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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von der Kunst unter den Hetruriern.
lers in der Anatomie, an den genau angegebenen Knochen und Muskeln,
aber auch zugleich von der Härte des Hetrurischen Stils. Es ist derselbe
zu Anfang des zweyten Theils dieser Schrift vorgestellet 3). Der andere
Stein bildet den Peleus, des Achilles Vater, mit dessen Namen, ab,
wie er sich die Haare an einem Brunnen wäscht, welcher den Fluß Sper-
chion
in Thessalien vorstellen soll 1), dem er die Haare seines Sohns
Achilles abzuschneiden und zu weihen gelobete, wenn er gesund von Troja
zurück kommen würde. So schnitten sich die Knaben zu Phigala 2) die
Haare ab, und weiheten dieselben dem Flusse daselbst, und Leucippus 3)
ließ seine Haare für den Fluß Alpheus wachsen. Man merke hier, in Ab-
sicht der Griechischen Helden auf Hetrurischen Werken, was Pindarus
insbesondere vom Peleus sagt 4), daß kein so entlegenes Land, und von so ver-
schiedener Sprache sey, wohin nicht der Ruhm dieses Helden, des Schwie-
gersohns der Götter gekommen.

Unter den Münzen sind einige die allerältesten Denkmaale der Hetru-E.
Münzen.

rischen Kunst, und ich habe zwo derselben vor Augen, welche ein Künst-
ler in Rom, in einem Museo von ausgesuchten seltenen Griechischen Mün-
zen, besitzet. Sie sind von einem zusammengesetzten weißlichen Metalle,
und sehr wohl erhalten; die eine hat auf einer Seite ein Thier, welches ein
Hirsch zu seyn scheinet, und auf der andern sind zwo vorwerts gestellete Figu-
ren, welche einander gleich sind, und einen Stab halten. Dieses müssen die
ersten Versuche ihrer Kunst seyn. Die Beine sind zwo Linien, welche sich

in
3) Es könnte fast scheinen, Statius habe diesen Stein gesehen, oder alle Figuren des Ty-
deus
müssen eben so gezeichnet gewesen seyn, das ist, mit starken und sichtbaren Knochen,
und mit knotenmäßigen Muskeln: denn die Beschreibung des Dichters scheinet den Stein
zu malen, und zu erklären, so wie der Stein wiederum den Dichter erläutern kann:
-- -- -- -- quamquam ipse videri
Exiguus, gravia ossa tamen, nodisque lacerti
Difficiles: numquam hunc animum natura minori
Corpore, nec tantas ausa est includere vires.

Theb. L. 6. v. 840.
1) Il. ps', 144. Pausan. L. 1. p. 90. l. 8.
2) Id. L. 8. p. 683. l. 32.
3) Ibid. p. 638. l. 21. conf. Victor. Var. Lect. L. 6. c. 22.
4) Nem. 6. v. 34. seq.
N 3

Von der Kunſt unter den Hetruriern.
lers in der Anatomie, an den genau angegebenen Knochen und Muskeln,
aber auch zugleich von der Haͤrte des Hetruriſchen Stils. Es iſt derſelbe
zu Anfang des zweyten Theils dieſer Schrift vorgeſtellet 3). Der andere
Stein bildet den Peleus, des Achilles Vater, mit deſſen Namen, ab,
wie er ſich die Haare an einem Brunnen waͤſcht, welcher den Fluß Sper-
chion
in Theſſalien vorſtellen ſoll 1), dem er die Haare ſeines Sohns
Achilles abzuſchneiden und zu weihen gelobete, wenn er geſund von Troja
zuruͤck kommen wuͤrde. So ſchnitten ſich die Knaben zu Phigala 2) die
Haare ab, und weiheten dieſelben dem Fluſſe daſelbſt, und Leucippus 3)
ließ ſeine Haare fuͤr den Fluß Alpheus wachſen. Man merke hier, in Ab-
ſicht der Griechiſchen Helden auf Hetruriſchen Werken, was Pindarus
insbeſondere vom Peleus ſagt 4), daß kein ſo entlegenes Land, und von ſo ver-
ſchiedener Sprache ſey, wohin nicht der Ruhm dieſes Helden, des Schwie-
gerſohns der Goͤtter gekommen.

