Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
das ist, in Absicht der äußeren Umstände, und zwar allein unter
den Griechen und Römern. Das Wesen der Kunst aber ist in
diesem sowohl, als in jenem Theile, der vornehmste Entzweck, in
welches die Geschichte der Künstler wenig Einfluß hat, und diese,
welche von andern zusammengetragen worden, hat man also hier
nicht zu suchen: es sind hingegen auch in dem zweyten Theile die-
jenigen Denkmale der Kunst, welche irgend zur Erläuterung die-
nen können, sorgfältig angezeiget.

Die Geschichte der Kunst soll den Ursprung, das Wachs-
thum, die Veränderung und den Fall derselben, nebst dem ver-
schiedenen Stile der Völker, Zeiten und Künstler, lehren, und die-
ses aus den übrig gebliebenen Werken des Alterthums, so viel
möglich ist, beweisen.

Es sind einige Schriften unter dem Namen einer Geschichte
der Kunst an das Licht getreten; aber die Kunst hat einen ge-
ringen Antheil an denselben: denn ihre Verfasser haben sich mit
derselben nicht genug bekannt gemachet, und konnten also nichts
geben, als was sie aus Büchern, oder von sagen hören, hatten.
In das Wesen und zu dem Innern der Kunst führet fast kein
Scribent, und diejenigen, welche von Alterthümern handeln, be-
rühren entweder nur dasjenige, wo Gelehrsamkeit anzubringen
war, oder wenn sie von der Kunst reden, geschieht es theils mit
allgemeinen Lobsprüchen, oder ihr Urtheil ist auf fremde und fal-
sche Gründe gebauet. Von dieser Art ist des Monier Geschichte
der Kunst, und des Dürand Uebersetzung und Erklärung der
letzten Bücher des Plinius, unter dem Titel: Geschichte der
alten Malerey:
auch Turnbull in seiner Abhandlung von
der alten Malerey, gehöret in diese Classe. Aratus, welcher die
Astronomie nicht verstand, wie Cicero sagt, konnte ein berühmtes
Gedicht über dieselbe schreiben; ich weis aber nicht, ob auch ein

Grieche

Vorrede.
das iſt, in Abſicht der aͤußeren Umſtaͤnde, und zwar allein unter
den Griechen und Roͤmern. Das Weſen der Kunſt aber iſt in
dieſem ſowohl, als in jenem Theile, der vornehmſte Entzweck, in
welches die Geſchichte der Kuͤnſtler wenig Einfluß hat, und dieſe,
welche von andern zuſammengetragen worden, hat man alſo hier
nicht zu ſuchen: es ſind hingegen auch in dem zweyten Theile die-
jenigen Denkmale der Kunſt, welche irgend zur Erlaͤuterung die-
nen koͤnnen, ſorgfaͤltig angezeiget.

Die Geſchichte der Kunſt ſoll den Urſprung, das Wachs-
thum, die Veraͤnderung und den Fall derſelben, nebſt dem ver-
ſchiedenen Stile der Voͤlker, Zeiten und Kuͤnſtler, lehren, und die-
ſes aus den uͤbrig gebliebenen Werken des Alterthums, ſo viel
moͤglich iſt, beweiſen.

Es ſind einige Schriften unter dem Namen einer Geſchichte
der Kunſt an das Licht getreten; aber die Kunſt hat einen ge-
ringen Antheil an denſelben: denn ihre Verfaſſer haben ſich mit
derſelben nicht genug bekannt gemachet, und konnten alſo nichts
geben, als was ſie aus Buͤchern, oder von ſagen hoͤren, hatten.
In das Weſen und zu dem Innern der Kunſt fuͤhret faſt kein
Scribent, und diejenigen, welche von Alterthuͤmern handeln, be-
ruͤhren entweder nur dasjenige, wo Gelehrſamkeit anzubringen
war, oder wenn ſie von der Kunſt reden, geſchieht es theils mit
allgemeinen Lobſpruͤchen, oder ihr Urtheil iſt auf fremde und fal-
ſche Gruͤnde gebauet. Von dieſer Art iſt des Monier Geſchichte
der Kunſt, und des Duͤrand Ueberſetzung und Erklaͤrung der
letzten Buͤcher des Plinius, unter dem Titel: Geſchichte der
alten Malerey:
auch Turnbull in ſeiner Abhandlung von
der alten Malerey, gehoͤret in dieſe Claſſe. Aratus, welcher die
Aſtronomie nicht verſtand, wie Cicero ſagt, konnte ein beruͤhmtes
Gedicht uͤber dieſelbe ſchreiben; ich weis aber nicht, ob auch ein

