Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Herakles des Euripides.
seiner kleinen ausgabe der Euripidesfragmente die namentlichen bruch-
stücke von Herakleiden Herakles Elektra zusammengestellt, zum beweise,
dass es ein eitles bemühen wäre, aus ihnen den inhalt zu gewinnen. das
ist wahr und falsch. denn aus den par zeilen geht es freilich nicht,
aber das ist auch der falsche weg. vom stoffe hat man auszugehen, die
litteratur muss man beherrschen und soll wissen, dass nur wer die ganze
entwickelung einer sage verfolgt, wer auch zugleich auf ihre bedeutung
und herkunft eingeht, damit er die trümmer der sagenüberlieferung richtig
einordnen könne, eine einzelne fassung, epos oder drama, herstellen kann
-- wenn dies epos oder drama durchgedrungen ist. das aber ist die
wesentliche vorfrage, die man praktisch natürlich nicht früher oder später
beantwortet, als man dies gedicht herstellt oder ein anderes. so würden
wir von Euripides Elektra gar nichts wissen, weil sie erfolglos geblieben
ist; dass sie das ist, könnten wir ermitteln. so sehen wir, dass wir den
inhalt des Herakles an vielen orten überliefert haben, so weit er die sage
beherrscht; wo er ihr widerspricht, im schlusse, verdanken wir die
kenntnis lediglich Seneca, also einem besonderen glücksfall. diese metho-
dische lehre, was man finden kann, und wie man suchen soll, sei hier
zum schlusse an einem praktisch überflüssigen aber keinen widerspruch
zulassenden exempel eingeschärft. schliesslich beweist sie doch auch nur,
was dies ganze buch beweist, dass die tragödie nur in der verbindung
mit der sage verstanden und gewürdigt werden kann, ganz wie das epos.


Druck von J. B. Hirschfeld in Leipzig.

Der Herakles des Euripides.
seiner kleinen ausgabe der Euripidesfragmente die namentlichen bruch-
stücke von Herakleiden Herakles Elektra zusammengestellt, zum beweise,
daſs es ein eitles bemühen wäre, aus ihnen den inhalt zu gewinnen. das
ist wahr und falsch. denn aus den par zeilen geht es freilich nicht,
aber das ist auch der falsche weg. vom stoffe hat man auszugehen, die
litteratur muſs man beherrschen und soll wissen, daſs nur wer die ganze
entwickelung einer sage verfolgt, wer auch zugleich auf ihre bedeutung
und herkunft eingeht, damit er die trümmer der sagenüberlieferung richtig
einordnen könne, eine einzelne fassung, epos oder drama, herstellen kann
— wenn dies epos oder drama durchgedrungen ist. das aber ist die
wesentliche vorfrage, die man praktisch natürlich nicht früher oder später
beantwortet, als man dies gedicht herstellt oder ein anderes. so würden
wir von Euripides Elektra gar nichts wissen, weil sie erfolglos geblieben
ist; daſs sie das ist, könnten wir ermitteln. so sehen wir, daſs wir den
inhalt des Herakles an vielen orten überliefert haben, so weit er die sage
beherrscht; wo er ihr widerspricht, im schlusse, verdanken wir die
kenntnis lediglich Seneca, also einem besonderen glücksfall. diese metho-
dische lehre, was man finden kann, und wie man suchen soll, sei hier
zum schlusse an einem praktisch überflüssigen aber keinen widerspruch
zulassenden exempel eingeschärft. schlieſslich beweist sie doch auch nur,
was dies ganze buch beweist, daſs die tragödie nur in der verbindung
mit der sage verstanden und gewürdigt werden kann, ganz wie das epos.


