Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite
I Theil. Drittes Capitel.
I.
Der Samni-
ter.

Von den Werken der Kunst der Samniter und Volsker hat sich,
außer ein paar Münzen, so viel uns kenntlich ist, nichts erhalten; von
den Campanern aber, Münzen und irrdene gemalte Gefäße: ich kann also
von jenen nur allgemeine Nachrichten von ihrer Verfassung und Lebensart
geben, woraus auf die Kunst unter ihnen könnte geschlossen werden, wel-
ches der erste Satz dieses Stücks ist; der zweyte handelt von den Werken
der Kunst der Campaner.

Es wird sich mit der Kunst jener beyden Völker, wie mit ihrer
Sprache, verhalten, welches die Oscische 1) war, die, wo sie nicht als ein Dia-
lect der Hetrurischen anzusehen ist, von dieser wenigstens nicht sehr ver-
schieden gewesen seyn wird. So wie wir aber den Unterschied der Mund-
art dieser Völker nicht wissen, so mangelt es uns auch an Unterricht, wenn
sich etwa von ihren Münzen oder geschnittenen Steinen etwas erhalten hat,
die Kennzeichen davon anzugeben.

Die Samniter liebeten die Pracht, und waren als kriegerische Völ-
ker dennoch den Wollüsten des Lebens 2) sehr ergeben: im Kriege waren
ihre Schilder 3) einige mit Golde, andere mit Silber ausgelegt, und zu
der Zeit, da die Römer von Leinenzeuge nicht viel scheinen gewust zu haben,
trug die auserlesene Mannschaft der Samniter, so gar im Felde, Röcke 4)
von Leinewand, so wie die Spanier 5) in dem Heere des Hannibals, die
dieselben mit Purpur besetzet hatten; und Livius berichtet 6), daß das
ganze Lager der Samniter in dem Kriege der Römer unter dem Consul
L. Papirius Cursor, welches ins gevierte sich auf allen Seiten an zwey
hundert Schritte erstreckete, mit leinen Tüchern umzogen gewesen. Ca-
pua, welches von den Hetruriern 7) erbauet worden, und, nach dem Li-

vius 1),
1) Liv. L. 10. c. 20.
2) conf. Casaub. in Capitol. p. 106. F.
3) Liv. L. 9. c. 40.
4) Ibid. c. 4. & L. 10. c. 38.
5) Id. L. 22. c. 46.
6) Id. L. 10. c. 38.
7) Mela, L. 2. c. 4.
1) Liv. L. 4. c. 52.
I Theil. Drittes Capitel.
I.
Der Samni-
ter.

Von den Werken der Kunſt der Samniter und Volsker hat ſich,
außer ein paar Muͤnzen, ſo viel uns kenntlich iſt, nichts erhalten; von
den Campanern aber, Muͤnzen und irrdene gemalte Gefaͤße: ich kann alſo
von jenen nur allgemeine Nachrichten von ihrer Verfaſſung und Lebensart
geben, woraus auf die Kunſt unter ihnen koͤnnte geſchloſſen werden, wel-
ches der erſte Satz dieſes Stuͤcks iſt; der zweyte handelt von den Werken
der Kunſt der Campaner.

Es wird ſich mit der Kunſt jener beyden Voͤlker, wie mit ihrer
Sprache, verhalten, welches die Oſciſche 1) war, die, wo ſie nicht als ein Dia-
lect der Hetruriſchen anzuſehen iſt, von dieſer wenigſtens nicht ſehr ver-
ſchieden geweſen ſeyn wird. So wie wir aber den Unterſchied der Mund-
art dieſer Voͤlker nicht wiſſen, ſo mangelt es uns auch an Unterricht, wenn
ſich etwa von ihren Muͤnzen oder geſchnittenen Steinen etwas erhalten hat,
die Kennzeichen davon anzugeben.

