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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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III. 3. Chronologie der Pentekontaetie.
zeitliche differenz zweier für ihren urheber fester punkte nicht falsch
angeben kann. danach fällt die rückberufung Kimons unter den fünften
archon von Euthippos ab gerechnet, Mnesitheides 457/56. darauf folgten
ohne unterbrechung, wie Thukydides I 108 sicher stellt, die schlacht bei
Oinophyta, die niederwerfung von Boeotien und Phokis, die capitulation
von Aegina und der zug des Tolmides um den Peloponnes, der danach
unter Kallias 456/5 zu stehen kommt. die rechnung ist richtig: den
archon Kallias für den zug des Tolmides gibt schol. Aischin. 2, 75.

Genaueres zu bestimmen gibt den ersten anhalt das verhältnis der
schlachten bei Tanagra und Oinophyta. zwischen beiden schlachten
lagen nach Thukydides 62 tage; bei Tanagra commandirte der sieger von
Oinophyta Myronides nicht. die Peloponnesier waren in demselben kriegs-
jahre erst nach Phokis gezogen; sie machten die diversion nach dem
nordosten Attikas erst, weil die Athener ihnen den heimweg über die
megarischen berge und den korinthischen golf sperrten, marschirten aber
nach dem siege schleunigst ab und fanden in Megara keine ernte mehr
zu verwüsten, sondern hieben nur die oliven um. alles das gibt Thuky-
dides an, und nach Plutarch (Kim. 17, 6) fürchteten die Athener ihren
einfall erst für die nächste erntezeit (eis oran etous), die also dieses
mal vorbei war. weiter liegt darin nichts. wenn man nach der art
der kriegführung Spartas im archidamischen kriege rechnet, so führt das
zu der annahme, dass die schlacht bei Tanagra etwa im juni geschlagen
ist, also am ende des attischen jahres, so dass Oinophyta und schon
der waffenstillstand, der mit vier monaten den rest des kriegsjahres um-
fasste8), in ein anderes fällt. das passt vortrefflich. und dass Diodor
Tanagra unter Habron, Oinophyta unter Mnesitheides, den zug des
Tolmides unter Kallias alles richtig ansetzt, ist kein beweis, aber ein recht
erwünschtes bestätigendes ergebnis.9)


8) Sparta zieht entweder vor oder nach der ernte seine bündner zusammen.
im ersten falle drängen sie in der erntezeit nach hause. so war es diesmal. ein
zweites mal sind sie in demselben jahre schlecht mobil zu machen, während die
Athener gerade im juli august sehr oft in see gehn. so war es für Sparta ein erfolg,
wenn sie für den rest des kriegsjahres durch 4 monate ruhe bekamen, freilich nur,
wenn sie eine ganz egoistische politik trieben. diese war für den noch so ge-
schwächten staat ohne frage mindestens entschuldbar.
9) Die verwirrte erzählung XI 81--83 ist gerade dadurch verwirrt, dass die
richtigen jahrangaben den geschichtlichen zusammenhang zerreissen. nicht bei Diodor
mehr wird es klar, dass Theben sich nach dem waffenstillstande seiner haut allein
wehren muss, da Sparta ihm die boeotische suprematie wieder verschafft hat,
aber man spürt es noch deutlich durch, dass sein gewährsmann über die boeotischen

III. 3. Chronologie der Pentekontaetie.
zeitliche differenz zweier für ihren urheber fester punkte nicht falsch
angeben kann. danach fällt die rückberufung Kimons unter den fünften
archon von Euthippos ab gerechnet, Mnesitheides 457/56. darauf folgten
ohne unterbrechung, wie Thukydides I 108 sicher stellt, die schlacht bei
Oinophyta, die niederwerfung von Boeotien und Phokis, die capitulation
von Aegina und der zug des Tolmides um den Peloponnes, der danach
unter Kallias 456/5 zu stehen kommt. die rechnung ist richtig: den
archon Kallias für den zug des Tolmides gibt schol. Aischin. 2, 75.

Genaueres zu bestimmen gibt den ersten anhalt das verhältnis der
schlachten bei Tanagra und Oinophyta. zwischen beiden schlachten
lagen nach Thukydides 62 tage; bei Tanagra commandirte der sieger von
Oinophyta Myronides nicht. die Peloponnesier waren in demselben kriegs-
jahre erst nach Phokis gezogen; sie machten die diversion nach dem
nordosten Attikas erst, weil die Athener ihnen den heimweg über die
megarischen berge und den korinthischen golf sperrten, marschirten aber
nach dem siege schleunigst ab und fanden in Megara keine ernte mehr
zu verwüsten, sondern hieben nur die oliven um. alles das gibt Thuky-
dides an, und nach Plutarch (Kim. 17, 6) fürchteten die Athener ihren
einfall erst für die nächste erntezeit (εἰς ὥϱαν ἔτους), die also dieses
mal vorbei war. weiter liegt darin nichts. wenn man nach der art
der kriegführung Spartas im archidamischen kriege rechnet, so führt das
zu der annahme, daſs die schlacht bei Tanagra etwa im juni geschlagen
ist, also am ende des attischen jahres, so daſs Oinophyta und schon
der waffenstillstand, der mit vier monaten den rest des kriegsjahres um-
faſste8), in ein anderes fällt. das paſst vortrefflich. und daſs Diodor
Tanagra unter Habron, Oinophyta unter Mnesitheides, den zug des
Tolmides unter Kallias alles richtig ansetzt, ist kein beweis, aber ein recht
erwünschtes bestätigendes ergebnis.9)


