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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von der Kunst unter den Griechen.
die diejenigen vorstelleten, welche sich erbothen hatten zum Loose, mit dem
Hector zu fechten) die Schrift von der Rechten zur Linken gegangen;
welches etwas seltenes auch an den ältesten Statuen scheinet gewesen zu
seyn: denn er meldet dieses von keiner andern Inschrift auf Statuen.

Unter den ältesten Münzen sind die von einigen Städten in Groß-
Griechenland, sonderlich die Münzen von Sybaris, von Caulonia, und
von Posidonia oder Pästum in Lucanien. Die erstern können nicht
nach der zwey und siebenzigsten Olympias, in welcher Sybaris von den
Crotoniatern zerstöret worden 1), gemacht seyn, und die Form der Buchsta-
ben in dem Namen dieser Stadt deuten auf viel frühere Zeiten 2). Der
Ochse auf diesen, und der Hirsch auf Münzen von Caulonia, sind ziemlich
unförmlich: auf sehr alten Münzen dieser Stadt ist Jupiter, so wie Ne-
ptunus auf Münzen der Stadt Posidonia, von schönerm Gepräge, aber
im Stile, welcher insgemein der Hetrurische heißt. Neptunus hält seinen
dreyzackigten Zepter, wie eine Lanze, im Begriffe zu stoßen, und ist, wie
Jupiter, nackend, außer daß er sein zusammengenommenes Gewand über
beyde Arme geworfen hat, als wenn ihm dasselbe statt eines Schildes die-
nen sollte; so wie Jupiter auf einem geschnittenen Steine seine Aegis um
seinen linken Arm gewickelt hat 3). Auf diese Art fochten zuweilen die
Alten in Ermangelung des Schildes, wie Plutarchus vom Alcibiades 4),
und Livius vom Tiberius Gracchus, berichtet 5). Das Gepräge dieser
Münzen ist auf der einen Seite hohl, und auf der andern erhoben, nicht
wie es einige Kaiserliche Münzen haben, wo das hohle Gepräge der einen
Seite ein Versehen ist; sondern auf jenen Münzen zeigen sich offenbar

zween
1) Herodot. L. 6. p. 215. l. 3.
2) Auf demselben stehet [fremdsprachliches Material], an statt ST, und eben so, nemlich wie ein M, stehet das
Sigma auf angeführten Münzen von Posidonia. Das Rho (R) hat einen kleinen
Schwanz [fremdsprachliches Material]. Caulenia ist geschrieben [fremdsprachliches Material]
3) Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 40.
4) Alcib. p. 388. l. 4.
5) L. 25. c. 16. conf. Scalig. Conject. in Varron. p. 10.

Von der Kunſt unter den Griechen.
die diejenigen vorſtelleten, welche ſich erbothen hatten zum Looſe, mit dem
Hector zu fechten) die Schrift von der Rechten zur Linken gegangen;
welches etwas ſeltenes auch an den aͤlteſten Statuen ſcheinet geweſen zu
ſeyn: denn er meldet dieſes von keiner andern Inſchrift auf Statuen.

Unter den aͤlteſten Muͤnzen ſind die von einigen Staͤdten in Groß-
Griechenland, ſonderlich die Muͤnzen von Sybaris, von Caulonia, und
von Poſidonia oder Paͤſtum in Lucanien. Die erſtern koͤnnen nicht
nach der zwey und ſiebenzigſten Olympias, in welcher Sybaris von den
Crotoniatern zerſtoͤret worden 1), gemacht ſeyn, und die Form der Buchſta-
ben in dem Namen dieſer Stadt deuten auf viel fruͤhere Zeiten 2). Der
Ochſe auf dieſen, und der Hirſch auf Muͤnzen von Caulonia, ſind ziemlich
unfoͤrmlich: auf ſehr alten Muͤnzen dieſer Stadt iſt Jupiter, ſo wie Ne-
ptunus auf Muͤnzen der Stadt Poſidonia, von ſchoͤnerm Gepraͤge, aber
im Stile, welcher insgemein der Hetruriſche heißt. Neptunus haͤlt ſeinen
dreyzackigten Zepter, wie eine Lanze, im Begriffe zu ſtoßen, und iſt, wie
Jupiter, nackend, außer daß er ſein zuſammengenommenes Gewand uͤber
beyde Arme geworfen hat, als wenn ihm daſſelbe ſtatt eines Schildes die-
nen ſollte; ſo wie Jupiter auf einem geſchnittenen Steine ſeine Aegis um
ſeinen linken Arm gewickelt hat 3). Auf dieſe Art fochten zuweilen die
Alten in Ermangelung des Schildes, wie Plutarchus vom Alcibiades 4),
und Livius vom Tiberius Gracchus, berichtet 5). Das Gepraͤge dieſer
Muͤnzen iſt auf der einen Seite hohl, und auf der andern erhoben, nicht
wie es einige Kaiſerliche Muͤnzen haben, wo das hohle Gepraͤge der einen
Seite ein Verſehen iſt; ſondern auf jenen Muͤnzen zeigen ſich offenbar

