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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Die jahre 508--478.
ändert würde. einen sichern platz hat Hermokreon also noch nicht; für
die ganze rechnung tut es aber nichts.

Nach der schlacht von Marathon verneinten die Athener zweimal
die vorfrage, ob ostrakismos stattfinden sollte: das war unter Phainippos
und unter Aristeides (name in der parischen chronik und bei Plut. Ar. 5),
in der sechsten prytanie, anfang 489 und 488; im dritten jahre verfiel
Hipparchos dem ostrakismos: anfang 487 unter Anchises (name Dionys.
Hal. VIII, 1); im folgenden jahre, 486 gieng es dem Megakles so, unter
Telesinos: diesen namen lernen wir zu; drei jahre wurden tyrannenfreunde
verbannt: also ausser den beiden genannten noch ein dritter unbekannter
485, in dem jahre 486/5, dessen archon noch fehlt; im vierten jahre traf
der ostrakismos den Xanthippos: also 484, unter Philokrates (name in
der parischen chronik); im dritten jahre danach unter Nikomedes (oder
Nikodemos) flottengesetz des Themistokles: das ist 483/2, und hier haben
wir sicherheit durch die übereinstimmung des Dionysios (VIII 83), der
zur controlle das jahr der stadt Rom beifügt. bis hierher ist also die
überlieferung bei Aristoteles in ordnung. aber gleich folgt ein fehler.
denn nach dem flottengesetze des Themistokles heisst es, dass Aristeides
en toutois tois kairois durch ostrakismos verbannt, aber im vierten jahre
darauf wegen des Xerxeszuges unter Hypsichides mit allen verbannten
zurückgerufen wäre. da der Xerxeszug nach Athen sommer 480, in
den ersten monaten des Kallias, kam, kann die rückberufung der ver-
bannten nur unter den archon von 481/80 fallen und zwar in seine
letzten monate. der bisher unbekannte archon dieses jahres hiess also
Hypsichides.38) aber dann ist Aristeides nur genau 2 jahre verbannt ge-
wesen, da nur eine unzulässige kautschukinterpretation das was Aristoteles
nach dem flottengesetze von 483/2 berichtet und was verfassungsmässig
der zweiten jahreshälfte angehört, in das jahr vor Nikomedes rücken
kann. en toutois tois kairois bedeutet natürlich mehr als eine un-
gefähre zeitliche gleichheit: es ist auch ein innerer zusammenhang zwischen
den zeitlich so ziemlich coincidenten ereignissen, der grosstat des The-
mistokles und der ausweisung des Aristeides. die falsche zahl ist also

38) `Upsikhides, wie in der handschrift aus `Upsekhides verbessert ist, ist ein cor-
rectes patronymikon (gentilicium) von `Upsikhos, und dies eins der in Boeotien und
Altathen so gewöhnlichen hypokoristika. der vollname war `Upsikles `Upsikrates,
so etwas. `Upsekhides ist falsch: was ist upsela ekhein? der Lakedämonier `Upsekhi-
das bei Plutarch Sol. 10 müsste übrigens schon deswegen in `Upsikhidas geändert
werden, weil es lakonisch `Upsakhidas oder `Upsiwakhidas heissen würde, gesetzt der
name käme von akhein.

Die jahre 508—478.
ändert würde. einen sichern platz hat Hermokreon also noch nicht; für
die ganze rechnung tut es aber nichts.

Nach der schlacht von Marathon verneinten die Athener zweimal
die vorfrage, ob ostrakismos stattfinden sollte: das war unter Phainippos
und unter Aristeides (name in der parischen chronik und bei Plut. Ar. 5),
in der sechsten prytanie, anfang 489 und 488; im dritten jahre verfiel
Hipparchos dem ostrakismos: anfang 487 unter Anchises (name Dionys.
Hal. VIII, 1); im folgenden jahre, 486 gieng es dem Megakles so, unter
Telesinos: diesen namen lernen wir zu; drei jahre wurden tyrannenfreunde
verbannt: also auſser den beiden genannten noch ein dritter unbekannter
485, in dem jahre 486/5, dessen archon noch fehlt; im vierten jahre traf
der ostrakismos den Xanthippos: also 484, unter Philokrates (name in
der parischen chronik); im dritten jahre danach unter Nikomedes (oder
Nikodemos) flottengesetz des Themistokles: das ist 483/2, und hier haben
wir sicherheit durch die übereinstimmung des Dionysios (VIII 83), der
zur controlle das jahr der stadt Rom beifügt. bis hierher ist also die
überlieferung bei Aristoteles in ordnung. aber gleich folgt ein fehler.
denn nach dem flottengesetze des Themistokles heiſst es, daſs Aristeides
ἐν τούτοις τοῖς καιϱοῖς durch ostrakismos verbannt, aber im vierten jahre
darauf wegen des Xerxeszuges unter Hypsichides mit allen verbannten
zurückgerufen wäre. da der Xerxeszug nach Athen sommer 480, in
den ersten monaten des Kallias, kam, kann die rückberufung der ver-
bannten nur unter den archon von 481/80 fallen und zwar in seine
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Hypsichides.38) aber dann ist Aristeides nur genau 2 jahre verbannt ge-
wesen, da nur eine unzulässige kautschukinterpretation das was Aristoteles
nach dem flottengesetze von 483/2 berichtet und was verfassungsmäſsig
der zweiten jahreshälfte angehört, in das jahr vor Nikomedes rücken
kann. ἐν τούτοις τοῖς καιϱοῖς bedeutet natürlich mehr als eine un-
gefähre zeitliche gleichheit: es ist auch ein innerer zusammenhang zwischen
den zeitlich so ziemlich coincidenten ereignissen, der groſstat des The-
mistokles und der ausweisung des Aristeides. die falsche zahl ist also