8) Sparta zieht entweder vor oder nach der ernte seine bündner zusammen.
im ersten falle drängen sie in der erntezeit nach hause. so war es diesmal. ein
zweites mal sind sie in demselben jahre schlecht mobil zu machen, während die
Athener gerade im juli august sehr oft in see gehn. so war es für Sparta ein erfolg,
wenn sie für den rest des kriegsjahres durch 4 monate ruhe bekamen, freilich nur,
wenn sie eine ganz egoistische politik trieben. diese war für den noch so ge-
schwächten staat ohne frage mindestens entschuldbar.
9) Die verwirrte erzählung XI 81—83 ist gerade dadurch verwirrt, daſs die
richtigen jahrangaben den geschichtlichen zusammenhang zerreiſsen. nicht bei Diodor
mehr wird es klar, daſs Theben sich nach dem waffenstillstande seiner haut allein
wehren muſs, da Sparta ihm die boeotische suprematie wieder verschafft hat,
aber man spürt es noch deutlich durch, daſs sein gewährsmann über die boeotischen
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[294/0304] III. 3. Chronologie der Pentekontaetie. zeitliche differenz zweier für ihren urheber fester punkte nicht falsch angeben kann. danach fällt die rückberufung Kimons unter den fünften archon von Euthippos ab gerechnet, Mnesitheides 457/56. darauf folgten ohne unterbrechung, wie Thukydides I 108 sicher stellt, die schlacht bei Oinophyta, die niederwerfung von Boeotien und Phokis, die capitulation von Aegina und der zug des Tolmides um den Peloponnes, der danach unter Kallias 456/5 zu stehen kommt. die rechnung ist richtig: den archon Kallias für den zug des Tolmides gibt schol. Aischin. 2, 75. Genaueres zu bestimmen gibt den ersten anhalt das verhältnis der schlachten bei Tanagra und Oinophyta. zwischen beiden schlachten lagen nach Thukydides 62 tage; bei Tanagra commandirte der sieger von Oinophyta Myronides nicht. die Peloponnesier waren in demselben kriegs- jahre erst nach Phokis gezogen; sie machten die diversion nach dem nordosten Attikas erst, weil die Athener ihnen den heimweg über die megarischen berge und den korinthischen golf sperrten, marschirten aber nach dem siege schleunigst ab und fanden in Megara keine ernte mehr zu verwüsten, sondern hieben nur die oliven um. alles das gibt Thuky- dides an, und nach Plutarch (Kim. 17, 6) fürchteten die Athener ihren einfall erst für die nächste erntezeit (εἰς ὥϱαν ἔτους), die also dieses mal vorbei war. weiter liegt darin nichts. wenn man nach der art der kriegführung Spartas im archidamischen kriege rechnet, so führt das zu der annahme, daſs die schlacht bei Tanagra etwa im juni geschlagen ist, also am ende des attischen jahres, so daſs Oinophyta und schon der waffenstillstand, der mit vier monaten den rest des kriegsjahres um- faſste 8), in ein anderes fällt. das paſst vortrefflich. und daſs Diodor Tanagra unter Habron, Oinophyta unter Mnesitheides, den zug des Tolmides unter Kallias alles richtig ansetzt, ist kein beweis, aber ein recht erwünschtes bestätigendes ergebnis. 9) 8) Sparta zieht entweder vor oder nach der ernte seine bündner zusammen. im ersten falle drängen sie in der erntezeit nach hause. so war es diesmal. ein zweites mal sind sie in demselben jahre schlecht mobil zu machen, während die Athener gerade im juli august sehr oft in see gehn. so war es für Sparta ein erfolg, wenn sie für den rest des kriegsjahres durch 4 monate ruhe bekamen, freilich nur, wenn sie eine ganz egoistische politik trieben. diese war für den noch so ge- schwächten staat ohne frage mindestens entschuldbar. 9) Die verwirrte erzählung XI 81—83 ist gerade dadurch verwirrt, daſs die richtigen jahrangaben den geschichtlichen zusammenhang zerreiſsen. nicht bei Diodor mehr wird es klar, daſs Theben sich nach dem waffenstillstande seiner haut allein wehren muſs, da Sparta ihm die boeotische suprematie wieder verschafft hat, aber man spürt es noch deutlich durch, daſs sein gewährsmann über die boeotischen

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/304>, abgerufen am 29.03.2024.