Druck von J. B. Hirschfeld in Leipzig.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0408" n="388"/><fw place="top" type="header">Der Herakles des Euripides.</fw><lb/>
seiner kleinen ausgabe der Euripidesfragmente die namentlichen bruch-<lb/>
stücke von Herakleiden Herakles Elektra zusammengestellt, zum beweise,<lb/>
da&#x017F;s es ein eitles bemühen wäre, aus ihnen den inhalt zu gewinnen. das<lb/>
ist wahr und falsch. denn aus den par zeilen geht es freilich nicht,<lb/>
aber das ist auch der falsche weg. vom stoffe hat man auszugehen, die<lb/>
litteratur mu&#x017F;s man beherrschen und soll wissen, da&#x017F;s nur wer die ganze<lb/>
entwickelung einer sage verfolgt, wer auch zugleich auf ihre bedeutung<lb/>
und herkunft eingeht, damit er die trümmer der sagenüberlieferung richtig<lb/>
einordnen könne, eine einzelne fassung, epos oder drama, herstellen kann<lb/>
&#x2014; wenn dies epos oder drama durchgedrungen ist. das aber ist die<lb/>
wesentliche vorfrage, die man praktisch natürlich nicht früher oder später<lb/>
beantwortet, als man dies gedicht herstellt oder ein anderes. so würden<lb/>
wir von Euripides Elektra gar nichts wissen, weil sie erfolglos geblieben<lb/>
ist; da&#x017F;s sie das ist, könnten wir ermitteln. so sehen wir, da&#x017F;s wir den<lb/>
inhalt des Herakles an vielen orten überliefert haben, so weit er die sage<lb/>
beherrscht; wo er ihr widerspricht, im schlusse, verdanken wir die<lb/>
kenntnis lediglich Seneca, also einem besonderen glücksfall. diese metho-<lb/>
dische lehre, was man finden kann, und wie man suchen soll, sei hier<lb/>
zum schlusse an einem praktisch überflüssigen aber keinen widerspruch<lb/>
zulassenden exempel eingeschärft. schlie&#x017F;slich beweist sie doch auch nur,<lb/>
was dies ganze buch beweist, da&#x017F;s die tragödie nur in der verbindung<lb/>
mit der sage verstanden und gewürdigt werden kann, ganz wie das epos.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
    <back>
      <div type="imprint">
        <p>Druck von J. B. <hi rendition="#g">Hirschfeld</hi> in Leipzig.</p>
      </div><lb/>
    </back>
  </text>
</TEI>
[388/0408] Der Herakles des Euripides. seiner kleinen ausgabe der Euripidesfragmente die namentlichen bruch- stücke von Herakleiden Herakles Elektra zusammengestellt, zum beweise, daſs es ein eitles bemühen wäre, aus ihnen den inhalt zu gewinnen. das ist wahr und falsch. denn aus den par zeilen geht es freilich nicht, aber das ist auch der falsche weg. vom stoffe hat man auszugehen, die litteratur muſs man beherrschen und soll wissen, daſs nur wer die ganze entwickelung einer sage verfolgt, wer auch zugleich auf ihre bedeutung und herkunft eingeht, damit er die trümmer der sagenüberlieferung richtig einordnen könne, eine einzelne fassung, epos oder drama, herstellen kann — wenn dies epos oder drama durchgedrungen ist. das aber ist die wesentliche vorfrage, die man praktisch natürlich nicht früher oder später beantwortet, als man dies gedicht herstellt oder ein anderes. so würden wir von Euripides Elektra gar nichts wissen, weil sie erfolglos geblieben ist; daſs sie das ist, könnten wir ermitteln. so sehen wir, daſs wir den inhalt des Herakles an vielen orten überliefert haben, so weit er die sage beherrscht; wo er ihr widerspricht, im schlusse, verdanken wir die kenntnis lediglich Seneca, also einem besonderen glücksfall. diese metho- dische lehre, was man finden kann, und wie man suchen soll, sei hier zum schlusse an einem praktisch überflüssigen aber keinen widerspruch zulassenden exempel eingeschärft. schlieſslich beweist sie doch auch nur, was dies ganze buch beweist, daſs die tragödie nur in der verbindung mit der sage verstanden und gewürdigt werden kann, ganz wie das epos. Druck von J. B. Hirschfeld in Leipzig.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/408
Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/408>, abgerufen am 29.03.2024.