Grieche
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0008" n="X"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
das i&#x017F;t, in Ab&#x017F;icht der a&#x0364;ußeren Um&#x017F;ta&#x0364;nde, und zwar allein unter<lb/>
den Griechen und Ro&#x0364;mern. Das We&#x017F;en der Kun&#x017F;t aber i&#x017F;t in<lb/>
die&#x017F;em &#x017F;owohl, als in jenem Theile, der vornehm&#x017F;te Entzweck, in<lb/>
welches die Ge&#x017F;chichte der Ku&#x0364;n&#x017F;tler wenig Einfluß hat, und die&#x017F;e,<lb/>
welche von andern zu&#x017F;ammengetragen worden, hat man al&#x017F;o hier<lb/>
nicht zu &#x017F;uchen: es &#x017F;ind hingegen auch in dem zweyten Theile die-<lb/>
jenigen Denkmale der Kun&#x017F;t, welche irgend zur Erla&#x0364;uterung die-<lb/>
nen ko&#x0364;nnen, &#x017F;orgfa&#x0364;ltig angezeiget.</p><lb/>
        <p>Die Ge&#x017F;chichte der Kun&#x017F;t &#x017F;oll den Ur&#x017F;prung, das Wachs-<lb/>
thum, die Vera&#x0364;nderung und den Fall der&#x017F;elben, neb&#x017F;t dem ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen Stile der Vo&#x0364;lker, Zeiten und Ku&#x0364;n&#x017F;tler, lehren, und die-<lb/>
&#x017F;es aus den u&#x0364;brig gebliebenen Werken des Alterthums, &#x017F;o viel<lb/>
mo&#x0364;glich i&#x017F;t, bewei&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Es &#x017F;ind einige Schriften unter dem Namen einer Ge&#x017F;chichte<lb/>
der Kun&#x017F;t an das Licht getreten; aber die Kun&#x017F;t hat einen ge-<lb/>
ringen Antheil an den&#x017F;elben: denn ihre Verfa&#x017F;&#x017F;er haben &#x017F;ich mit<lb/>
der&#x017F;elben nicht genug bekannt gemachet, und konnten al&#x017F;o nichts<lb/>
geben, als was &#x017F;ie aus Bu&#x0364;chern, oder von &#x017F;agen ho&#x0364;ren, hatten.<lb/>
In das We&#x017F;en und zu dem Innern der Kun&#x017F;t fu&#x0364;hret fa&#x017F;t kein<lb/>
Scribent, und diejenigen, welche von Alterthu&#x0364;mern handeln, be-<lb/>
ru&#x0364;hren entweder nur dasjenige, wo Gelehr&#x017F;amkeit anzubringen<lb/>
war, oder wenn &#x017F;ie von der Kun&#x017F;t reden, ge&#x017F;chieht es theils mit<lb/>
allgemeinen Lob&#x017F;pru&#x0364;chen, oder ihr Urtheil i&#x017F;t auf fremde und fal-<lb/>
&#x017F;che Gru&#x0364;nde gebauet. Von die&#x017F;er Art i&#x017F;t des <hi rendition="#fr">Monier Ge&#x017F;chichte</hi><lb/>
der Kun&#x017F;t, und des <hi rendition="#fr">Du&#x0364;rand</hi> Ueber&#x017F;etzung und Erkla&#x0364;rung der<lb/>
letzten Bu&#x0364;cher des Plinius, unter dem Titel: <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;chichte der<lb/>
alten Malerey:</hi> auch <hi rendition="#fr">Turnbull</hi> in &#x017F;einer Abhandlung von<lb/>
der alten Malerey, geho&#x0364;ret in die&#x017F;e Cla&#x017F;&#x017F;e. Aratus, welcher die<lb/>
A&#x017F;tronomie nicht ver&#x017F;tand, wie Cicero &#x017F;agt, konnte ein beru&#x0364;hmtes<lb/>
Gedicht u&#x0364;ber die&#x017F;elbe &#x017F;chreiben; ich weis aber nicht, ob auch ein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Grieche</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[X/0008] Vorrede. das iſt, in Abſicht der aͤußeren Umſtaͤnde, und zwar allein unter den Griechen und Roͤmern. Das Weſen der Kunſt aber iſt in dieſem ſowohl, als in jenem Theile, der vornehmſte Entzweck, in welches die Geſchichte der Kuͤnſtler wenig Einfluß hat, und dieſe, welche von andern zuſammengetragen worden, hat man alſo hier nicht zu ſuchen: es ſind hingegen auch in dem zweyten Theile die- jenigen Denkmale der Kunſt, welche irgend zur Erlaͤuterung die- nen koͤnnen, ſorgfaͤltig angezeiget. Die Geſchichte der Kunſt ſoll den Urſprung, das Wachs- thum, die Veraͤnderung und den Fall derſelben, nebſt dem ver- ſchiedenen Stile der Voͤlker, Zeiten und Kuͤnſtler, lehren, und die- ſes aus den uͤbrig gebliebenen Werken des Alterthums, ſo viel moͤglich iſt, beweiſen. Es ſind einige Schriften unter dem Namen einer Geſchichte der Kunſt an das Licht getreten; aber die Kunſt hat einen ge- ringen Antheil an denſelben: denn ihre Verfaſſer haben ſich mit derſelben nicht genug bekannt gemachet, und konnten alſo nichts geben, als was ſie aus Buͤchern, oder von ſagen hoͤren, hatten. In das Weſen und zu dem Innern der Kunſt fuͤhret faſt kein Scribent, und diejenigen, welche von Alterthuͤmern handeln, be- ruͤhren entweder nur dasjenige, wo Gelehrſamkeit anzubringen war, oder wenn ſie von der Kunſt reden, geſchieht es theils mit allgemeinen Lobſpruͤchen, oder ihr Urtheil iſt auf fremde und fal- ſche Gruͤnde gebauet. Von dieſer Art iſt des Monier Geſchichte der Kunſt, und des Duͤrand Ueberſetzung und Erklaͤrung der letzten Buͤcher des Plinius, unter dem Titel: Geſchichte der alten Malerey: auch Turnbull in ſeiner Abhandlung von der alten Malerey, gehoͤret in dieſe Claſſe. Aratus, welcher die Aſtronomie nicht verſtand, wie Cicero ſagt, konnte ein beruͤhmtes Gedicht uͤber dieſelbe ſchreiben; ich weis aber nicht, ob auch ein Grieche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/8
Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/8>, abgerufen am 25.04.2024.