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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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I Theil. Erstes Capitel.
Plinius merket an, 1) daß man allererst in der funfzigsten Olympias ange-
fangen habe, in Marmor zu arbeiten, welches vermuthlich von ganzen
Figuren zu verstehen ist. Zuweilen wurden auch marmorne Statuen mit
wirklichem Zeuge bekleidet, wie eine 2) Ceres war, zu Bura in Achaja;
ein sehr alter Aesculapius 3) zu Sicyon hatte gleichfalls ein Gewand. Dieses
gab nachher Gelegenheit, daß man an Figuren von Marmor die Beklei-
dung ausmalete, wie eine Diana zeiget, welche im Jahre 1760. im Her-
culano gefunden worden. Es ist dieselbe vier Palme und dritthalb Zoll
hoch, mit einem Kopfe, welcher nicht Idealisch ist, sondern eine bestimm-
te Person vorstellet. Die Haare von derselben sind blond, die Veste weiß,
so wie der Rock, an welchen unten drey Streifen umher laufen; der un-
terste ist schmal und goldfarbig, der andere breiter, von Lack-Farbe, mit
weißen Blumen und Schnirkeln auf demselben gemalet; der dritte Streif
ist von eben der Farbe. Die Statue, welche Corydon beym 4) Vir-
gilius der Diana gelobete, sollte von Marmor seyn, aber mit rothen Stiefeln.
In schwarzen Steinen, es sey Marmor oder Basalt, arbeiteten bereits die
ältesten Griechischen Bildhauer: eine Diana 5) zu Ambryßus in der Land-
schaft Phocis, von einem Aeginetischen Künstler, war aus solchem Steine.
In wirklichen Basalt arbeiteten die Griechen so wohl, als die Aegypter;
wovon unten wird gehandelt werden.

VII.
In Erzt.

In Erzt müßte man in Italien weit eher, als in Griechenland, Sta-
tuen gearbeitet haben, wenn man dem Pausanias folgen wllote. Dieser
6) machet die ersten Künstler in dieser Art Bildhauerey, einen Rhoecus und
Theodorus aus Samos, namhaft. Dieser letzte hatte den berühmten
Stein des Polycrates geschnitten, welcher zur Zeit des Croesus, also etwa

um
1) L. 36. c. 4. p. 724. l. 15.
2) Pausan. L. 7. p. 590. l. 15.
3) Id. L. 2. p. 137. l. 4.
4) Eclog. 7. v. 31.
5) Id. L. 10. p. 891. l. 1.
6) L. 8. p. 629. l. 2. L. 9. p. 796. l. 1. L. 10. p. 896. l. 19.

I Theil. Erſtes Capitel.
Plinius merket an, 1) daß man allererſt in der funfzigſten Olympias ange-
fangen habe, in Marmor zu arbeiten, welches vermuthlich von ganzen
Figuren zu verſtehen iſt. Zuweilen wurden auch marmorne Statuen mit
wirklichem Zeuge bekleidet, wie eine 2) Ceres war, zu Bura in Achaja;
ein ſehr alter Aeſculapius 3) zu Sicyon hatte gleichfalls ein Gewand. Dieſes
gab nachher Gelegenheit, daß man an Figuren von Marmor die Beklei-
dung ausmalete, wie eine Diana zeiget, welche im Jahre 1760. im Her-
culano gefunden worden. Es iſt dieſelbe vier Palme und dritthalb Zoll
hoch, mit einem Kopfe, welcher nicht Idealiſch iſt, ſondern eine beſtimm-
te Perſon vorſtellet. Die Haare von derſelben ſind blond, die Veſte weiß,
ſo wie der Rock, an welchen unten drey Streifen umher laufen; der un-
terſte iſt ſchmal und goldfarbig, der andere breiter, von Lack-Farbe, mit
weißen Blumen und Schnirkeln auf demſelben gemalet; der dritte Streif
iſt von eben der Farbe. Die Statue, welche Corydon beym 4) Vir-
gilius der Diana gelobete, ſollte von Marmor ſeyn, aber mit rothen Stiefeln.
In ſchwarzen Steinen, es ſey Marmor oder Baſalt, arbeiteten bereits die
aͤlteſten Griechiſchen Bildhauer: eine Diana 5) zu Ambryßus in der Land-
ſchaft Phocis, von einem Aeginetiſchen Kuͤnſtler, war aus ſolchem Steine.
In wirklichen Baſalt arbeiteten die Griechen ſo wohl, als die Aegypter;
wovon unten wird gehandelt werden.