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rectes patronymikon (gentilicium) von ῾ϒψίχος, und dies eins der in Boeotien und
Altathen so gewöhnlichen hypokoristika. der vollname war ῾ϒψικλῆς ῾ϒψικϱάτης,
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δας bei Plutarch Sol. 10 müſste übrigens schon deswegen in ῾ϒψιχίδας geändert
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[25/0039] Die jahre 508—478. ändert würde. einen sichern platz hat Hermokreon also noch nicht; für die ganze rechnung tut es aber nichts. Nach der schlacht von Marathon verneinten die Athener zweimal die vorfrage, ob ostrakismos stattfinden sollte: das war unter Phainippos und unter Aristeides (name in der parischen chronik und bei Plut. Ar. 5), in der sechsten prytanie, anfang 489 und 488; im dritten jahre verfiel Hipparchos dem ostrakismos: anfang 487 unter Anchises (name Dionys. Hal. VIII, 1); im folgenden jahre, 486 gieng es dem Megakles so, unter Telesinos: diesen namen lernen wir zu; drei jahre wurden tyrannenfreunde verbannt: also auſser den beiden genannten noch ein dritter unbekannter 485, in dem jahre 486/5, dessen archon noch fehlt; im vierten jahre traf der ostrakismos den Xanthippos: also 484, unter Philokrates (name in der parischen chronik); im dritten jahre danach unter Nikomedes (oder Nikodemos) flottengesetz des Themistokles: das ist 483/2, und hier haben wir sicherheit durch die übereinstimmung des Dionysios (VIII 83), der zur controlle das jahr der stadt Rom beifügt. bis hierher ist also die überlieferung bei Aristoteles in ordnung. aber gleich folgt ein fehler. denn nach dem flottengesetze des Themistokles heiſst es, daſs Aristeides ἐν τούτοις τοῖς καιϱοῖς durch ostrakismos verbannt, aber im vierten jahre darauf wegen des Xerxeszuges unter Hypsichides mit allen verbannten zurückgerufen wäre. da der Xerxeszug nach Athen sommer 480, in den ersten monaten des Kallias, kam, kann die rückberufung der ver- bannten nur unter den archon von 481/80 fallen und zwar in seine letzten monate. der bisher unbekannte archon dieses jahres hieſs also Hypsichides. 38) aber dann ist Aristeides nur genau 2 jahre verbannt ge- wesen, da nur eine unzulässige kautschukinterpretation das was Aristoteles nach dem flottengesetze von 483/2 berichtet und was verfassungsmäſsig der zweiten jahreshälfte angehört, in das jahr vor Nikomedes rücken kann. ἐν τούτοις τοῖς καιϱοῖς bedeutet natürlich mehr als eine un- gefähre zeitliche gleichheit: es ist auch ein innerer zusammenhang zwischen den zeitlich so ziemlich coincidenten ereignissen, der groſstat des The- mistokles und der ausweisung des Aristeides. die falsche zahl ist also 38) ῾ϒψιχίδης, wie in der handschrift aus ῾ϒψηχίδης verbessert ist, ist ein cor- rectes patronymikon (gentilicium) von ῾ϒψίχος, und dies eins der in Boeotien und Altathen so gewöhnlichen hypokoristika. der vollname war ῾ϒψικλῆς ῾ϒψικϱάτης, so etwas. ῾ϒψηχίδης ist falsch: was ist ὑψηλὰ ἠχεῖν? der Lakedämonier ῾ϒψηχί- δας bei Plutarch Sol. 10 müſste übrigens schon deswegen in ῾ϒψιχίδας geändert werden, weil es lakonisch ῾ϒψαχίδας oder ῾ϒψιϝαχίδας heiſsen würde, gesetzt der name käme von ἀχεῖν.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/39>, abgerufen am 19.04.2024.