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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von dem Ursprunge und Anfange der Kunst.
Arbeit in kostbaren Steinen gewesen, siehet man nur allein, ohne andere
dergleichen Nachrichten zu berühren, aus den 1) zwey tausend Trink-
Geschirren, welche Pompejus in dem Schatze des Mithridates fand.

Nach angezeigtem Ursprunge der Kunst und der Materie, worinn sie ge-Drittes Stück.
Von den
Ursachen der
Verschieden-
heit der Kunst
unter den
Völkern.
I.
Einfluß des
Himmels in
die Bildung.

wirket, führet die Abhandlung von dem Einflusse des Himmels in die Kunst,
als das dritte Stück dieses Capitels, näher zu der Verschiedenheit der
Kunst unter den Völkern, welche dieselbe geübet haben. Durch den Ein-
fluß des Himmels bedeuten wir die Wirkung der verschiedenen Lage der
Länder, der besonderen Witterung und Nahrung in denselben, in die Bil-
dung der Einwohner, wie nicht weniger in ihre Denkungs-Art. Das
Clima, sagt Polybius 2), bildet die Sitten der Völker, ihre Gestalt und
Farbe.

In Absicht des Erstern, nemlich der Bildung der Menschen überzeu-A.
Ueber-haupt.

get uns unser Auge, daß in dem Gesichte allezeit, so wie die Seele, also
auch vielmals der Character der Nation gebildet sey: und wie die Natur
große Reiche und Länder durch Berge und Flüsse von einander gesondert,
so hat auch die Mannigfaltigkeit derselben die Einwohner solcher Länder
durch ihre eigene Züge unterschieden; und in weit entlegenen Ländern ist
die Verschiedenheit auch in anderen Theilen des Körpers, und in der Statur.
Die Thiere sind in ihren Arten, nach Beschaffenheit der Länder, nicht ver-
schiedener, als es die Menschen sind, und es haben einige bemerken wollen,B.
Und in die
Werkzeuge
der Sprache.

daß die Thiere die Eigenschaft der Einwohner ihrer Länder haben. Die
Bildung des Gesichts ist so verschieden, wie die Sprachen, ja wie die
Mundarten derselben; und diese sind es vermöge der Werkzeuge der Rede
selbst, so daß in kalten Ländern die Nerven der Zunge starrer und weniger
schnell seyn müssen, als in wärmern Ländern; und wenn 3) den Grönlän-

dern
1) Appian. Mithridat. p. 159. l. 35.
2) L. 4. p. 290. E.
3) Wöldicke de ling. Groenl. p. 144.
C 2

Von dem Urſprunge und Anfange der Kunſt.
Arbeit in koſtbaren Steinen geweſen, ſiehet man nur allein, ohne andere
dergleichen Nachrichten zu beruͤhren, aus den 1) zwey tauſend Trink-
Geſchirren, welche Pompejus in dem Schatze des Mithridates fand.

Nach angezeigtem Urſprunge der Kunſt und der Materie, worinn ſie ge-Drittes Stuͤck.
Von den
Urſachen der
Verſchieden-
heit der Kunſt
unter den
Voͤlkern.
I.
Einfluß des
Himmels in
die Bildung.

wirket, fuͤhret die Abhandlung von dem Einfluſſe des Himmels in die Kunſt,
als das dritte Stuͤck dieſes Capitels, naͤher zu der Verſchiedenheit der
Kunſt unter den Voͤlkern, welche dieſelbe geuͤbet haben. Durch den Ein-
fluß des Himmels bedeuten wir die Wirkung der verſchiedenen Lage der
Laͤnder, der beſonderen Witterung und Nahrung in denſelben, in die Bil-
dung der Einwohner, wie nicht weniger in ihre Denkungs-Art. Das
Clima, ſagt Polybius 2), bildet die Sitten der Voͤlker, ihre Geſtalt und
Farbe.