VII.
In Erzt.

In Erzt muͤßte man in Italien weit eher, als in Griechenland, Sta-
tuen gearbeitet haben, wenn man dem Pauſanias folgen wllote. Dieſer
6) machet die erſten Kuͤnſtler in dieſer Art Bildhauerey, einen Rhoecus und
Theodorus aus Samos, namhaft. Dieſer letzte hatte den beruͤhmten
Stein des Polycrates geſchnitten, welcher zur Zeit des Croeſus, alſo etwa

um
1) L. 36. c. 4. p. 724. l. 15.
2) Pauſan. L. 7. p. 590. l. 15.
3) Id. L. 2. p. 137. l. 4.
4) Eclog. 7. v. 31.
5) Id. L. 10. p. 891. l. 1.
6) L. 8. p. 629. l. 2. L. 9. p. 796. l. 1. L. 10. p. 896. l. 19.
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[16/0066] I Theil. Erſtes Capitel. Plinius merket an, 1) daß man allererſt in der funfzigſten Olympias ange- fangen habe, in Marmor zu arbeiten, welches vermuthlich von ganzen Figuren zu verſtehen iſt. Zuweilen wurden auch marmorne Statuen mit wirklichem Zeuge bekleidet, wie eine 2) Ceres war, zu Bura in Achaja; ein ſehr alter Aeſculapius 3) zu Sicyon hatte gleichfalls ein Gewand. Dieſes gab nachher Gelegenheit, daß man an Figuren von Marmor die Beklei- dung ausmalete, wie eine Diana zeiget, welche im Jahre 1760. im Her- culano gefunden worden. Es iſt dieſelbe vier Palme und dritthalb Zoll hoch, mit einem Kopfe, welcher nicht Idealiſch iſt, ſondern eine beſtimm- te Perſon vorſtellet. Die Haare von derſelben ſind blond, die Veſte weiß, ſo wie der Rock, an welchen unten drey Streifen umher laufen; der un- terſte iſt ſchmal und goldfarbig, der andere breiter, von Lack-Farbe, mit weißen Blumen und Schnirkeln auf demſelben gemalet; der dritte Streif iſt von eben der Farbe. Die Statue, welche Corydon beym 4) Vir- gilius der Diana gelobete, ſollte von Marmor ſeyn, aber mit rothen Stiefeln. In ſchwarzen Steinen, es ſey Marmor oder Baſalt, arbeiteten bereits die aͤlteſten Griechiſchen Bildhauer: eine Diana 5) zu Ambryßus in der Land- ſchaft Phocis, von einem Aeginetiſchen Kuͤnſtler, war aus ſolchem Steine. In wirklichen Baſalt arbeiteten die Griechen ſo wohl, als die Aegypter; wovon unten wird gehandelt werden. In Erzt muͤßte man in Italien weit eher, als in Griechenland, Sta- tuen gearbeitet haben, wenn man dem Pauſanias folgen wllote. Dieſer 6) machet die erſten Kuͤnſtler in dieſer Art Bildhauerey, einen Rhoecus und Theodorus aus Samos, namhaft. Dieſer letzte hatte den beruͤhmten Stein des Polycrates geſchnitten, welcher zur Zeit des Croeſus, alſo etwa um 1) L. 36. c. 4. p. 724. l. 15. 2) Pauſan. L. 7. p. 590. l. 15. 3) Id. L. 2. p. 137. l. 4. 4) Eclog. 7. v. 31. 5) Id. L. 10. p. 891. l. 1. 6) L. 8. p. 629. l. 2. L. 9. p. 796. l. 1. L. 10. p. 896. l. 19.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/66>, abgerufen am 23.04.2024.