt, dass dieselbe tradition
wirklich in der zeit des Timaios bestanden hat. ich bezweifle den aristo-
telischen ursprung durchaus nicht; nur ist es nicht der erschlossene
gewährsmann, sondern das alter und die qualität des berichtes, der diesen
mir glaublich macht. aus sich konnte doch Aristoteles höchstens die aus-
gleichung der delphischen und attischen rechnung vollziehen; sonst musste
er eine geschichtliche tradition benutzen, und auf die kommt es an,
heisse ihr vermittler wie er wolle. sie trägt in den jahresnamen die
gewähr der herkunft aus der chronik an sich. es ist vorwitz an ihr
zu rütteln. die hauptsache ist delphische überlieferung, aber die atti-
schen archonten zeigen die vermittelung eines andern. und eine ge-
schichte attischer herkunft ist uns aus den Pythioniken des Aristoteles
bezeugt: Solon soll nach ihm den antrag auf die execution der Kirrhaeer
gestellt haben (Plut. Sol. 11), eine geschichte, welche 330 Aischines
vor einem attischen gerichte als bekannte tatsache erwähnt (3, 108),
von der jedoch, wie der delphische priester Plutarch aus seinem archiv

kath on kai oi epta sophoi eklethesan, os phesi Demetrios o Phalereus en te ton
arkhonton anagraphe.

Der erste heilige krieg.
weisen, so verfahren ist, bleibt eine offene frage: daſs er die sieben nach
Thales datirt habe, darf man daraus nicht ableiten, daſs Diogenes seine
datirung im leben des Thales anführt. denn Diogenes beginnt die ge-
schichte der sieben weisen mit Thales, unter dem also das allgemeine
datum stehen muſste. für Thales persönlich war allerdings die von ihm
vorhergesagte sonnenfinsternis von 586 die bequemste epoche, und daſs
man sich ihrer bedient hat, folgt aus Eusebius, dessen wie gewöhnlich
verwirrte überlieferung sich auf dies jahr (ol. 48, 3), zum mindesten
für seine quelle, zurückführen läſst. aber um so sicherer zeigt Eusebius,
daſs diese epoche nicht mit der stiftung der Pythien, d. h. mit dem
jahre des Damasias zusammenfallen kann, da diese notiz, wie sich ge-
bührt, 3—4 (das richtige ist 4) jahre später eingetragen ist. es gibt
hier in wahrheit keine widersprüche oder schwierigkeiten.

Die berichte der Pindarscholien über die stiftung der Pythien und
über pythische siege hat Boeckh auf die Πυϑιονῖκαι des Aristoteles
zurückgeführt. das muſs für sehr wahrscheinlich gelten, denn an sich
lag nach aller analogie dieses buch den antiken erklärern Pindars am
nächsten; sodann wird es in den Pindarscholien citirt (zu Isthm. 2 und Ol.
2, 87. fgm. 617 Rose), endlich muſs eine geschichtliche darstellung, welche
nicht mit Olympiaden, sondern mit attischen und delphischen archonten
rechnet, sehr alt sein. die parische chronik zeigt, daſs dieselbe tradition
wirklich in der zeit des Timaios bestanden hat. ich bezweifle den aristo-
telischen ursprung durchaus nicht; nur ist es nicht der erschlossene
gewährsmann, sondern das alter und die qualität des berichtes, der diesen
mir glaublich macht. aus sich konnte doch Aristoteles höchstens die aus-
gleichung der delphischen und attischen rechnung vollziehen; sonst muſste
er eine geschichtliche tradition benutzen, und auf die kommt es an,
heiſse ihr vermittler wie er wolle. sie trägt in den jahresnamen die
gewähr der herkunft aus der chronik an sich. es ist vorwitz an ihr
zu rütteln. die hauptsache ist delphische überlieferung, aber die atti-
schen archonten zeigen die vermittelung eines andern. und eine ge-
schichte attischer herkunft ist uns aus den Pythioniken des Aristoteles
bezeugt: Solon soll nach ihm den antrag auf die execution der Kirrhaeer
gestellt haben (Plut. Sol. 11), eine geschichte, welche 330 Aischines
vor einem attischen gerichte als bekannte tatsache erwähnt (3, 108),
von der jedoch, wie der delphische priester Plutarch aus seinem archiv

