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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von der Kunst unter den Hetruriern.

Die Natur aber und ihren Einfluß in die Kunst zu überwinden, wa-C.
Die unglück-
lichen Kriege
mit den Rö-
mern, und der
Verfall ihrer
Verfassung,
wodurch der
Lauf der Kunst
bey ihnen ge-
hemmet wur-
de.

ren die Hetrurier nicht lange genug glücklich: denn es erhoben sich bald
nach Einrichtung der Republic zu Rom blutige, und für die Hetrurier un-
glückliche Kriege mit den Römern, und einige Jahre nach Alexanders
des Großen Tode wurde das ganze Land von ihren Feinden überwältiget,
und so gar ihre Sprache, nachdem sich dieselbe nach und nach in die Römi-
sche verkleidet hatte, verlohr sich. Hetrurien wurde in eine Römische Pro-
vinz verwandelt, nachdem der letzte König Aelius Volturrinus in der
Schlacht bey dem See Lucumo geblieben war; dieses geschah im 474.
Jahre nach Erbauung der Stadt Rom, und in der 124. Olympias. Bald
nachher, nemlich im 489. Jahre der Römischen Zeitrechnung, und in der
129. Olympias, wurde Volsinium, itzo Bolsena, "eine Stadt der
Künstler"
, nach der Bedeutung des Namens, welchen einige 1) aus dem
Phönicischen herleiten, vom Marcus Flavius Flaccus erobert, und es
wurden aus dieser Stadt alleine zweytausend Statuen 2) nach Rom gefüh-
ret; und eben so werden auch andere Städte ausgeleeret worden seyn. Unter-
dessen wurde die Kunst unter den Hetruriern noch damals, als sie den Rö-
mern unterthänig waren, wie unter den Griechen, da diese einerley Schick-
saal mit jenen hatten, geübet, wie im folgenden wird angeführet werden.
Von Hetrurischen Künstlern finden wir namentlich keine Nachricht, den
einzigen Mnesarchus, des Pythagoras Vater, ausgenommen, welcher in
Stein gegraben hat, und aus Thuscien oder Hetrurien gewesen seyn soll.

Der
In freta dum fluvii current, dum montibus umbrae
Lustrabunt convexa, polus dum sidera pascet:
Semper honos, nomenque tuum, laudesque manebunt.

Ehemals war eine Begräbniß-Urne in Rom, auf welcher so gar eine sogenannte unzüchti-
ge Spintrische Vorstellung war, und von der Inschrift auf derselben hatten sich die Worte
erhalten: OU MELEI MOI, "es liegt mir nichts daran."
1) Hist. Vniv. des Anglois, T. 14. p. 218. Traduct. Franc.
2) Plin. L. 34. p. 646. l. 3.
L 3
Von der Kunſt unter den Hetruriern.

Die Natur aber und ihren Einfluß in die Kunſt zu uͤberwinden, wa-C.
Die ungluͤck-
lichen Kriege
mit den Roͤ-
mern, und der
Verfall ihrer
Verfaſſung,
wodurch der
Lauf der Kunſt
bey ihnen ge-
hemmet wur-
de.

ren die Hetrurier nicht lange genug gluͤcklich: denn es erhoben ſich bald
nach Einrichtung der Republic zu Rom blutige, und fuͤr die Hetrurier un-
gluͤckliche Kriege mit den Roͤmern, und einige Jahre nach Alexanders
des Großen Tode wurde das ganze Land von ihren Feinden uͤberwaͤltiget,
und ſo gar ihre Sprache, nachdem ſich dieſelbe nach und nach in die Roͤmi-
ſche verkleidet hatte, verlohr ſich. Hetrurien wurde in eine Roͤmiſche Pro-
vinz verwandelt, nachdem der letzte Koͤnig Aelius Volturrinus in der
Schlacht bey dem See Lucumo geblieben war; dieſes geſchah im 474.
Jahre nach Erbauung der Stadt Rom, und in der 124. Olympias. Bald
nachher, nemlich im 489. Jahre der Roͤmiſchen Zeitrechnung, und in der
129. Olympias, wurde Volſinium, itzo Bolſena, „eine Stadt der
Kuͤnſtler„
, nach der Bedeutung des Namens, welchen einige 1) aus dem
Phoͤniciſchen herleiten, vom Marcus Flavius Flaccus erobert, und es
wurden aus dieſer Stadt alleine zweytauſend Statuen 2) nach Rom gefuͤh-
ret; und eben ſo werden auch andere Staͤdte ausgeleeret worden ſeyn. Unter-
deſſen wurde die Kunſt unter den Hetruriern noch damals, als ſie den Roͤ-
mern unterthaͤnig waren, wie unter den Griechen, da dieſe einerley Schick-
ſaal mit jenen hatten, geuͤbet, wie im folgenden wird angefuͤhret werden.
Von Hetruriſchen Kuͤnſtlern finden wir namentlich keine Nachricht, den
einzigen Mneſarchus, des Pythagoras Vater, ausgenommen, welcher in
Stein gegraben hat, und aus Thuſcien oder Hetrurien geweſen ſeyn ſoll.

