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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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I Theil. Viertes Capitel.
Seiten herunter, und wenn sie gebunden wurden, hielten die Bänder
über den Achseln das Band unter der Brust in die Höhe. An einigen Fi-
guren ist dieses Band oder Gürtel so breit, als ein Gurt, wie an einer fast
Colossalischen Figur in der Cancelleria, an der Aurora an dem Bogen des
Constantinus, und an einer Bacchante in der Villa Madama außer Rom.
Die Tragische Muse hat insgemein einen breiten Gürtel, und an einer
großen Begräbnißurne, in der Villa Mattei, ist derselbe gestickt vorgestellet 1);
auch Urania hat zuweilen einen solchen breiten Gürtel.

Die Amazonen allein haben das Band nicht nahe unter der Brust,
sondern, wie dasselbe an Männern ist, über den Hüften liegen, und es die-
nete nicht so wohl, ihren Rock fest oder in die Höhe zu binden, als viel-
mehr, sich zu gürten, ihre kriegerische Natur anzudeuten; (Gürten heißt
beym Homerus, sich zur Schlacht rüsten) daher dieses Band an ihnen ei-
gentlich ein Gürtel zu nennen ist. Eine einzige Amazone unter Lebens-
größe, im Pallaste Farnese, welche verwundet vom Pferde sinket, hat
das Band nahe unter den Brüsten gebunden.

ff Von dem
Gürtel der
Venus.

Die völlig bekleidete Venus ist in Marmor allezeit mit zween Gürteln
vorgestellet, von welchen der andere unter dem Unterleibe liegt, so wie den-
selben die Venus mit einem Portraitkopfe 2), neben dem Mars im Campi-
doglio, und die schöne bekleidete Venus hat, welche ehemals in dem Pal-
laste Spada stand. Dieser untere Gürtel ist nur dieser Göttinn eigen,
und ist derjenige, welcher bey den Dichtern insbesondere der Gürtel der
Venus
heißt: dieses ist noch von niemand bemerket worden. Juno bath
sich denselben aus, da sie den Jupiter eine heftige Begierde gegen sich er-
wecken wollte, und sie legte denselben, wie Homerus sagt 3), in ihren

Schooß,
1) Spon. Miscel. Antiq. p. 44. Montfauc. Ant. expl. T. 1. P. 1. pl. 56.
2) Mus. Capit. T. 3. tab. 20.
3) Il. x v. 219. 223. conf. Non. Dionys. L. 2. p. 95. l. 17.

I Theil. Viertes Capitel.
Seiten herunter, und wenn ſie gebunden wurden, hielten die Baͤnder
uͤber den Achſeln das Band unter der Bruſt in die Hoͤhe. An einigen Fi-
guren iſt dieſes Band oder Guͤrtel ſo breit, als ein Gurt, wie an einer faſt
Coloſſaliſchen Figur in der Cancelleria, an der Aurora an dem Bogen des
Conſtantinus, und an einer Bacchante in der Villa Madama außer Rom.
Die Tragiſche Muſe hat insgemein einen breiten Guͤrtel, und an einer
großen Begraͤbnißurne, in der Villa Mattei, iſt derſelbe geſtickt vorgeſtellet 1);
auch Urania hat zuweilen einen ſolchen breiten Guͤrtel.

Die Amazonen allein haben das Band nicht nahe unter der Bruſt,
ſondern, wie daſſelbe an Maͤnnern iſt, uͤber den Huͤften liegen, und es die-
nete nicht ſo wohl, ihren Rock feſt oder in die Hoͤhe zu binden, als viel-
mehr, ſich zu guͤrten, ihre kriegeriſche Natur anzudeuten; (Guͤrten heißt
beym Homerus, ſich zur Schlacht ruͤſten) daher dieſes Band an ihnen ei-
gentlich ein Guͤrtel zu nennen iſt. Eine einzige Amazone unter Lebens-
groͤße, im Pallaſte Farneſe, welche verwundet vom Pferde ſinket, hat
das Band nahe unter den Bruͤſten gebunden.

ff Von dem
Guͤrtel der
Venus.

