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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von dem Ursprunge und Anfange der Kunst.

Das zweyte Stück dieses Capitels, die Materie, in welcher die Bild-Zweytes Stück
hauerey gearbeitet, zeiget die verschiedenen Stuffen derselben, so wie die
Bildung und Zeichnung selbst. Die Kunst und die Bildhauerey fiengen
an mit Thon, hierauf schnitzete man in Holz, hernach in Elfenbein, und
endlich machte man sich an Steine und Metall.

Die erste Materie der Kunst, den Thon, deuten selbst die alten Spra-I.
Erste Materie
der Künstler,
der Thon.

chen an: denn die Arbeit des Töpfers und des Bilders wird 1) durch eben
dasselbe Wort bezeichnet. Es waren noch zu Pausanias Zeiten in ver-
schiedenen Tempeln Figuren der Gottheiten von Thon: als zu 2) Tritia
in Achaja, in dem Tempel der Ceres und Proserpina; in einem Tempel
des Bacchus zu Athen war 3) Amphictyon, wie er nebst andern Göttern den
Bacchus bewirthete, ebenfalls von Thon; und eben daselbst auf der Halle,
Ceramicus, von irrdenen Gefäßen oder Figuren also genannt, stand The-
seus, wie er den Sciron ins Meer stürzete, und die Morgenröthe, welche
den Cephalus entführete, beyde Werke 4) von Thon. Die Bilder aus
Thon wurden mit 5) rother Farbe bemalet, und zuweilen, wie sich an ei-
nem alten 6) Kopfe von gebrannter Erde zeiget, ganz roth überstrichen:
von den Figuren 7) des Jupiters wird es ins besondere gesaget, und in
Arcadien war ein solcher zu 8) Phigalia auch 9) Pan wurde roth bemalet.
Eben dieses geschiehet noch itzo 10) von den Indianern. Es scheinet, daß da-
her der Beyname der Ceres 11) phoinikopeza, die Rothfüßige, gekommen sey.

Der Thon blieb auch nachher so wohl unter, als nach dem FlorII.
Gemalte Ge-
fäße von Thon.

der Kunst ein Vorwurf derselben, theils in erhobenen Sachen, theils

in
1) v. Gusset. Comment. L. Hebr. v. yztsd
2) Pausan. L. 7. p. 580. l. 30.
3) Id. L. 1. p. 7. l. 15.
4) Ibid. p. 8. l. 10.
5) Plin. L. 35. c. 45.
6) Der Verfasser besitzet diesen Kopf, welcher in dem alten Tusculo gefunden worden ist.
7) Plin. L. 23. c. 3.
8) Pausan. L. 8. p. 681. lin. ult.
9) Virg. Eclog. 19. v. 27.
10) Della Valle Viag. T. 1. p. 28.
11) Pind. Olymp. 6. v. 126.
B 2
Von dem Urſprunge und Anfange der Kunſt.

Das zweyte Stuͤck dieſes Capitels, die Materie, in welcher die Bild-Zweytes Stuͤck
hauerey gearbeitet, zeiget die verſchiedenen Stuffen derſelben, ſo wie die
Bildung und Zeichnung ſelbſt. Die Kunſt und die Bildhauerey fiengen
an mit Thon, hierauf ſchnitzete man in Holz, hernach in Elfenbein, und
endlich machte man ſich an Steine und Metall.

Die erſte Materie der Kunſt, den Thon, deuten ſelbſt die alten Spra-I.
Erſte Materie
der Kuͤnſtler,
der Thon.

chen an: denn die Arbeit des Toͤpfers und des Bilders wird 1) durch eben
daſſelbe Wort bezeichnet. Es waren noch zu Pauſanias Zeiten in ver-
ſchiedenen Tempeln Figuren der Gottheiten von Thon: als zu 2) Tritia
in Achaja, in dem Tempel der Ceres und Proſerpina; in einem Tempel
des Bacchus zu Athen war 3) Amphictyon, wie er nebſt andern Goͤttern den
Bacchus bewirthete, ebenfalls von Thon; und eben daſelbſt auf der Halle,
Ceramicus, von irrdenen Gefaͤßen oder Figuren alſo genannt, ſtand The-
ſeus, wie er den Sciron ins Meer ſtuͤrzete, und die Morgenroͤthe, welche
den Cephalus entfuͤhrete, beyde Werke 4) von Thon. Die Bilder aus
Thon wurden mit 5) rother Farbe bemalet, und zuweilen, wie ſich an ei-
nem alten 6) Kopfe von gebrannter Erde zeiget, ganz roth uͤberſtrichen:
von den Figuren 7) des Jupiters wird es ins beſondere geſaget, und in
Arcadien war ein ſolcher zu 8) Phigalia auch 9) Pan wurde roth bemalet.
Eben dieſes geſchiehet noch itzo 10) von den Indianern. Es ſcheinet, daß da-
her der Beyname der Ceres 11) φοινιϰόπεζα, die Rothfuͤßige, gekommen ſey.