Unter den Muͤnzen ſind einige die alleraͤlteſten Denkmaale der Hetru-E.
Muͤnzen.

riſchen Kunſt, und ich habe zwo derſelben vor Augen, welche ein Kuͤnſt-
ler in Rom, in einem Muſeo von ausgeſuchten ſeltenen Griechiſchen Muͤn-
zen, beſitzet. Sie ſind von einem zuſammengeſetzten weißlichen Metalle,
und ſehr wohl erhalten; die eine hat auf einer Seite ein Thier, welches ein
Hirſch zu ſeyn ſcheinet, und auf der andern ſind zwo vorwerts geſtellete Figu-
ren, welche einander gleich ſind, und einen Stab halten. Dieſes muͤſſen die
erſten Verſuche ihrer Kunſt ſeyn. Die Beine ſind zwo Linien, welche ſich

in
3) Es koͤnnte faſt ſcheinen, Statius habe dieſen Stein geſehen, oder alle Figuren des Ty-
deus
muͤſſen eben ſo gezeichnet geweſen ſeyn, das iſt, mit ſtarken und ſichtbaren Knochen,
und mit knotenmaͤßigen Muskeln: denn die Beſchreibung des Dichters ſcheinet den Stein
zu malen, und zu erklaͤren, ſo wie der Stein wiederum den Dichter erlaͤutern kann:
— — — — quamquam ipſe videri
Exiguus, gravia oſſa tamen, nodisque lacerti
Difficiles: numquam hunc animum natura minori
Corpore, nec tantas auſa eſt includere vires.

Theb. L. 6. v. 840.
1) Il. ψ᾽, 144. Pauſan. L. 1. p. 90. l. 8.
2) Id. L. 8. p. 683. l. 32.
3) Ibid. p. 638. l. 21. conf. Victor. Var. Lect. L. 6. c. 22.
4) Nem. 6. v. 34. ſeq.
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[101/0151] Von der Kunſt unter den Hetruriern. lers in der Anatomie, an den genau angegebenen Knochen und Muskeln, aber auch zugleich von der Haͤrte des Hetruriſchen Stils. Es iſt derſelbe zu Anfang des zweyten Theils dieſer Schrift vorgeſtellet 3). Der andere Stein bildet den Peleus, des Achilles Vater, mit deſſen Namen, ab, wie er ſich die Haare an einem Brunnen waͤſcht, welcher den Fluß Sper- chion in Theſſalien vorſtellen ſoll 1), dem er die Haare ſeines Sohns Achilles abzuſchneiden und zu weihen gelobete, wenn er geſund von Troja zuruͤck kommen wuͤrde. So ſchnitten ſich die Knaben zu Phigala 2) die Haare ab, und weiheten dieſelben dem Fluſſe daſelbſt, und Leucippus 3) ließ ſeine Haare fuͤr den Fluß Alpheus wachſen. Man merke hier, in Ab- ſicht der Griechiſchen Helden auf Hetruriſchen Werken, was Pindarus insbeſondere vom Peleus ſagt 4), daß kein ſo entlegenes Land, und von ſo ver- ſchiedener Sprache ſey, wohin nicht der Ruhm dieſes Helden, des Schwie- gerſohns der Goͤtter gekommen. Unter den Muͤnzen ſind einige die alleraͤlteſten Denkmaale der Hetru- riſchen Kunſt, und ich habe zwo derſelben vor Augen, welche ein Kuͤnſt- ler in Rom, in einem Muſeo von ausgeſuchten ſeltenen Griechiſchen Muͤn- zen, beſitzet. Sie ſind von einem zuſammengeſetzten weißlichen Metalle, und ſehr wohl erhalten; die eine hat auf einer Seite ein Thier, welches ein Hirſch zu ſeyn ſcheinet, und auf der andern ſind zwo vorwerts geſtellete Figu- ren, welche einander gleich ſind, und einen Stab halten. Dieſes muͤſſen die erſten Verſuche ihrer Kunſt ſeyn. Die Beine ſind zwo Linien, welche ſich in E. Muͤnzen. 3) Es koͤnnte faſt ſcheinen, Statius habe dieſen Stein geſehen, oder alle Figuren des Ty- deus muͤſſen eben ſo gezeichnet geweſen ſeyn, das iſt, mit ſtarken und ſichtbaren Knochen, und mit knotenmaͤßigen Muskeln: denn die Beſchreibung des Dichters ſcheinet den Stein zu malen, und zu erklaͤren, ſo wie der Stein wiederum den Dichter erlaͤutern kann: — — — — quamquam ipſe videri Exiguus, gravia oſſa tamen, nodisque lacerti Difficiles: numquam hunc animum natura minori Corpore, nec tantas auſa eſt includere vires. Theb. L. 6. v. 840. 1) Il. ψ᾽, 144. Pauſan. L. 1. p. 90. l. 8. 2) Id. L. 8. p. 683. l. 32. 3) Ibid. p. 638. l. 21. conf. Victor. Var. Lect. L. 6. c. 22. 4) Nem. 6. v. 34. ſeq. N 3

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/151>, abgerufen am 16.04.2024.