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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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I Theil. Drittes Capitel.
denselben verbergen wollte, um nicht erkannt zu werden, und in der an-
dern Hand trägt er eine Lampe, welche er gegen das Fenster erhebet, ent-
weder dem Jupiter zu leuchten, oder es zu machen, wie Delphis beym
Theocritus zur Simätha sagt, mit der Axt und mit der Lampe 1), auch
mit Feuer Gewalt zu gebrauchen, wenn ihn seine Geliebte nicht einlassen
würde. Er hat einen großen Priapus, welcher auch hier seine Deutung
hat, und in den Comödien der Alten band man sich ein großes Glied 2)
von rothem Leder vor. Beyde Figuren haben weißliche Hosen und Strüm-
pfe aus einem Stücke, welche bis auf die Knöchel der Füße reichen, wie
der sitzende Comicus mit einer Maske vor dem Gesicht, in der Villa Matei:
denn die Personen in den Comödien der Alten durften nicht ohne Hosen 3)
erscheinen. Das Nackende der Figuren ist Fleischfarbe, bis auf den Pria-
pus, welcher dunkel roth ist, so wie die Kleidung der Figuren, und das
Kleid der Alcmena ist, mit weißen Sternchen bezeichnet Mit Sternen ge-
würkte Kleider, waren schon unter den Griechen der ältesten Zeiten bekannt;
ein solches hatte der Held Sosipolis 4) auf einem uralten Gemälde, und
Demetrius Poliorcetes 5) trug dergleichen. Dieses Gefäß ist zu Anfang
dieses dritten Stücks in Kupfer gestochen beygebracht.

Die Zeichnung auf den mehresten Gefäßen ist so beschaffen, daß die
Figuren in einer Zeichnung des Raphaels einen würdigen Platz haben
könnten, und es ist merkwürdig, daß sich nicht zwey mit völlig einerley
Bildern finden, und unter so viel hunderten, welche ich gesehen habe, hat
jedes Gefäß seine besondere Vorstellung. Wer die meisterhafte und zierli-
che Zeichnung auf denselben betrachtet, und einsehen kann, und die Art zu
verfahren weiß, in Auftragung der Farben auf dergleichen gebrannte Ar-

beit,
1) Idyl. a. v. 127.
2) Aristoph. Nub. v. 539. conf. Eiusd. Lysistr. v. 110.
3) Pitt. Erc. T. I. p. 267. n. 9.
4) Pausan. L. 6. p. 517. l. 8.
5) Athen. Deipn. L. 12. p. 535. F.

I Theil. Drittes Capitel.
denſelben verbergen wollte, um nicht erkannt zu werden, und in der an-
dern Hand traͤgt er eine Lampe, welche er gegen das Fenſter erhebet, ent-
weder dem Jupiter zu leuchten, oder es zu machen, wie Delphis beym
Theocritus zur Simaͤtha ſagt, mit der Axt und mit der Lampe 1), auch
mit Feuer Gewalt zu gebrauchen, wenn ihn ſeine Geliebte nicht einlaſſen
wuͤrde. Er hat einen großen Priapus, welcher auch hier ſeine Deutung
hat, und in den Comoͤdien der Alten band man ſich ein großes Glied 2)
von rothem Leder vor. Beyde Figuren haben weißliche Hoſen und Struͤm-
pfe aus einem Stuͤcke, welche bis auf die Knoͤchel der Fuͤße reichen, wie
der ſitzende Comicus mit einer Maske vor dem Geſicht, in der Villa Matei:
denn die Perſonen in den Comoͤdien der Alten durften nicht ohne Hoſen 3)
erſcheinen. Das Nackende der Figuren iſt Fleiſchfarbe, bis auf den Pria-
pus, welcher dunkel roth iſt, ſo wie die Kleidung der Figuren, und das
Kleid der Alcmena iſt, mit weißen Sternchen bezeichnet Mit Sternen ge-
wuͤrkte Kleider, waren ſchon unter den Griechen der aͤlteſten Zeiten bekannt;
ein ſolches hatte der Held Soſipolis 4) auf einem uralten Gemaͤlde, und
Demetrius Poliorcetes 5) trug dergleichen. Dieſes Gefaͤß iſt zu Anfang
dieſes dritten Stuͤcks in Kupfer geſtochen beygebracht.