Der
In freta dum fluvii current, dum montibus umbrae
Luſtrabunt convexa, polus dum ſidera paſcet:
Semper honos, nomenque tuum, laudesque manebunt.

Ehemals war eine Begraͤbniß-Urne in Rom, auf welcher ſo gar eine ſogenannte unzuͤchti-
ge Spintriſche Vorſtellung war, und von der Inſchrift auf derſelben hatten ſich die Worte
erhalten: ΟΥ ΜΕΛΕΙ ΜΟΙ, „es liegt mir nichts daran.„
1) Hiſt. Vniv. des Anglois, T. 14. p. 218. Traduct. Franc.
2) Plin. L. 34. p. 646. l. 3.
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[85/0135] Von der Kunſt unter den Hetruriern. Die Natur aber und ihren Einfluß in die Kunſt zu uͤberwinden, wa- ren die Hetrurier nicht lange genug gluͤcklich: denn es erhoben ſich bald nach Einrichtung der Republic zu Rom blutige, und fuͤr die Hetrurier un- gluͤckliche Kriege mit den Roͤmern, und einige Jahre nach Alexanders des Großen Tode wurde das ganze Land von ihren Feinden uͤberwaͤltiget, und ſo gar ihre Sprache, nachdem ſich dieſelbe nach und nach in die Roͤmi- ſche verkleidet hatte, verlohr ſich. Hetrurien wurde in eine Roͤmiſche Pro- vinz verwandelt, nachdem der letzte Koͤnig Aelius Volturrinus in der Schlacht bey dem See Lucumo geblieben war; dieſes geſchah im 474. Jahre nach Erbauung der Stadt Rom, und in der 124. Olympias. Bald nachher, nemlich im 489. Jahre der Roͤmiſchen Zeitrechnung, und in der 129. Olympias, wurde Volſinium, itzo Bolſena, „eine Stadt der Kuͤnſtler„, nach der Bedeutung des Namens, welchen einige 1) aus dem Phoͤniciſchen herleiten, vom Marcus Flavius Flaccus erobert, und es wurden aus dieſer Stadt alleine zweytauſend Statuen 2) nach Rom gefuͤh- ret; und eben ſo werden auch andere Staͤdte ausgeleeret worden ſeyn. Unter- deſſen wurde die Kunſt unter den Hetruriern noch damals, als ſie den Roͤ- mern unterthaͤnig waren, wie unter den Griechen, da dieſe einerley Schick- ſaal mit jenen hatten, geuͤbet, wie im folgenden wird angefuͤhret werden. Von Hetruriſchen Kuͤnſtlern finden wir namentlich keine Nachricht, den einzigen Mneſarchus, des Pythagoras Vater, ausgenommen, welcher in Stein gegraben hat, und aus Thuſcien oder Hetrurien geweſen ſeyn ſoll. C. Die ungluͤck- lichen Kriege mit den Roͤ- mern, und der Verfall ihrer Verfaſſung, wodurch der Lauf der Kunſt bey ihnen ge- hemmet wur- de. Der 8) 1) Hiſt. Vniv. des Anglois, T. 14. p. 218. Traduct. Franc. 2) Plin. L. 34. p. 646. l. 3. 8) In freta dum fluvii current, dum montibus umbrae Luſtrabunt convexa, polus dum ſidera paſcet: Semper honos, nomenque tuum, laudesque manebunt. Ehemals war eine Begraͤbniß-Urne in Rom, auf welcher ſo gar eine ſogenannte unzuͤchti- ge Spintriſche Vorſtellung war, und von der Inſchrift auf derſelben hatten ſich die Worte erhalten: ΟΥ ΜΕΛΕΙ ΜΟΙ, „es liegt mir nichts daran.„ L 3

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/135>, abgerufen am 25.04.2024.