zween
1) Herodot. L. 6. p. 215. l. 3.
2) Auf demſelben ſtehet [fremdsprachliches Material], an ſtatt ΣΤ, und eben ſo, nemlich wie ein Μ, ſtehet das
Sigma auf angefuͤhrten Muͤnzen von Poſidonia. Das Rho (Ρ) hat einen kleinen
Schwanz [fremdsprachliches Material]. Caulenia iſt geſchrieben [fremdsprachliches Material]
3) Deſcr. des Pier. gr. du Cab. de Stoſch, p. 40.
4) Alcib. p. 388. l. 4.
5) L. 25. c. 16. conf. Scalig. Conject. in Varron. p. 10.
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[215/0265] Von der Kunſt unter den Griechen. die diejenigen vorſtelleten, welche ſich erbothen hatten zum Looſe, mit dem Hector zu fechten) die Schrift von der Rechten zur Linken gegangen; welches etwas ſeltenes auch an den aͤlteſten Statuen ſcheinet geweſen zu ſeyn: denn er meldet dieſes von keiner andern Inſchrift auf Statuen. Unter den aͤlteſten Muͤnzen ſind die von einigen Staͤdten in Groß- Griechenland, ſonderlich die Muͤnzen von Sybaris, von Caulonia, und von Poſidonia oder Paͤſtum in Lucanien. Die erſtern koͤnnen nicht nach der zwey und ſiebenzigſten Olympias, in welcher Sybaris von den Crotoniatern zerſtoͤret worden 1), gemacht ſeyn, und die Form der Buchſta- ben in dem Namen dieſer Stadt deuten auf viel fruͤhere Zeiten 2). Der Ochſe auf dieſen, und der Hirſch auf Muͤnzen von Caulonia, ſind ziemlich unfoͤrmlich: auf ſehr alten Muͤnzen dieſer Stadt iſt Jupiter, ſo wie Ne- ptunus auf Muͤnzen der Stadt Poſidonia, von ſchoͤnerm Gepraͤge, aber im Stile, welcher insgemein der Hetruriſche heißt. Neptunus haͤlt ſeinen dreyzackigten Zepter, wie eine Lanze, im Begriffe zu ſtoßen, und iſt, wie Jupiter, nackend, außer daß er ſein zuſammengenommenes Gewand uͤber beyde Arme geworfen hat, als wenn ihm daſſelbe ſtatt eines Schildes die- nen ſollte; ſo wie Jupiter auf einem geſchnittenen Steine ſeine Aegis um ſeinen linken Arm gewickelt hat 3). Auf dieſe Art fochten zuweilen die Alten in Ermangelung des Schildes, wie Plutarchus vom Alcibiades 4), und Livius vom Tiberius Gracchus, berichtet 5). Das Gepraͤge dieſer Muͤnzen iſt auf der einen Seite hohl, und auf der andern erhoben, nicht wie es einige Kaiſerliche Muͤnzen haben, wo das hohle Gepraͤge der einen Seite ein Verſehen iſt; ſondern auf jenen Muͤnzen zeigen ſich offenbar zween 1) Herodot. L. 6. p. 215. l. 3. 2) Auf demſelben ſtehet _ , an ſtatt ΣΤ, und eben ſo, nemlich wie ein Μ, ſtehet das Sigma auf angefuͤhrten Muͤnzen von Poſidonia. Das Rho (Ρ) hat einen kleinen Schwanz _ . Caulenia iſt geſchrieben _ 3) Deſcr. des Pier. gr. du Cab. de Stoſch, p. 40. 4) Alcib. p. 388. l. 4. 5) L. 25. c. 16. conf. Scalig. Conject. in Varron. p. 10.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/265>, abgerufen am 19.04.2024.