In Abſicht des Erſtern, nemlich der Bildung der Menſchen uͤberzeu-A.
Ueber-haupt.

get uns unſer Auge, daß in dem Geſichte allezeit, ſo wie die Seele, alſo
auch vielmals der Character der Nation gebildet ſey: und wie die Natur
große Reiche und Laͤnder durch Berge und Fluͤſſe von einander geſondert,
ſo hat auch die Mannigfaltigkeit derſelben die Einwohner ſolcher Laͤnder
durch ihre eigene Zuͤge unterſchieden; und in weit entlegenen Laͤndern iſt
die Verſchiedenheit auch in anderen Theilen des Koͤrpers, und in der Statur.
Die Thiere ſind in ihren Arten, nach Beſchaffenheit der Laͤnder, nicht ver-
ſchiedener, als es die Menſchen ſind, und es haben einige bemerken wollen,B.
Und in die
Werkzeuge
der Sprache.

daß die Thiere die Eigenſchaft der Einwohner ihrer Laͤnder haben. Die
Bildung des Geſichts iſt ſo verſchieden, wie die Sprachen, ja wie die
Mundarten derſelben; und dieſe ſind es vermoͤge der Werkzeuge der Rede
ſelbſt, ſo daß in kalten Laͤndern die Nerven der Zunge ſtarrer und weniger
ſchnell ſeyn muͤſſen, als in waͤrmern Laͤndern; und wenn 3) den Groͤnlaͤn-

dern
1) Appian. Mithridat. p. 159. l. 35.
2) L. 4. p. 290. E.
3) Wöldicke de ling. Groenl. p. 144.
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[19/0069] Von dem Urſprunge und Anfange der Kunſt. Arbeit in koſtbaren Steinen geweſen, ſiehet man nur allein, ohne andere dergleichen Nachrichten zu beruͤhren, aus den 1) zwey tauſend Trink- Geſchirren, welche Pompejus in dem Schatze des Mithridates fand. Nach angezeigtem Urſprunge der Kunſt und der Materie, worinn ſie ge- wirket, fuͤhret die Abhandlung von dem Einfluſſe des Himmels in die Kunſt, als das dritte Stuͤck dieſes Capitels, naͤher zu der Verſchiedenheit der Kunſt unter den Voͤlkern, welche dieſelbe geuͤbet haben. Durch den Ein- fluß des Himmels bedeuten wir die Wirkung der verſchiedenen Lage der Laͤnder, der beſonderen Witterung und Nahrung in denſelben, in die Bil- dung der Einwohner, wie nicht weniger in ihre Denkungs-Art. Das Clima, ſagt Polybius 2), bildet die Sitten der Voͤlker, ihre Geſtalt und Farbe. Drittes Stuͤck. Von den Urſachen der Verſchieden- heit der Kunſt unter den Voͤlkern. I. Einfluß des Himmels in die Bildung. In Abſicht des Erſtern, nemlich der Bildung der Menſchen uͤberzeu- get uns unſer Auge, daß in dem Geſichte allezeit, ſo wie die Seele, alſo auch vielmals der Character der Nation gebildet ſey: und wie die Natur große Reiche und Laͤnder durch Berge und Fluͤſſe von einander geſondert, ſo hat auch die Mannigfaltigkeit derſelben die Einwohner ſolcher Laͤnder durch ihre eigene Zuͤge unterſchieden; und in weit entlegenen Laͤndern iſt die Verſchiedenheit auch in anderen Theilen des Koͤrpers, und in der Statur. Die Thiere ſind in ihren Arten, nach Beſchaffenheit der Laͤnder, nicht ver- ſchiedener, als es die Menſchen ſind, und es haben einige bemerken wollen, daß die Thiere die Eigenſchaft der Einwohner ihrer Laͤnder haben. Die Bildung des Geſichts iſt ſo verſchieden, wie die Sprachen, ja wie die Mundarten derſelben; und dieſe ſind es vermoͤge der Werkzeuge der Rede ſelbſt, ſo daß in kalten Laͤndern die Nerven der Zunge ſtarrer und weniger ſchnell ſeyn muͤſſen, als in waͤrmern Laͤndern; und wenn 3) den Groͤnlaͤn- dern A. Ueber-haupt. B. Und in die Werkzeuge der Sprache. 1) Appian. Mithridat. p. 159. l. 35. 2) L. 4. p. 290. E. 3) Wöldicke de ling. Groenl. p. 144. C 2

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/69>, abgerufen am 19.04.2024.