Die voͤllig bekleidete Venus iſt in Marmor allezeit mit zween Guͤrteln
vorgeſtellet, von welchen der andere unter dem Unterleibe liegt, ſo wie den-
ſelben die Venus mit einem Portraitkopfe 2), neben dem Mars im Campi-
doglio, und die ſchoͤne bekleidete Venus hat, welche ehemals in dem Pal-
laſte Spada ſtand. Dieſer untere Guͤrtel iſt nur dieſer Goͤttinn eigen,
und iſt derjenige, welcher bey den Dichtern insbeſondere der Guͤrtel der
Venus
heißt: dieſes iſt noch von niemand bemerket worden. Juno bath
ſich denſelben aus, da ſie den Jupiter eine heftige Begierde gegen ſich er-
wecken wollte, und ſie legte denſelben, wie Homerus ſagt 3), in ihren

Schooß,
1) Spon. Miſcel. Antiq. p. 44. Montfauc. Ant. expl. T. 1. P. 1. pl. 56.
2) Muſ. Capit. T. 3. tab. 20.
3) Il. ξ v. 219. 223. conf. Non. Dionyſ. L. 2. p. 95. l. 17.
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[198/0248] I Theil. Viertes Capitel. Seiten herunter, und wenn ſie gebunden wurden, hielten die Baͤnder uͤber den Achſeln das Band unter der Bruſt in die Hoͤhe. An einigen Fi- guren iſt dieſes Band oder Guͤrtel ſo breit, als ein Gurt, wie an einer faſt Coloſſaliſchen Figur in der Cancelleria, an der Aurora an dem Bogen des Conſtantinus, und an einer Bacchante in der Villa Madama außer Rom. Die Tragiſche Muſe hat insgemein einen breiten Guͤrtel, und an einer großen Begraͤbnißurne, in der Villa Mattei, iſt derſelbe geſtickt vorgeſtellet 1); auch Urania hat zuweilen einen ſolchen breiten Guͤrtel. Die Amazonen allein haben das Band nicht nahe unter der Bruſt, ſondern, wie daſſelbe an Maͤnnern iſt, uͤber den Huͤften liegen, und es die- nete nicht ſo wohl, ihren Rock feſt oder in die Hoͤhe zu binden, als viel- mehr, ſich zu guͤrten, ihre kriegeriſche Natur anzudeuten; (Guͤrten heißt beym Homerus, ſich zur Schlacht ruͤſten) daher dieſes Band an ihnen ei- gentlich ein Guͤrtel zu nennen iſt. Eine einzige Amazone unter Lebens- groͤße, im Pallaſte Farneſe, welche verwundet vom Pferde ſinket, hat das Band nahe unter den Bruͤſten gebunden. Die voͤllig bekleidete Venus iſt in Marmor allezeit mit zween Guͤrteln vorgeſtellet, von welchen der andere unter dem Unterleibe liegt, ſo wie den- ſelben die Venus mit einem Portraitkopfe 2), neben dem Mars im Campi- doglio, und die ſchoͤne bekleidete Venus hat, welche ehemals in dem Pal- laſte Spada ſtand. Dieſer untere Guͤrtel iſt nur dieſer Goͤttinn eigen, und iſt derjenige, welcher bey den Dichtern insbeſondere der Guͤrtel der Venus heißt: dieſes iſt noch von niemand bemerket worden. Juno bath ſich denſelben aus, da ſie den Jupiter eine heftige Begierde gegen ſich er- wecken wollte, und ſie legte denſelben, wie Homerus ſagt 3), in ihren Schooß, 1) Spon. Miſcel. Antiq. p. 44. Montfauc. Ant. expl. T. 1. P. 1. pl. 56. 2) Muſ. Capit. T. 3. tab. 20. 3) Il. ξ v. 219. 223. conf. Non. Dionyſ. L. 2. p. 95. l. 17.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/248>, abgerufen am 25.04.2024.