Die Samniter liebeten die Pracht, und waren als kriegeriſche Voͤl-
ker dennoch den Wolluͤſten des Lebens 2) ſehr ergeben: im Kriege waren
ihre Schilder 3) einige mit Golde, andere mit Silber ausgelegt, und zu
der Zeit, da die Roͤmer von Leinenzeuge nicht viel ſcheinen gewuſt zu haben,
trug die auserleſene Mannſchaft der Samniter, ſo gar im Felde, Roͤcke 4)
von Leinewand, ſo wie die Spanier 5) in dem Heere des Hannibals, die
dieſelben mit Purpur beſetzet hatten; und Livius berichtet 6), daß das
ganze Lager der Samniter in dem Kriege der Roͤmer unter dem Conſul
L. Papirius Curſor, welches ins gevierte ſich auf allen Seiten an zwey
hundert Schritte erſtreckete, mit leinen Tuͤchern umzogen geweſen. Ca-
pua, welches von den Hetruriern 7) erbauet worden, und, nach dem Li-

vius 1),
1) Liv. L. 10. c. 20.
2) conf. Caſaub. in Capitol. p. 106. F.
3) Liv. L. 9. c. 40.
4) Ibid. c. 4. & L. 10. c. 38.
5) Id. L. 22. c. 46.
6) Id. L. 10. c. 38.
7) Mela, L. 2. c. 4.
1) Liv. L. 4. c. 52.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0166" n="116"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I</hi> Theil. Drittes Capitel.</hi> </fw><lb/>
                <note place="left"><hi rendition="#aq">I.</hi><lb/>
Der Samni-<lb/>
ter.</note>
                <p>Von den Werken der Kun&#x017F;t der Samniter und Volsker hat &#x017F;ich,<lb/>
außer ein paar Mu&#x0364;nzen, &#x017F;o viel uns kenntlich i&#x017F;t, nichts erhalten; von<lb/>
den Campanern aber, Mu&#x0364;nzen und irrdene gemalte Gefa&#x0364;ße: ich kann al&#x017F;o<lb/>
von jenen nur allgemeine Nachrichten von ihrer Verfa&#x017F;&#x017F;ung und Lebensart<lb/>
geben, woraus auf die Kun&#x017F;t unter ihnen ko&#x0364;nnte ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en werden, wel-<lb/>
ches der er&#x017F;te Satz die&#x017F;es Stu&#x0364;cks i&#x017F;t; der zweyte handelt von den Werken<lb/>
der Kun&#x017F;t der Campaner.</p><lb/>
                <p>Es wird &#x017F;ich mit der Kun&#x017F;t jener beyden Vo&#x0364;lker, wie mit ihrer<lb/>
Sprache, verhalten, welches die O&#x017F;ci&#x017F;che <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Liv. L. 10. c.</hi> 20.</note> war, die, wo &#x017F;ie nicht als ein Dia-<lb/>
lect der Hetruri&#x017F;chen anzu&#x017F;ehen i&#x017F;t, von die&#x017F;er wenig&#x017F;tens nicht &#x017F;ehr ver-<lb/>
&#x017F;chieden gewe&#x017F;en &#x017F;eyn wird. So wie wir aber den Unter&#x017F;chied der Mund-<lb/>
art die&#x017F;er Vo&#x0364;lker nicht wi&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o mangelt es uns auch an Unterricht, wenn<lb/>
&#x017F;ich etwa von ihren Mu&#x0364;nzen oder ge&#x017F;chnittenen Steinen etwas erhalten hat,<lb/>
die Kennzeichen davon anzugeben.</p><lb/>
                <p>Die <hi rendition="#fr">Samniter</hi> liebeten die Pracht, und waren als kriegeri&#x017F;che Vo&#x0364;l-<lb/>
ker dennoch den Wollu&#x0364;&#x017F;ten des Lebens <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">conf. Ca&#x017F;aub. in Capitol. p. 106. F.</hi></note> &#x017F;ehr ergeben: im Kriege waren<lb/>
ihre Schilder <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Liv. L. 9. c.</hi> 40.</note> einige mit Golde, andere mit Silber ausgelegt, und zu<lb/>
