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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von der Kunst unter den Aegyptern etc.
von dunkelbrauner Farbe, so wie man dieselbe den Köpfen auf gemalten
Mumien gegeben hat 1).

Man will auch aus einer Anmerkung 2) des Aristoteles behaupten,
daß die Aegypter 3) auswerts gebogene Schienbeine gehabt haben: die
mit den Aethiopiern gränzeten, hatten vielleicht, wie diese 4), eingebogene Na-
sen. Ihre weiblichen Figuren haben, bey aller ihrer Dünnheit, die Brüste mit
einem gar zu großen Ueberflusse behänget; und da die Aegyptischen Künst-
ler, nach dem Zeugnisse eines 5) Kirchen-Vaters, die Natur nachgeahmet
haben, wie sie dieselbe fanden, so konnte man auch aus ihren Figuren auf
das Geschöpfe des weiblichen Geschlechts daselbst schließen. Mit der Bil-
dung der Aegypter kann eine große Gesundheit, welche sonderlich die Ein-
wohner in Ober-Aegypten, nach dem 6) Herodotus, vor allen Völkern
genossen, sehr wohl bestehen, und dieses kann auch daraus geschlossen wer-
den, daß an unzähligen Köpfen Aegyptischer Mumien, welche Prinz Rad-
zivil gesehen, kein Zahn gemangelt, ja nicht einmal angefressen gewesen 7).
Die angeführte Mumie in Bologna kann auch darthun, daß es außeror-
dentliche große Gewächse unter ihnen gegeben: denn dieser Körper hat eilf
Römische Palmen in der Länge.

Was zum zweyten die Gemüths- und Denkungsart der Aegypter be-B.
In ihrer Ge-
müths- und
Denkungsart;
in ihren Ge-
setzen, Ge-
bräuchen und
Religion.

trifft, so waren sie ein Volk, welches zur Lust und Freude 8) nicht er-

schaffen
1) Eine von solchen Mumien wurde von dem Herrn Cardinal Alexander Albani dem In-
stituto zu Bologna geschenket; eine andere ist zu London; und beyde haben ihren alten
Sarg von frisch jerhaltenem Sycomoro, welcher, so wie der Körper, bemalet ist. Die
dritte bemalte Mumie ist zu Dreßden unter den Königlichen Alterthümern. Da also die
Gesichter auf allen diesen Mumien einerley Farbe haben, so ist nicht zu behaupten, wie
Gordon will, daß die Londonsche Mumie eine Person aus Nubien gewesen sey.
2) Problem. Sect. 14. p. 113. l. 1. ed. Sylburg.
3) Pignor. Tab. Is. p. 53.
4) Conf. Bochart. Hieroz. P. 1. p. 969.
5) S. Theodoret. Serm. 3.
6) L. 3. p. 74. l. 27.
7) Radzivil. Peregrin. p. 190.
8) Ammian. Marcel. L. 22. c. 16. p. 346.
Winckelm. Gesch. der Kunst. E

Von der Kunſt unter den Aegyptern ꝛc.
von dunkelbrauner Farbe, ſo wie man dieſelbe den Koͤpfen auf gemalten
Mumien gegeben hat 1).

Man will auch aus einer Anmerkung 2) des Ariſtoteles behaupten,
daß die Aegypter 3) auswerts gebogene Schienbeine gehabt haben: die
mit den Aethiopiern graͤnzeten, hatten vielleicht, wie dieſe 4), eingebogene Na-
ſen. Ihre weiblichen Figuren haben, bey aller ihrer Duͤnnheit, die Bruͤſte mit
einem gar zu großen Ueberfluſſe behaͤnget; und da die Aegyptiſchen Kuͤnſt-
ler, nach dem Zeugniſſe eines 5) Kirchen-Vaters, die Natur nachgeahmet
haben, wie ſie dieſelbe fanden, ſo konnte man auch aus ihren Figuren auf
das Geſchoͤpfe des weiblichen Geſchlechts daſelbſt ſchließen. Mit der Bil-
dung der Aegypter kann eine große Geſundheit, welche ſonderlich die Ein-
wohner in Ober-Aegypten, nach dem 6) Herodotus, vor allen Voͤlkern
genoſſen, ſehr wohl beſtehen, und dieſes kann auch daraus geſchloſſen wer-
den, daß an unzaͤhligen Koͤpfen Aegyptiſcher Mumien, welche Prinz Rad-
zivil geſehen, kein Zahn gemangelt, ja nicht einmal angefreſſen geweſen 7).
Die angefuͤhrte Mumie in Bologna kann auch darthun, daß es außeror-
dentliche große Gewaͤchſe unter ihnen gegeben: denn dieſer Koͤrper hat eilf
Roͤmiſche Palmen in der Laͤnge.

