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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von der Kunst unter den Hetruriern.
Griechischen Kunst eigen ist, welche in diesem Stile nachgeahmet worden,
würde zu besserem Verständnisse auf die Figuren in demselben angewendet
werden können: dieses aber wäre in einer allgemeinen Untersuchung der
Kunst aller Völker, welche diese Schrift begreift, überflüßig. Einige der
vornehmsten Werke der Kunst dieses Volks, welche ich aus ihrer letzten
Zeit glaube, sind oben angezeiget worden; nemlich die drey Statuen von
Erzt in der Gallerie zu Florenz. Es scheinen auch, unter andern Br-
gräbniß-Urnen, vier aus Alabaster von Volterra, bey dieser Stadt im
Jahre 1761. gefunden, welche in der Villa Albani stehen, aus dieser Zeit
zu seyn. Es sind dieselben nur drey Palme lang, und einen Palm breit;
daher dieselben nur zur Verwahrung der Asche können gedienet haben. Auf
dem Deckel derselben liegt die verstorbene Person, halb Lebensgröße,
mit aufgerichtetem Leibe, welcher sich auf einen Arm stützet, vorgestellet:
drey von denselben halten eine Schaale, und eine ein Trink-Horn. Die
Füße dieser Figuren sind wie abgesäget, weil sie auf dem Deckel nicht
Raum hatten.

Von der Hetrurischen Kleidung habe ich nichts, als dieses, zu erin-F.
Von der Be-
kleidung He-
trurischer Fi-
guren.

nern. An Figuren in Marmor ist der Mantel niemals frey geworfen,
sondern allezeit in parallel Falten geleget, die entweder senkrecht, oder in
die Quere gehen; einen freyen Wurf der Mäntel aber sieht man an
zween unter den fünf Griechischen Helden: folglich kann aus jenen Wer-
ken nicht allgemein geschlossen werden. Die Ermel des Weiblichen Unter-
kleides sind oft in ganz kleine gekniffene Falten gebrochen, nach Art der
Italienischen Chor-Hembden (Rocchetti) der Cardinäle, und der Ca-
nonici einiger Kirchen; oder in Deutschland kann man sich von dem, was ich

bedeu-
Winckelm. Gesch. der Kunst. P

Von der Kunſt unter den Hetruriern.
Griechiſchen Kunſt eigen iſt, welche in dieſem Stile nachgeahmet worden,
wuͤrde zu beſſerem Verſtaͤndniſſe auf die Figuren in demſelben angewendet
werden koͤnnen: dieſes aber waͤre in einer allgemeinen Unterſuchung der
Kunſt aller Voͤlker, welche dieſe Schrift begreift, uͤberfluͤßig. Einige der
vornehmſten Werke der Kunſt dieſes Volks, welche ich aus ihrer letzten
Zeit glaube, ſind oben angezeiget worden; nemlich die drey Statuen von
Erzt in der Gallerie zu Florenz. Es ſcheinen auch, unter andern Br-
graͤbniß-Urnen, vier aus Alabaſter von Volterra, bey dieſer Stadt im
Jahre 1761. gefunden, welche in der Villa Albani ſtehen, aus dieſer Zeit
zu ſeyn. Es ſind dieſelben nur drey Palme lang, und einen Palm breit;
daher dieſelben nur zur Verwahrung der Aſche koͤnnen gedienet haben. Auf
dem Deckel derſelben liegt die verſtorbene Perſon, halb Lebensgroͤße,
mit aufgerichtetem Leibe, welcher ſich auf einen Arm ſtuͤtzet, vorgeſtellet:
drey von denſelben halten eine Schaale, und eine ein Trink-Horn. Die
Fuͤße dieſer Figuren ſind wie abgeſaͤget, weil ſie auf dem Deckel nicht
Raum hatten.

Von der Hetruriſchen Kleidung habe ich nichts, als dieſes, zu erin-F.
Von der Be-
kleidung He-
truriſcher Fi-
guren.

nern. An Figuren in Marmor iſt der Mantel niemals frey geworfen,
ſondern allezeit in parallel Falten geleget, die entweder ſenkrecht, oder in
die Quere gehen; einen freyen Wurf der Maͤntel aber ſieht man an
zween unter den fuͤnf Griechiſchen Helden: folglich kann aus jenen Wer-
ken nicht allgemein geſchloſſen werden. Die Ermel des Weiblichen Unter-
kleides ſind oft in ganz kleine gekniffene Falten gebrochen, nach Art der
Italieniſchen Chor-Hembden (Rocchetti) der Cardinaͤle, und der Ca-
nonici einiger Kirchen; oder in Deutſchland kann man ſich von dem, was ich

bedeu-
Winckelm. Geſch. der Kunſt. P
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[113/0163] Von der Kunſt unter den Hetruriern. Griechiſchen Kunſt eigen iſt, welche in dieſem Stile nachgeahmet worden, wuͤrde zu beſſerem Verſtaͤndniſſe auf die Figuren in demſelben angewendet werden koͤnnen: dieſes aber waͤre in einer allgemeinen Unterſuchung der Kunſt aller Voͤlker, welche dieſe Schrift begreift, uͤberfluͤßig. Einige der vornehmſten Werke der Kunſt dieſes Volks, welche ich aus ihrer letzten Zeit glaube, ſind oben angezeiget worden; nemlich die drey Statuen von Erzt in der Gallerie zu Florenz. Es ſcheinen auch, unter andern Br- graͤbniß-Urnen, vier aus Alabaſter von Volterra, bey dieſer Stadt im Jahre 1761. gefunden, welche in der Villa Albani ſtehen, aus dieſer Zeit zu ſeyn. Es ſind dieſelben nur drey Palme lang, und einen Palm breit; daher dieſelben nur zur Verwahrung der Aſche koͤnnen gedienet haben. Auf dem Deckel derſelben liegt die verſtorbene Perſon, halb Lebensgroͤße, mit aufgerichtetem Leibe, welcher ſich auf einen Arm ſtuͤtzet, vorgeſtellet: drey von denſelben halten eine Schaale, und eine ein Trink-Horn. Die Fuͤße dieſer Figuren ſind wie abgeſaͤget, weil ſie auf dem Deckel nicht Raum hatten. Von der Hetruriſchen Kleidung habe ich nichts, als dieſes, zu erin- nern. An Figuren in Marmor iſt der Mantel niemals frey geworfen, ſondern allezeit in parallel Falten geleget, die entweder ſenkrecht, oder in die Quere gehen; einen freyen Wurf der Maͤntel aber ſieht man an zween unter den fuͤnf Griechiſchen Helden: folglich kann aus jenen Wer- ken nicht allgemein geſchloſſen werden. Die Ermel des Weiblichen Unter- kleides ſind oft in ganz kleine gekniffene Falten gebrochen, nach Art der Italieniſchen Chor-Hembden (Rocchetti) der Cardinaͤle, und der Ca- nonici einiger Kirchen; oder in Deutſchland kann man ſich von dem, was ich bedeu- F. Von der Be- kleidung He- truriſcher Fi- guren. Winckelm. Geſch. der Kunſt. P

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/163>, abgerufen am 20.04.2024.