der Zeit, da die Ro&#x0364;mer von Leinenzeuge nicht viel &#x017F;cheinen gewu&#x017F;t zu haben,<lb/>
trug die auserle&#x017F;ene Mann&#x017F;chaft der Samniter, &#x017F;o gar im Felde, Ro&#x0364;cke <note place="foot" n="4)"><hi rendition="#aq">Ibid. c. 4. &amp; L. 10. c.</hi> 38.</note><lb/>
von Leinewand, &#x017F;o wie die Spanier <note place="foot" n="5)"><hi rendition="#aq">Id. L. 22. c.</hi> 46.</note> in dem Heere des Hannibals, die<lb/>
die&#x017F;elben mit Purpur be&#x017F;etzet hatten; und Livius berichtet <note place="foot" n="6)"><hi rendition="#aq">Id. L. 10. c.</hi> 38.</note>, daß das<lb/>
ganze Lager der Samniter in dem Kriege der Ro&#x0364;mer unter dem Con&#x017F;ul<lb/>
L. Papirius Cur&#x017F;or, welches ins gevierte &#x017F;ich auf allen Seiten an zwey<lb/>
hundert Schritte er&#x017F;treckete, mit leinen Tu&#x0364;chern umzogen gewe&#x017F;en. Ca-<lb/>
pua, welches von den Hetruriern <note place="foot" n="7)"><hi rendition="#aq">Mela, L. 2. c.</hi> 4.</note> erbauet worden, und, nach dem Li-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">vius <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Liv. L. 4. c.</hi> 52.</note>,</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0166] I Theil. Drittes Capitel. Von den Werken der Kunſt der Samniter und Volsker hat ſich, außer ein paar Muͤnzen, ſo viel uns kenntlich iſt, nichts erhalten; von den Campanern aber, Muͤnzen und irrdene gemalte Gefaͤße: ich kann alſo von jenen nur allgemeine Nachrichten von ihrer Verfaſſung und Lebensart geben, woraus auf die Kunſt unter ihnen koͤnnte geſchloſſen werden, wel- ches der erſte Satz dieſes Stuͤcks iſt; der zweyte handelt von den Werken der Kunſt der Campaner. Es wird ſich mit der Kunſt jener beyden Voͤlker, wie mit ihrer Sprache, verhalten, welches die Oſciſche 1) war, die, wo ſie nicht als ein Dia- lect der Hetruriſchen anzuſehen iſt, von dieſer wenigſtens nicht ſehr ver- ſchieden geweſen ſeyn wird. So wie wir aber den Unterſchied der Mund- art dieſer Voͤlker nicht wiſſen, ſo mangelt es uns auch an Unterricht, wenn ſich etwa von ihren Muͤnzen oder geſchnittenen Steinen etwas erhalten hat, die Kennzeichen davon anzugeben. Die Samniter liebeten die Pracht, und waren als kriegeriſche Voͤl- ker dennoch den Wolluͤſten des Lebens 2) ſehr ergeben: im Kriege waren ihre Schilder 3) einige mit Golde, andere mit Silber ausgelegt, und zu der Zeit, da die Roͤmer von Leinenzeuge nicht viel ſcheinen gewuſt zu haben, trug die auserleſene Mannſchaft der Samniter, ſo gar im Felde, Roͤcke 4) von Leinewand, ſo wie die Spanier 5) in dem Heere des Hannibals, die dieſelben mit Purpur beſetzet hatten; und Livius berichtet 6), daß das ganze Lager der Samniter in dem Kriege der Roͤmer unter dem Conſul L. Papirius Curſor, welches ins gevierte ſich auf allen Seiten an zwey hundert Schritte erſtreckete, mit leinen Tuͤchern umzogen geweſen. Ca- pua, welches von den Hetruriern 7) erbauet worden, und, nach dem Li- vius 1), 1) Liv. L. 10. c. 20. 2) conf. Caſaub. in Capitol. p. 106. F. 3) Liv. L. 9. c. 40. 4) Ibid. c. 4. & L. 10. c. 38. 5) Id. L. 22. c. 46. 6) Id. L. 10. c. 38. 7) Mela, L. 2. c. 4. 1) Liv. L. 4. c. 52.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/166
Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/166>, abgerufen am 29.03.2024.