Der Thon blieb auch nachher ſo wohl unter, als nach dem FlorII.
Gemalte Ge-
faͤße von Thon.

der Kunſt ein Vorwurf derſelben, theils in erhobenen Sachen, theils

in
1) v. Guſſet. Comment. L. Hebr. v. יזצד
2) Pauſan. L. 7. p. 580. l. 30.
3) Id. L. 1. p. 7. l. 15.
4) Ibid. p. 8. l. 10.
5) Plin. L. 35. c. 45.
6) Der Verfaſſer beſitzet dieſen Kopf, welcher in dem alten Tuſculo gefunden worden iſt.
7) Plin. L. 23. c. 3.
8) Pauſan. L. 8. p. 681. lin. ult.
9) Virg. Eclog. 19. v. 27.
10) Della Valle Viag. T. 1. p. 28.
11) Pind. Olymp. 6. v. 126.
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[11/0061] Von dem Urſprunge und Anfange der Kunſt. Das zweyte Stuͤck dieſes Capitels, die Materie, in welcher die Bild- hauerey gearbeitet, zeiget die verſchiedenen Stuffen derſelben, ſo wie die Bildung und Zeichnung ſelbſt. Die Kunſt und die Bildhauerey fiengen an mit Thon, hierauf ſchnitzete man in Holz, hernach in Elfenbein, und endlich machte man ſich an Steine und Metall. Zweytes Stuͤck Die erſte Materie der Kunſt, den Thon, deuten ſelbſt die alten Spra- chen an: denn die Arbeit des Toͤpfers und des Bilders wird 1) durch eben daſſelbe Wort bezeichnet. Es waren noch zu Pauſanias Zeiten in ver- ſchiedenen Tempeln Figuren der Gottheiten von Thon: als zu 2) Tritia in Achaja, in dem Tempel der Ceres und Proſerpina; in einem Tempel des Bacchus zu Athen war 3) Amphictyon, wie er nebſt andern Goͤttern den Bacchus bewirthete, ebenfalls von Thon; und eben daſelbſt auf der Halle, Ceramicus, von irrdenen Gefaͤßen oder Figuren alſo genannt, ſtand The- ſeus, wie er den Sciron ins Meer ſtuͤrzete, und die Morgenroͤthe, welche den Cephalus entfuͤhrete, beyde Werke 4) von Thon. Die Bilder aus Thon wurden mit 5) rother Farbe bemalet, und zuweilen, wie ſich an ei- nem alten 6) Kopfe von gebrannter Erde zeiget, ganz roth uͤberſtrichen: von den Figuren 7) des Jupiters wird es ins beſondere geſaget, und in Arcadien war ein ſolcher zu 8) Phigalia auch 9) Pan wurde roth bemalet. Eben dieſes geſchiehet noch itzo 10) von den Indianern. Es ſcheinet, daß da- her der Beyname der Ceres 11) φοινιϰόπεζα, die Rothfuͤßige, gekommen ſey. I. Erſte Materie der Kuͤnſtler, der Thon. Der Thon blieb auch nachher ſo wohl unter, als nach dem Flor der Kunſt ein Vorwurf derſelben, theils in erhobenen Sachen, theils in II. Gemalte Ge- faͤße von Thon. 1) v. Guſſet. Comment. L. Hebr. v. יזצד 2) Pauſan. L. 7. p. 580. l. 30. 3) Id. L. 1. p. 7. l. 15. 4) Ibid. p. 8. l. 10. 5) Plin. L. 35. c. 45. 6) Der Verfaſſer beſitzet dieſen Kopf, welcher in dem alten Tuſculo gefunden worden iſt. 7) Plin. L. 23. c. 3. 8) Pauſan. L. 8. p. 681. lin. ult. 9) Virg. Eclog. 19. v. 27. 10) Della Valle Viag. T. 1. p. 28. 11) Pind. Olymp. 6. v. 126. B 2

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/61>, abgerufen am 29.03.2024.