καϑ̕ ὃν καὶ οἱ ἑπτὰ σοφοὶ ἐκλήϑησαν, ὥς φησι Δημήτϱιος ὁ Φαληϱεὺς ἐν τῇ τῶν
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[13/0027] Der erste heilige krieg. weisen, so verfahren ist, bleibt eine offene frage: daſs er die sieben nach Thales datirt habe, darf man daraus nicht ableiten, daſs Diogenes seine datirung im leben des Thales anführt. denn Diogenes beginnt die ge- schichte der sieben weisen mit Thales, unter dem also das allgemeine datum stehen muſste. für Thales persönlich war allerdings die von ihm vorhergesagte sonnenfinsternis von 586 die bequemste epoche, und daſs man sich ihrer bedient hat, folgt aus Eusebius, dessen wie gewöhnlich verwirrte überlieferung sich auf dies jahr (ol. 48, 3), zum mindesten für seine quelle, zurückführen läſst. aber um so sicherer zeigt Eusebius, daſs diese epoche nicht mit der stiftung der Pythien, d. h. mit dem jahre des Damasias zusammenfallen kann, da diese notiz, wie sich ge- bührt, 3—4 (das richtige ist 4) jahre später eingetragen ist. es gibt hier in wahrheit keine widersprüche oder schwierigkeiten. Die berichte der Pindarscholien über die stiftung der Pythien und über pythische siege hat Boeckh auf die Πυϑιονῖκαι des Aristoteles zurückgeführt. das muſs für sehr wahrscheinlich gelten, denn an sich lag nach aller analogie dieses buch den antiken erklärern Pindars am nächsten; sodann wird es in den Pindarscholien citirt (zu Isthm. 2 und Ol. 2, 87. fgm. 617 Rose), endlich muſs eine geschichtliche darstellung, welche nicht mit Olympiaden, sondern mit attischen und delphischen archonten rechnet, sehr alt sein. die parische chronik zeigt, daſs dieselbe tradition wirklich in der zeit des Timaios bestanden hat. ich bezweifle den aristo- telischen ursprung durchaus nicht; nur ist es nicht der erschlossene gewährsmann, sondern das alter und die qualität des berichtes, der diesen mir glaublich macht. aus sich konnte doch Aristoteles höchstens die aus- gleichung der delphischen und attischen rechnung vollziehen; sonst muſste er eine geschichtliche tradition benutzen, und auf die kommt es an, heiſse ihr vermittler wie er wolle. sie trägt in den jahresnamen die gewähr der herkunft aus der chronik an sich. es ist vorwitz an ihr zu rütteln. die hauptsache ist delphische überlieferung, aber die atti- schen archonten zeigen die vermittelung eines andern. und eine ge- schichte attischer herkunft ist uns aus den Pythioniken des Aristoteles bezeugt: Solon soll nach ihm den antrag auf die execution der Kirrhaeer gestellt haben (Plut. Sol. 11), eine geschichte, welche 330 Aischines vor einem attischen gerichte als bekannte tatsache erwähnt (3, 108), von der jedoch, wie der delphische priester Plutarch aus seinem archiv 18) 18) καϑ̕ ὃν καὶ οἱ ἑπτὰ σοφοὶ ἐκλήϑησαν, ὥς φησι Δημήτϱιος ὁ Φαληϱεὺς ἐν τῇ τῶν ἀϱχόντων ἀναγϱαφῇ.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/27>, abgerufen am 20.04.2024.