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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Vorrede.
worden, und die Göttinnen fußfällig um Verzeihung bittet, da
Jupiter schon den Ganymedes an ihre Stelle eingesetzet hatte;
das dritte ist ein schöner Altar, an welchem Jupiter auf einem
Centaur reutet 1), welcher weder von ihm, noch von sonst je-
mand, bemerket worden ist, weil er in dem Keller unter dem
Pallaste steht.

Montfaucon hat sein Werk entfernet von den Schätzen
der alten Kunst zusammengetragen, und hat mit fremden Augen,
und nach Kupfern und Zeichnungen geurtheilet, die ihn zu großen
Vergehungen verleitet haben. Hercules und Antäus im Pallaste
Pitti zu Florenz, eine Statue von niedrigem Range, und über
die Hälfte neu ergänzet, ist beym Maffei 2) und bey ihm 3) nichts
weniger, als eine Arbeit des Polycletus. Den Schlaf von schwar-
zem Marmor in der Villa Borghese, vom Algardi, giebt er für
alt aus 4): eine von den großen neuen Vasen aus eben dem Mar-
mor, von Silvio von Veletri gearbeitet, die neben dem Schlafe
gesetzet sind, und die er auf einem Kupfer dazu gesetzt gefunden 5),
soll ein Gefäß mit schlafmachendem Safte bedeuten. Wie viel
merkwürdige Dinge hat er übergangen! Er bekennet 6), er habe
niemals einen Hercules in Marmor mit einem Horne des Ueber-
flusses gesehen: in der Villa Ludovisi aber, ist er also in Lebens-
größe vorgestellet, in Gestalt einer Herma, und das Horn ist wahr-
haftig alt. Mit eben diesem Attribute steht Hercules auf einer
zerbrochenen Begräbnißurne 7), unter den Trümmern der Alter-

thümer
1) conf. Winckelm. Pref. a la Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 15.
2) Stat. ant. n. 43.
3) Antiqu. expl. T. I. p. 361. Supplem, T. I. p. 215.
4) Ant. expl. T. I. p. 365.
5) Montelat. Vil. Borgh. p. 294.
6) Ant. expl.
7) conf. Winckelm. Descr. des Pier. gr. etc. p. 273.

Vorrede.
worden, und die Goͤttinnen fußfaͤllig um Verzeihung bittet, da
Jupiter ſchon den Ganymedes an ihre Stelle eingeſetzet hatte;
das dritte iſt ein ſchoͤner Altar, an welchem Jupiter auf einem
Centaur reutet 1), welcher weder von ihm, noch von ſonſt je-
mand, bemerket worden iſt, weil er in dem Keller unter dem
Pallaſte ſteht.

Montfaucon hat ſein Werk entfernet von den Schaͤtzen
der alten Kunſt zuſammengetragen, und hat mit fremden Augen,
und nach Kupfern und Zeichnungen geurtheilet, die ihn zu großen
Vergehungen verleitet haben. Hercules und Antaͤus im Pallaſte
Pitti zu Florenz, eine Statue von niedrigem Range, und uͤber
die Haͤlfte neu ergaͤnzet, iſt beym Maffei 2) und bey ihm 3) nichts
weniger, als eine Arbeit des Polycletus. Den Schlaf von ſchwar-
zem Marmor in der Villa Borgheſe, vom Algardi, giebt er fuͤr
alt aus 4): eine von den großen neuen Vaſen aus eben dem Mar-
mor, von Silvio von Veletri gearbeitet, die neben dem Schlafe
geſetzet ſind, und die er auf einem Kupfer dazu geſetzt gefunden 5),
ſoll ein Gefaͤß mit ſchlafmachendem Safte bedeuten. Wie viel
merkwuͤrdige Dinge hat er uͤbergangen! Er bekennet 6), er habe
niemals einen Hercules in Marmor mit einem Horne des Ueber-
fluſſes geſehen: in der Villa Ludoviſi aber, iſt er alſo in Lebens-
groͤße vorgeſtellet, in Geſtalt einer Herma, und das Horn iſt wahr-
haftig alt. Mit eben dieſem Attribute ſteht Hercules auf einer
zerbrochenen Begraͤbnißurne 7), unter den Truͤmmern der Alter-

thuͤmer
1) conf. Winckelm. Pref. à la Deſcr. des Pier. gr. du Cab. de Stoſch, p. 15.
2) Stat. ant. n. 43.
3) Antiqu. expl. T. I. p. 361. Supplem, T. I. p. 215.
4) Ant. expl. T. I. p. 365.
5) Montelat. Vil. Borgh. p. 294.
6) Ant. expl.
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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. XV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/13>, abgerufen am 18.04.2024.