Was zum zweyten die Gemuͤths- und Denkungsart der Aegypter be-B.
In ihrer Ge-
muͤths- und
Denkungsaꝛt;
in ihren Ge-
ſetzen, Ge-
braͤuchen und
Religion.

trifft, ſo waren ſie ein Volk, welches zur Luſt und Freude 8) nicht er-

ſchaffen
1) Eine von ſolchen Mumien wurde von dem Herrn Cardinal Alexander Albani dem In-
ſtituto zu Bologna geſchenket; eine andere iſt zu London; und beyde haben ihren alten
Sarg von friſch jerhaltenem Sycomoro, welcher, ſo wie der Koͤrper, bemalet iſt. Die
dritte bemalte Mumie iſt zu Dreßden unter den Koͤniglichen Alterthuͤmern. Da alſo die
Geſichter auf allen dieſen Mumien einerley Farbe haben, ſo iſt nicht zu behaupten, wie
Gordon will, daß die Londonſche Mumie eine Perſon aus Nubien geweſen ſey.
2) Problem. Sect. 14. p. 113. l. 1. ed. Sylburg.
3) Pignor. Tab. Iſ. p. 53.
4) Conf. Bochart. Hieroz. P. 1. p. 969.
5) S. Theodoret. Serm. 3.
6) L. 3. p. 74. l. 27.
7) Radzivil. Peregrin. p. 190.
8) Ammian. Marcel. L. 22. c. 16. p. 346.
Winckelm. Geſch. der Kunſt. E
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[33/0083] Von der Kunſt unter den Aegyptern ꝛc. von dunkelbrauner Farbe, ſo wie man dieſelbe den Koͤpfen auf gemalten Mumien gegeben hat 1). Man will auch aus einer Anmerkung 2) des Ariſtoteles behaupten, daß die Aegypter 3) auswerts gebogene Schienbeine gehabt haben: die mit den Aethiopiern graͤnzeten, hatten vielleicht, wie dieſe 4), eingebogene Na- ſen. Ihre weiblichen Figuren haben, bey aller ihrer Duͤnnheit, die Bruͤſte mit einem gar zu großen Ueberfluſſe behaͤnget; und da die Aegyptiſchen Kuͤnſt- ler, nach dem Zeugniſſe eines 5) Kirchen-Vaters, die Natur nachgeahmet haben, wie ſie dieſelbe fanden, ſo konnte man auch aus ihren Figuren auf das Geſchoͤpfe des weiblichen Geſchlechts daſelbſt ſchließen. Mit der Bil- dung der Aegypter kann eine große Geſundheit, welche ſonderlich die Ein- wohner in Ober-Aegypten, nach dem 6) Herodotus, vor allen Voͤlkern genoſſen, ſehr wohl beſtehen, und dieſes kann auch daraus geſchloſſen wer- den, daß an unzaͤhligen Koͤpfen Aegyptiſcher Mumien, welche Prinz Rad- zivil geſehen, kein Zahn gemangelt, ja nicht einmal angefreſſen geweſen 7). Die angefuͤhrte Mumie in Bologna kann auch darthun, daß es außeror- dentliche große Gewaͤchſe unter ihnen gegeben: denn dieſer Koͤrper hat eilf Roͤmiſche Palmen in der Laͤnge. Was zum zweyten die Gemuͤths- und Denkungsart der Aegypter be- trifft, ſo waren ſie ein Volk, welches zur Luſt und Freude 8) nicht er- ſchaffen B. In ihrer Ge- muͤths- und Denkungsaꝛt; in ihren Ge- ſetzen, Ge- braͤuchen und Religion. 1) Eine von ſolchen Mumien wurde von dem Herrn Cardinal Alexander Albani dem In- ſtituto zu Bologna geſchenket; eine andere iſt zu London; und beyde haben ihren alten Sarg von friſch jerhaltenem Sycomoro, welcher, ſo wie der Koͤrper, bemalet iſt. Die dritte bemalte Mumie iſt zu Dreßden unter den Koͤniglichen Alterthuͤmern. Da alſo die Geſichter auf allen dieſen Mumien einerley Farbe haben, ſo iſt nicht zu behaupten, wie Gordon will, daß die Londonſche Mumie eine Perſon aus Nubien geweſen ſey. 2) Problem. Sect. 14. p. 113. l. 1. ed. Sylburg. 3) Pignor. Tab. Iſ. p. 53. 4) Conf. Bochart. Hieroz. P. 1. p. 969. 5) S. Theodoret. Serm. 3. 6) L. 3. p. 74. l. 27. 7) Radzivil. Peregrin. p. 190. 8) Ammian. Marcel. L. 22. c. 16. p. 346. Winckelm. Geſch. der Kunſt. E

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/83>, abgerufen am 23.04.2024.