Die Zeichnung auf den mehreſten Gefaͤßen iſt ſo beſchaffen, daß die
Figuren in einer Zeichnung des Raphaels einen wuͤrdigen Platz haben
koͤnnten, und es iſt merkwuͤrdig, daß ſich nicht zwey mit voͤllig einerley
Bildern finden, und unter ſo viel hunderten, welche ich geſehen habe, hat
jedes Gefaͤß ſeine beſondere Vorſtellung. Wer die meiſterhafte und zierli-
che Zeichnung auf denſelben betrachtet, und einſehen kann, und die Art zu
verfahren weiß, in Auftragung der Farben auf dergleichen gebrannte Ar-

beit,
1) Idyl. a. v. 127.
2) Ariſtoph. Nub. v. 539. conf. Eiusd. Lyſiſtr. v. 110.
3) Pitt. Erc. T. I. p. 267. n. 9.
4) Pauſan. L. 6. p. 517. l. 8.
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[122/0172] I Theil. Drittes Capitel. denſelben verbergen wollte, um nicht erkannt zu werden, und in der an- dern Hand traͤgt er eine Lampe, welche er gegen das Fenſter erhebet, ent- weder dem Jupiter zu leuchten, oder es zu machen, wie Delphis beym Theocritus zur Simaͤtha ſagt, mit der Axt und mit der Lampe 1), auch mit Feuer Gewalt zu gebrauchen, wenn ihn ſeine Geliebte nicht einlaſſen wuͤrde. Er hat einen großen Priapus, welcher auch hier ſeine Deutung hat, und in den Comoͤdien der Alten band man ſich ein großes Glied 2) von rothem Leder vor. Beyde Figuren haben weißliche Hoſen und Struͤm- pfe aus einem Stuͤcke, welche bis auf die Knoͤchel der Fuͤße reichen, wie der ſitzende Comicus mit einer Maske vor dem Geſicht, in der Villa Matei: denn die Perſonen in den Comoͤdien der Alten durften nicht ohne Hoſen 3) erſcheinen. Das Nackende der Figuren iſt Fleiſchfarbe, bis auf den Pria- pus, welcher dunkel roth iſt, ſo wie die Kleidung der Figuren, und das Kleid der Alcmena iſt, mit weißen Sternchen bezeichnet Mit Sternen ge- wuͤrkte Kleider, waren ſchon unter den Griechen der aͤlteſten Zeiten bekannt; ein ſolches hatte der Held Soſipolis 4) auf einem uralten Gemaͤlde, und Demetrius Poliorcetes 5) trug dergleichen. Dieſes Gefaͤß iſt zu Anfang dieſes dritten Stuͤcks in Kupfer geſtochen beygebracht. Die Zeichnung auf den mehreſten Gefaͤßen iſt ſo beſchaffen, daß die Figuren in einer Zeichnung des Raphaels einen wuͤrdigen Platz haben koͤnnten, und es iſt merkwuͤrdig, daß ſich nicht zwey mit voͤllig einerley Bildern finden, und unter ſo viel hunderten, welche ich geſehen habe, hat jedes Gefaͤß ſeine beſondere Vorſtellung. Wer die meiſterhafte und zierli- che Zeichnung auf denſelben betrachtet, und einſehen kann, und die Art zu verfahren weiß, in Auftragung der Farben auf dergleichen gebrannte Ar- beit, 1) Idyl. a. v. 127. 2) Ariſtoph. Nub. v. 539. conf. Eiusd. Lyſiſtr. v. 110. 3) Pitt. Erc. T. I. p. 267. n. 9. 4) Pauſan. L. 6. p. 517. l. 8. 5) Athen. Deipn. L. 12. p. 535. F.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/172>, abgerufen am 18.04.2024.